Kapitel 17 ❀ aide

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MARIE BRIENNE

„Aber was glaubst du denn?", gaukelte ich ihr vor und schaffte es dabei sogar sie anzusehen. „Natürlich ihr seid ein schönes Paar... Er ist nur eben nicht von adeligem Blut."

Hach ja, und deshalb kann er bald hier auch nicht mehr ein und aus spazieren...

„Denkst du, Maman und Papa verbieten es mir irgendwann, ihn zu treffen?" Traurig sah sie mich an.
„Möglicherweise, aber ich denke eher nicht", winkte ich ab, woraufhin sich ihr Gesicht gleich aufhellte.

Es war zwar gemein, dass ich ihr Hoffnungen durch die Zurückstellung dieses Punktes machte; aber sie befleckte nunmal unser Ansehen, und meine Hochzeit könnte durch ihre Einfälle in Gefahr geraten. Wenn herauskäme, dass Aliénor und Rafael zusammen waren, würde Tante Marie-Thérèse sicherlich niemals zulassen, dass Louis-Antoine mich heiratete...
Er war sowieso nicht sonderlich entzückt von mir – mit seiner Hilfe konnte ich also nicht rechnen.

„Hast du Maman und Papa denn erzählt, dass Rafael und du zwei... damals..." Ich brach ab. „Naja, du weißt schon..."

„Brienne, wir haben nie zusammen eine Nacht verbracht", entgegnete meine kleine Schwester augenblicklich und setzte sogleich zum Protest an: „Außerdem zählte ich gerade einmal 14 Jahre zu dem Zeitpunkt – Er ist schon noch ein Edelmann, kein dahergelaufener Banause."

Ein Edelmann, natürlich, fügte ich in Gedanken hinzu, bevor ich ein Lächeln aufsetzte: „Auf jeden Fall hoffe ich, dass es zwischen euch irgendwie klappen wird, und dass du – wenn nicht – zumindest einen anderen Mann findest, der dich genauso auf Händen trägt."

Dieser Wunsch entsprach zumindest der Wahrheit. Egal, wie sehr ich auf mein eigenes Wohl bedacht war, handelte es sich bei Aliénor trotz alledem um meine Schwester. Abgesehen davon, dass ich wohl kaum jemanden eine schreckliche Ehe wünschen würde.
Zum Beispiel hatte meine zukünftige Schwiegermutter, unsere liebe Tante, einen Mann zum Gemahl gehabt, der sie am laufenden Band betrogen hatte. Jede seiner Mätressen hatte sie ertragen müssen. Doch niemanden hatte es interessiert.

„Aber auch, wenn dein neues Leben einen langjährigen Traum von dir widerspiegelt, muss ich schon sagen, dass mir Alexandre etwas leid tut", entgegnete sie schwach lächelnd.

„Wieso Alexandre?", wollte ich sofort mit eindeutig einer Spur zu viel Panik in der Stimme wissen. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah sie mich an, sodass ich schon fürchtete, sie jetzt über unsere Beziehung aufklären zu müssen. Dann schüttelte sie jedoch mit dem Kopf. „Ach, vergiss es", winkte sie ab. „Hauptsache, du bist glücklich mit unserem Cousin."

„Und wie ich das bin." Erleichtert legte ich meinen Kopf auf ihre Schulter. „Ach, petite sœur..."



LOUIS - ANTOINE

„Also ich bin sehr zufrieden mit Euch", sagte Herzog Louis II. klar heraus und sah den Bediensteten seines Schlosses zu, wie sie wortwörtlich den Rest von Fest hinfort räumten. Tische und Stühle wurden zurück in die Lagerräume gestellt, die restlichen Speisen und Getränke durften die Angestellten behalten und die Dekoration wurde zurück in die dazugehörigen Kisten verpackt.

„Ihr scheint mir ein sehr geeigneter Gatte für meine älteste Tochter zu sein. Tatsächlich ist es überraschend, wie ähnlich Ihr und sie Euch seid", fuhr er fort und der Anflug eines Lächelns huschte über seine Lippen. Ich konnte schon förmlich riechen, dass er mich mochte.

„Ja, das ist wahr", entgegnete ich und rief mir ins Gedächtnis, dass er mich eigentlich hassen sollte. Ich spielte mit seiner Lieblingstochter, und wenn er wüsste, was ich getan hatte, würde er mir ihre ältere Schwester und Aliénor schon gar nicht zur Gemahlin geben.

„Habt Ihr denn schon andere Pläne für die Hochzeit Eurer anderen Kinder, Hoheit?", wollte ich beiläufig wissen.

„Bis jetzt noch keine, Majestät. Der Kronprinz ist mit der Tochter des Königs von Neapel schon seit zwei Jahren verheiratet, und Marie Brienne die älteste meiner Töchter. Somit bleibt den anderen noch viel Zeit. Möglicherweise werden manche von ihnen auch gar nicht heiraten."

Ich bewunderte die liberale Ansicht, die dieser Mann besaß. Seine Kinder konnten sich wirklich glücklich schätzen, stets aus Liebe oder (wenn sie nicht wollten) gar nicht heiraten zu können. Ich musste aus politischen Kalkül heiraten, ebenso wie meine Eltern, meine Großeltern, meine Cousins – normalerweise musste jeder Adelige das tun.

Wenn ich doch nur wüsste, was ich tun könnte, um das auch bei mir umzusetzen. Doch wie das tun, wenn die Frau, die ich wollte, mich verabscheuen und niemals nehmen wird?



RAFAEL

Es war still in den Räumen des Kaisers von Frankreich. Ich als Soldat der kaiserlichen Leibgarde durfte sie betreten, und so konnte ich auch jeder Zeit Post auf den Schreibtisch Seiner Majestät legen.
So begab ich mich schnellen Schrittes in den weitläufigen Salon und platzierte den Brief seiner Verlobten ordentlich auf dem dunklen Holz.

Zufällig entdeckte ich einige geschriebene Zeilen auf einem Stückchen Pergament. Eigentlich sollte ich es nicht lesen, ging es mir durch den Kopf, doch meine unbändige Neugier ließ sich nicht zähmen. Die paar Zeilen waren schnell aufgenommen: Er schrieb wohl an ein Mädchen und entschuldigte sich für seine Tat.

Die beiden hatten sich anscheinend getroffen, ohne dass Louis XVII. ihr verraten hatte, dass er der Kaiser war. Jedoch sei sein Herz für sie aufgeflammt, obwohl er nun verlobt war.

Hui, dachte ich mir und wandte den Blick ab. Ich las hier definitiv zu private Sachen. Was für Geliebte sich der Kaiser anschaffen wollte, sollte nicht meine Sache sein. Ob ich es wohl Aliénor erzählen sollte, dass der Verlobte ihrer Schwester Gefühle für eine andere hegte?

Ich schüttelte mit dem Kopf, als ich die feingeschwungenen Buchstaben erneut betrachtete. In meiner Position musste ich Verantwortung zeigen. Der Kaiser vertraute mir schließlich.
Ohne groß zu überlegen, schnappte ich mir eine Feder, tauchte sie in das Tintenfass, und begann meinen Vorschlag darunter zu verfassen:


Sprecht mit Euer Herzensdame und stellt ihr Eure Intention dar. Wenn Ihr jemand anderen heiraten wollt, tut es doch. Ihr seid der Kaiser.
— Von einem tiefergebenen Diener und Freund
Seiner Majestät, dessen Lippen stumm bleiben.


Zufrieden legte ich diesen Zettel neben das Schreiben Marie Briennes. Hoffentlich schob der Kaiser dadurch keine Panik und bewahrte Ruhe über die Situation. Ich wollte keineswegs das Ansehen der Familie Aliénors schwächen, doch ich gehörte nunmal zur Leibgarde des Kaisers, und meine Pflicht war es, ihm zu dienen.

Wenn ich jedoch gewusst hätte, dass es sich bei diesem Mädchen um meine Freundin handelte, hätte ich mich das erste mal in meinem Leben gegen meinen Befehl gestellt.
Doch über den wirklichen Adressaten hatte ich selbstverständlich nicht die geringste Ahnung.

Und so hätte ich mir nie erträumt, was ich durch meine Hilfe auslösen würde.






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Übersetzungen

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( TITEL ) Hilfe
( petite sœur ) Kleine Schwester

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PRINCESS OF ROSES  ᵗᵉⁱˡ ᵉⁱⁿˢWhere stories live. Discover now