Kapitel 19 ❀ meilleur ami

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ALIÉNOR

„Ganz genau. Der Kaiser von Frankreich und der König von Navarra, Aliénor", entgegnete sie und sah mich irritiert, wenn nicht sogar etwas wütend an.

Doch mir blieb keine Zeit, auf meine ältere Schwester Rücksicht zu nehmen. Entsetzt ruhten meine Augen auf ihm.

Das konnte — das durfte nicht wahr sein. Entweder hatte Louis XVII. einen eineiigen Zwillingsbruder, der Italiener war, oder alle nahmen mich gerade gehörig auf den Arm. Während ich merkte, wie mein Mund leicht aufklappte, sah er mich immer noch nicht an. Schweratmend versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen und setzte ein gequältes Lächeln auf, ehe ich einen Hofknicks machte. Mein Hals wurde trocken.

Er war es. Der, den ich als ach so charmanten Comte aus Italien, genauer gesagt von Gardo kennengelernt hatte. Langsam bezweifelte ich, ob dies überhaupt existierte. Und ich war so naiv gewesen, hatte ihm geglaubt und mich um den Finger wickeln lassen, als wäre ich eine daher gelaufene Dienstmagd. Fand er das ganze witzig?

Irgendwann hob er den Blick an, seine Lippen aber formten kein einziges Wort. Er schaute betrübt drein, jedoch interessierte mich das herzlichst wenig. Was wäre daran so schlimm gewesen, mir die Wahrheit zu berichten? Was wollte er von mir? Hatte er vor, Brienne davon zu berichten und einen Keil zwischen uns zu treiben?

Ich wusste nicht, was mich mehr verletzte – seine gespielte Trauer oder, dass er hier mit meiner Schwester, die er bald heiraten würde, stand und tat, als wäre ich eine Fremde.

Ich versuchte, bloß nicht zu zeigen, wie resigniert ich war. Jedoch bebte meine Unterlippe und ich wusste kaum wie mir geschah, als mir die Tränen in die Augen stiegen. „Aber ihr habt doch miteinander getanzt... gestern Abend noch, weißt du das nicht mehr?", meldete sich auch meine Mutter zu Wort.

„Wie?", erwiderte ich, schaute sie irritiert an, ehe ich mich schlagartig zurück an den gestrigen Abend erinnert. Deshalb haben uns alle beobachtet...

„Den Walzer, bei welchem Ihr mir erklärtet, dass dies Euer Liebster Tanz sei." Lorenzo – nein, Louis-Antoine – hatte gesprochen und unseren Blicken verfingen sich erneut ineinander, ehe in mir durch seine Worte der letzte Keim an Hoffnung, dass Louis-Antoine nicht Lorenzo war, erstarb.

War ich tatsächlich so blöd, noch nichtmal Parallelen zwischen meinem Cousin und dem Comte feststellen zu können? Schließlich fiel mir die Ähnlichkeit auch auf. Die bourbonischen Züge in seinem Gesicht erkannte ich nun klar und deutlich, genauso wie den Schmerz, der sich ungewöhnlich stark in meinem Brustkorb auszubreiten schien.

„Geht es dir nicht gut, Aliénor?" Der Blick meiner Mutter zeugte von ihrer Besorgnis mir gegenüber. „Du bist ja ganz bleich."

Reflexartig griff ich mir ins Gesicht und das Bild, wie er meine Wange berühren wollte, tauchte vor meinen Augen auf. Ich blinzelte. „A-Ach, alles bestens. Ich muss mir wohl gestern den Magen verdorben haben, i-ich glaube, ich lege mich mal hin... Entschuldigt mich..."
Ich versank in einem Hofknicks, murmelte etwas von „Majestät" und vernahm noch weiterhin Mamans Stimme, als wäre sie Kilometer von mir entfernt, als ich geradezu aus dem Raum hechtete.

„Verzeiht das ungehobelte Verhalten meiner Schwester", hörte ich noch Brienne sagen, als ich mich schweratmend an die dunkle Wand neben dem Salon drückte. „Sie ist noch nicht sonderlich weit."

PRINCESS OF ROSES  ᵗᵉⁱˡ ᵉⁱⁿˢWhere stories live. Discover now