Kapitel 04 ❀ fête d'anniversaire

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ALIÉNOR

„Aufstehen, du Schlafmütze", trällerte ich am nächsten Tag in dem Zimmer meiner älteren Schwester herumtanzend und zog die seidenen Vorhänge ihres Himmelbettes zu Seite.

„Aliénor, geh! Ich will schlafen...", nuschele das Geburtstagskind und presste ihr hellblaues Kissen auf ihr Gesicht.

„Neeein, heute ist dein Geburtstag! Außerdem müssen wir noch so viel für morgen vorbereiten", entgegnete ich grinsend und zog dir die Decke weg, worauf sie sich augenblicklich vor Kälte zusammenkauerte und das Kissen fester in ihr Gesicht drückte. Sie gähnte in ihr teures Polster hinein und stand darauf doch schließlich auf.

„Bin ja schon unterwegs", maulte sie mit halbgeöffneten Augen und begab sich in ihr nebenan liegendes Bad. Summend folgte ich ihr und beobachtete wie sie den goldenen Wasserhahn aufdrehte und sich anschließend ihr Gesicht wusch.

„Ich kann's gar nicht erwarten, deine Reaktion auf die Überraschung zu sehen, Brienne", erklärte ich ihr ungeduldig und spielte mit meinen Fingern. „Verrat bloß nichts", sagte sie und öffnete ihre langen, blonden Haaren, die sie sich für die Nacht geflochten hatte.
„Verraten tu' ich nichts, aber wenn du willst kann ich dir beim Herrichten helfen", schlug ich vor und reichte ihr ihren purpurfarbenen Morgenmantel, den sie dankend entgegennahm.

„Willst du dich nicht selber erst fertig machen?", fragte sie verdutzt. „Bin ich doch." Meine Schwester drehte sich mit kraus gezogener Stirn zu mir um, bevor sie mich von oben bis unten betrachtete.

„Das hab' ich gar nicht bemerkt... sonst rennst du doch morgens immer im Nachtgewand durch das Schloss", bemerkte sie mit leicht geöffneten Mund.
„Na, für dich hab' ich extra in mein schönstes Kleid angezogen", erwiderte ich stolz und drehte mich kurz um mich selbst.

„Tatsächlich? Ist das ein neues, maßgeschneidertes Kleid?", fragte sie mit großen Augen nach und drehte eine blonde Sträne um ihren dünnen Finger, während sie den cremefarbenen Stoff, der mich umgab beäugte. „Natürlich", antwortete ich aufgesetzt beleidigt.
„Schließlich ist heute dein Geburtstag! Aber jetzt hopp hopp! Wir müssen aus dir eine noch wunderschönere Prinzessin zaubern!"


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MARIE BRIENNE

Eine halbe Stunde später fand sich meine ganze Familie und das Personal im Speisesaal wieder und applaudierte, als ich in dem schönsten Gewand, was ich besaß, dicht gefolgt von meiner Schwester die Treppe hinuntergestiegen kam. Lächelnd begab ich mich zu meinem Platz, der heute ausnahmsweise der Platz, auf dem mein Vater eigentlich saß, war und bedankte mich bei allen Angestellten und Familienangehörigen, die mir zum Geburtstag gratulierten.

Glücklich schaute ich in die Runde und wartete etwas ungeduldig auf die richtige Überraschung, die Aliénor mir angekündigt hatte, da dieses Frühstück in meinen Augen selbstverständlich nichts besonderes war.

Trotzdem blieb ich aber – wie es sich gehörte –  freundlich und höflich und nahm alle Geschenke, die ich bekam, dankend entgegen.

„Brienne, die Kaiserfamilie wird heute Nachmittag um 16 Uhr eintreffen", flüsterte mir meine Mutter mit gedämpfter Stimme zu, als meine anderen Geschwister, leider auch meine jüngere Schwester Aliénor, gerade damit beschäftigt waren, sich gegenseitig mit Croissants zu bewerfen, was eine kleine Unruhe bei den Kellnern ausgelöst hatte.

Ich nickte ihr kurz zu und nippte nur an meinem Früchtetee. Heute war es also soweit: Ich würde meinen Cousin, den Kaiser treffen und mich mit ihm verloben. Schon damals war er so ausgesprochen liebenswert gewesen, und die Vorstellung, dass er sich nur mit mir verloben wollte, obwohl er jede haben konnte – schließlich war er ja ein Kaiser und mit seinen 22 Jahren schon seit über sieben Jahren heiratsfähig –, löste ein Gefühl von Macht in mir aus, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte.

Dass mich die zwei Augen unseres Dieners Alexandre schon die ganze Zeit resigniert statt sonst so hingerissen beobachteten, bemerkte ich nicht.

Nach dem ausgesprochen leckeren, wenn auch langweiligen Frühstück begaben wir uns in den Garten, wo ich mich aufgeregt umsah. Da ich jedoch nichts überragendes entdeckte, zog ich meinen Kopf enttäuscht wieder ein.

„Brienne, schau!", hörte ich die Stimme meiner kleinen Schwester Pauline, die an meinem Kleid zog und drehte mich zur Seite, wo ich eine große, vergoldete Kutsche erblickte, die von weißen Pferden gezogen wurde und über dessen rechten Tür die platzierte Aufschrift

BRIENNÉ

prangte. Das nannte ich mal eine richtige Überraschung. Zwar immer noch nicht ‚atemberaubendes', aber immerhin hatte ich mir schon immer eine eigene Kutsche gewünscht, die mich überall hinfuhr, egal zu welchen Modegeschäften oder Schmuckläden.

„Die gehört jetzt dir, Liebes", erwiderte mein Vater stolz, öffnete die Tür und reichte mir eine Hand zur Hilfe.

Lächelnd nahm ich diese entgegen und setzte mich in die luxuriös ausgestattete Kutsche hinein, die meinem Vater wohl ein Vermögen gekostet hatten. Dass diese Kosten unserem Land, dem es sowieso finanziell nicht so gut ging, nicht gerade zu gute kommen würden, entschuldigte ich dadurch, dass meine Familie durch meine baldige Heirat eine große Mitgift erhalten würden.

Nachdem ich eingestiegen war, folgten mir meine Mutter, die meine kleine Schwester Marie-Christine in den Armen hielt und meine 6-jährige Schwester Pauline, die sich gegenüber von mir niederließen.
„So... jetzt machen wir erstmal eine richtigen Ausflug in die Stadt – aber natürlich nur wir Mädels, n'est-ce pas?", fragte meine Mutter gutgelaunt nach, was Mariechen mit einem niedlichen Lachen bejahte.

„Ich kann es noch gar nicht erwarten, Maman", erwiderte ich mit strahlenden Augen, bis mir auffiel, dass jemand von uns fehlte: „Maman, wo ist Aliénor?"






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Wo denkt ihr ist Aliénor?



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Übersetzungen

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TITEL  Geburtstagsfeier
n'est-ce pas?  nicht wahr? / oder?

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PRINCESS OF ROSES  ᵗᵉⁱˡ ᵉⁱⁿˢWhere stories live. Discover now