Kapitel 08 ❀ rose rouge

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MARIE BRIENNE

Meine Schritten hallten im steinernen Gang des Schlosses wieder, als ich mich auf machte, zurück zu meiner jüngeren Schwester zu gehen, um diese aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Sicherlich hatte sie sich bereits beruhigt, saß über ihrem Tagebuch gebeugt an ihrem Schreibtisch und grübelte vor sich hin.

„Aliénor", flötete ich, während ich an ihrer Tür klopfte. „Ich bin es. Hoffentlich bist du nicht mehr länger sauer auf mich... ich habe dir auch die Zimtschnecken mitgebracht, die du so gerne magst. Die kannst du gerne essen, während ich dir die Haare frisiere."

Verwundert stellte ich fest, dass sich nichts aus dem Inneren ihres Gemaches regte. Kopfschüttelnd hielt ich das kleine Silbertablett in einer Hand, während ich mit der anderen den Schlüssel im Schloss herumdrehte.

„Warum antwortest du denn–?" Ich brach ab, als ich feststellte, dass ihr kleiner Salon sowie auch ihr Schlafgemach keine Spur von ihr aufwies. Ein letzter Blick in ihr Bad festigte meine Vermutung, die ich schon gehabt hatte, als sie mir keine Antwort mitgeteilt hatte.

Erschöpft stellte ich das Tablett auf ihrem Nachttisch ab. Dass dieses Kind auch nichts anderes tut, als die Regeln zu brechen..., dachte ich mir und hob mein Kleid leicht an, um zum Balkon zu schreiten. Hatte sie vielleicht diesen Weg eingeschlagen? Wer kam denn bitte auf so einen hirnrissigen Gedanken?

Seufzend rieb ich mir die Schläfe. Warum war sie so erpicht darauf gewesen, zu fliehen? Gut, sie war störrisch und liebte die Aufmerksamkeit und das zu tun, was sie für richtig hielt, aber warum in aller Welt brannte sie so drauf, diesen Comte, wie dieser Kerl sich schimpfte, zu treffen?

Angestrengt nachdenkend fuhr ich mit den Fingerkuppen über die seidenen Gardinen des Gemaches, die wie der Rest des Zimmers in einem leichten Rosaton mit goldfarbenen Einzelheiten gehalten war.

„Wer ist dieser Mann?", stellte ich mir selbst die Frage in den Raum, als mir plötzlich ein Gedanke kam, der mich augenblicklich zu ihrem Schreibtisch herumfahren ließ. Aliénor drückte sich bekanntlich gerne vor Empfängen und ähnlichen Treffen mit höhergestellten Personen, da war es nicht ungewöhnlich, dass sie heute – an dem Tag, an dem Kaiser, mein zukünftiger Ehegatte eintreffen würde – sich von allen fern hielt.

Aber nun verhielt sie nicht nur peinlich, indem sie durch ihre Abwesenheit erklärte, dass sie ein ungezogenes Gör war, dass keinen Respekt hatte; sondern sie verband ihre Flucht damit die Person zu treffen, die ebenfalls erscheinen würde.

Die einzige Person, auf die meine jüngere Schwester sich freuen würde. Nämlich diesen Taugenichts von Rafael Álvarez.

Meine Eltern hatten über Jahre durchgehen lassen, dass sie Kontakt miteinander pflegten, schlimmer noch: Sich sogar vor allen Leuten berührten und heimlich küssten. Dabei war er wahrscheinlich nur irgendeiner bäuerlichen Abstammung und ungebildet bis zum geht nicht mehr.

Sauer, dass sie sich sträubte, auf mich zu hören und dass sie meinen Plan, Kaiserin zu werden, in Gefahr brachte, überlegte ich scharf, wie ich meine Eltern davon überzeugen könnte, dass sie definitiv nicht noch einmal treffen dürften. Ich zog einen Mundwinkel in die Höhe, als mir zwei brilliante Ideen in den Sinn kam.
Zwar wussten sie bereits von Aliénors ersten heimlichen Treffen mit einem Unbekannten, doch das, was ich ihnen erzählen würde, würden sie definitiv nicht für gut empfinden.

PRINCESS OF ROSES  ᵗᵉⁱˡ ᵉⁱⁿˢWo Geschichten leben. Entdecke jetzt