Kapitel 33 - Kindheitserinnerungen

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Seine Augen funkelten amüsiert auf.

„Mein Name ist Fliel, der fünfte Sohn des Kirdef, unbezwungener Meister der fünf Degen.“

Annell zog scharf die Luft ein. Wenn das wahr war, standen sie gerade tatsächlich vor einem der granitischen Prinzen. Sie dachte allerdings gar nicht daran, Ehrfurcht zu zeigen. Stattdessen antwortete sie mit gleichem Hochmut:

„Annell, Tochter eines Mythos, Schülerin der Sterne und der Wahrheit.“

Den letzten und wichtigsten Titel von allen verschwieg sie. Es würde gefährlich für sie werden, wenn jemand erführe, wer sie wirklich war. Sie hatte nicht vor, es irgendjemandem zu verraten. Doch auch so klang ihr Name ausreichend eindrucksvoll, fand sie.

Namen waren in dieser Zeit sehr wichtig. Die Titel verrieten einen Großteil des eigenen Lebens und konnten es bei Bedarf in dem richtigen Licht erscheinen lassen. Annell war sich sicher, dass Fliel nicht viel mit den genannten Titeln anfangen konnte. Von Ehrungen dieser Art hatte er vermutlich nie gehört. Sie gehörten in ein anderes Land und in eine andere Zeit. Es waren Namen der Seher, die es offiziell nicht einmal mehr gab.

Fliel zeigte sich unbeeindruckt und wandte sich an Aaron, welcher daraufhin seinen Namen vortrug. Er hatte viel mehr Mut in der Stimme, als Annell es ihm zugetraut hätte.

„Aaron, Sohn des Granul, Sucher und Finder, Jäger der Schatten.“

Annell betrachtete ihn verstohlen aus den Augenwinkeln. Sie hatte seinen vollen Namen noch nie gehört und war zugegebenermaßen ein wenig überrascht. Wer hätte gedacht, was für Titel er sich bereits verdient hatte…

Fliel lächelte schmallippig. Wieder konnte Annell den leichten Akzent in seiner Stimme wahrnehmen.

„Annell und Aaron. Willkommen in Granata. Ich fürchte, es wird kein besonders angenehmer Aufenthalt für euch werden.“

 * * * * * * * * * * * * * * * *

Die Sonne stand hoch am Himmel und ließ ihr gleißendes Licht sanft auf die Bewohner der Erde hinab sinken. Sie erwärmte die Luft und ließ die Pflanzen und Tiere die Köpfe hervorstrecken. Alle genossen das Licht und die Wärme, die sie spendete. Sie beleuchtete auch den schmalen Feldweg, bis hin zum dichten Wald.

Lena konnte ihre gute Laune kaum zurück halten. Sie war den gesamten Weg über nur am Grinsen gewesen. Ihre eine Hand spielte im Vorrübergehen mit den Spitzen der Grashalme, die andere hielt einen schweren Korb fest. Er schaukelte mit jedem Schritt hin und her.

Julian ging neben ihr, ebenfalls in bester Laune. Seine braunen Augen blitzten voller Vorfreude in der Sonne. Er trug eine Tasche und eine zusammengerollte Decke bei sich.

Lena freute sich total auf das Picknick. Sie hatten alles dabei und waren auf dem Weg zu ihrem alten Baumhaus. Sie hatte es schon so lange nicht mehr gesehen. Ob es überhaupt noch da war? Sah es noch so aus wie früher oder war es im Laufe der Zeit in sich zusammen gefallen? Erinnerungen an vergangene Kindheitstage stiegen in ihr auf und schafften ein heimeliges Gefühl in ihrer Brust.

Obwohl sie nur wenige Minuten für den Weg brauchten, kam es Lena wie Stunden vor, bis sie endlich am Waldrand ankamen. Die dichten Bäume empfingen sie mit ihren erfrischend grünen Blättern und einem milden, erdigen Duft. Lena sog ihn gierig ein und seufzte zufrieden.

Die Geschwister nahmen den Weg, den sie früher als Kinder immer gegangen waren: Sie verließen den angelegten Pfad und stapften durch das wuchernde Unterholz. Dadurch kamen sie nur langsam voran.

Lenas Ärmel verfingen sich häufig im Gestrüpp. Als sie den Stoff zum fünften Mal einer hartnäckigen Dornenranke entreißen musste, stöhnte sie genervt auf.

„Früher war das viel einfacher!“

„Stimmt“, lachte Julian. Er zog an einem Ast, der sich in seinen Haaren verfangen hatte. In letzter Zeit trug er sie ein wenig länger, wie ihr plötzlich auffiel. Die gelockten Spitzen kringelten sich verspielt um seine Ohren.

Lena holte schnell auf und lief neben ihm her. Obwohl sie viele Jahre nicht mehr hier gewesen war, kam ihr der Ort ebenso vertraut vor wie ihr eigenes Zimmer. Sie hatte das Gefühl, jeden Baum und jeden Ast zu kennen, obwohl alles ein wenig verwilderter war als früher.

Von ihrer Vorfreude gepackt, lief sie an ihrem Bruder vorbei, tiefer in den Wald hinein. Sie konnte es kaum erwarten, wieder zu ihrem eigenen kleinen Ort zu gelangen. Nicht zu glauben, dass sie ihn in all den Jahren nie vermisst hatte.

In diesem Moment sehnte sie sich mehr denn je danach.

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Das wars auch schon wieder :) Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen :D Ihr könnt jetzt gerne eure Kommentare unter diesem Kapitel hinterlassen :)

Kurzer Zwischenstand: Die Story befindet sich bei über 2100 Lesern :D <3 ...ich hab eigentlich keine Ahnung, ob euch das überhaupt interessiert xD

LG Zara <3

Das Tagebuch - Ein Traum aus TinteWhere stories live. Discover now