1| Ich werde mich ganz sicher nicht bedanken

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»Aviola!«, schreit es mir unerwartet ins Ohr. »Was zum..«, murmele ich erschrocken und falle vom Bett. Auf dem Boden angekommen, stöhne ich erstmal vor Schmerz auf. »Was zur Hölle stimmt nicht mit dir?«, frage ich genervt und stehe vom Boden auf, nur um meinen Bruder Dorian zu sehen, der mit verschränkten Armen vor meinem Bett steht und mich anschaut. Sein teuflisches Grinsen auf dem Gesicht macht die ganze Situation nicht besser. Satansbraten. 

»Mama hat gesagt du sollst einkaufen gehen.« Desinteressiert spielt er mit seinen Fingernägeln und wippt mit den Füßen auf und ab. »Deswegen hast du mich aus dem Schlaf gerissen, du Zwerg?« Ungläubig schüttel ich den Kopf. War das sein verdammter ernst?

»Wie alt bist du? Fünfzig? Diese paar Stunden Schlaf sollten dir doch genügen«, rollt er mit den Augen. »Diese eine Stunde hätte ich vielleicht noch gebraucht, Dorian!« Er macht eine wegwerfende Handbewegung und murmelt etwas vor sich hin, ehe er sich umdreht und mein Zimmer verlässt.

Schmunzelnd greife ich nach der schwarzen Jogginghose unter meinem Bett, die da vermutlich schon seit ein paar Tagen rumliegt. Ich bin nicht wirklich ordentlich, aber solange niemand in mein Zimmer zieht und es auch keiner zu Gesicht bekommt, ist mir das völlig Rille. Fertig angezogen laufe ich die Treppen nach unten und betrete die Küche, wo meine Mutter und Dorian schon am Frühstückstisch sitzen. »Schätzchen, du musst einkaufen gehen«, sagt meine Mutter und stellt die Teller mit den gebratenen Eiern und Bacon auf den Tisch ab. »Ja, die Message ist bei mir angekommen.« Verstohlen sehe ich meinen Bruder an, der so tut, als würde er mich nicht sehen und unbekümmert seine Eier weiter isst. Was für ein Idiot. Meine Mutter reicht mir einen kleinen Einkaufszettel in die Hand, den ich schnell überfliege und zerknüllt in meine Hosentasche stecke. 

Nachdem ich aufgegessen habe, stehe ich mühsam vom Stuhl auf und fasse mir an den Bauch, der jetzt so aussieht, als wäre ich im vierten Monat schwanger. Das Blähbauch Phänomen ist echt zum Kotzen. Ich greife im Hausflur nach meinen verdreckten Sneakern und ziehe sie mit dem Schuhlöffel an, öffne die Haustür und nehme noch meine Schlüssel aus der Schüssel, die auf der Kommode steht. »Bis später!«, rufe ich noch ins Haus rein, ehe ich die Tür schließe und mich auf dem Weg zum Supermarkt mache. Dabei stecke ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und lausche der herrlich dröhnenden Musik, die mich für einen kurzen Augenblick vergessen lässt, wo ich mich befinde.

• • •

»Das macht dann 50 Dollar bitte.« Ich überreiche der Frau hinter der Kasse das Geld und packe die Lebensmittel in eine Tüte. »Kassenzettel?«, sieht sie mich fragend an. »Nein Danke, können Sie als Andenken an mich behalten.« Sie schmunzelt leicht, legt den Kassenzettel beiseite und wünscht mir noch einen schönen Tag, ehe sie sich der nächsten Kundin zuwendet. Den rechten Kopfhörer stecke ich mir wieder ins Ohr und summe leise zum Lied mit, während ich die Tüte aus dem Laden trage und den Einkaufskorb auf den Stapel vor dem Ausgang zurücklege. Die Schiebetüren öffnen sich und ich kneife direkt die Augen zu, da mir die Sonne ins Gesicht strahlt. Die Wärme, die sie ausstrahlt ist zwar angenehm und schön, aber bei aller Liebe ich möchte nicht erblinden. Genervt halte ich mir die freie Hand waagerecht ausgestreckt auf die Stirn und mache mich auf dem Nachhauseweg. 

Kaum bin ich ein paar Schritte gelaufen, werde ich von einem kräftigen Arm gegen eine Hauswand gedrückt. Ich atme erschrocken auf und erkenne einen älteren Mann vor mir, der mit seiner linken Hand meine Schulter gegen die Wand drückt und die Rechte in seiner Jackentasche behält, als würde er etwas verstecken.  Der Mann vor mir starrt mich wütend an. »Gib mir deine Einkaufstasche und dein Geldbeutel, sonst wird's unschön!« Für einen Moment war es vollkommen leise, als ich nicht anders kann und loslache. So stark, dass mir einzelne Tränen aus den Augen fallen. Die Tränen wische ich mir von den Augen und schiebe seinen Arm von meiner Schulter, da die Stelle langsam echt angefangen hat zu drücken. »Puh, Sie sind aber ein Witzbold.« Er scheint ziemlich perplex von meiner Reaktion zu sein, weil er da mit weit geöffnetem Mund vor mir steht. Ich wünschte ich könnte mein Handy rausnehmen und den Gesichtsausdruck festhalten, er sieht nämlich ziemlich albern aus. 

Weird LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt