Geständnisse

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"Hi Leo! Was gibts?", sagte Emma locker, stand auf und umarmte mich, als hätte es die letzten 5 Wochen gar nicht gegeben.
Ich drückte sie von mir weg und sah sie ernst an: "Du weißt warum ich hier bin oder?"
Ihr Blick verfinsterte sich. Zornig und gleichzeitig beleidigt schnauzte sie mich an: "Nein weiß ich nicht. Was willst du denn?" "Was ist vor 5 Wochen wirklich in Annas Zimmer passiert?", ich atmete tief ein und wieder aus. Einmal. Zweimal. Und wartete auf ihre Antwort, in der Hoffnung, sie würde mir wirklich die Wahrheit sagen.
Augenrollend drehte sie sich um, um wieder auf ihr Bett zu sitzen. Nein, so schnell würde ich nicht aufgeben. Ich packte sie an ihrem mageren Oberarm und zog sie wieder zurück. Mit der anderen Hand nahm ich ihr Gesicht und zwang sie, mich anzusehen. "Lass mich los Leo! Oder ich fang an zu schreien!", mein Griff wurde nur noch fester. Sie merkte, dass es mir egal war. "Das hab ich allen schon hundert mal erzählt. Sie ist durchgedreht und wie ich vermutet hatte, hat sie sich wirklich was angetan. Sie konnte einfach nicht akzeptieren, dass du mich gewählt hast und nicht sie", bitterböse funkelten ihre Augen mich an.
Mein Griff wurde noch etwas fester. Ich konnte ihre dummen Lügen nicht mehr hören.

"Leo du tust mir weh!" "Dann sag doch einfach was wirklich passiert ist! Hast du denn gar kein schlechtes Gewissen?! Anna sitzt seit fast 6 Wochen in der Psychiatrie und hat nichts gemacht!"
"Na und? Das hat sie verdient! Sie hat mir dich und Jonas weggenommen! Den ganzen Club hat sie mir weggenommen! Nicht mehr lange und ich hätte niemanden mehr gehabt! Diese Schnepfe ist in allem besser und schöner als ich! Ich hab ihr das nur gesagt und sie hatte einfach keinen Respekt vor mir! Ich hab sie doch nur ein bisschen geschubst, woher sollte ich wissen, dass sie sich dabei so weh tut?!", sie schrie mich richtig an.

"Emma stimmt das wirklich?", erschocken ließ ich Emma los und wir schauten beide zur Türe, um zu sehen, wem die Stimme gehörte. Dort stand Frau Dr. Eninger, die Stationsärztin. Sie musste unser Geschrei gehört haben.
Emma wurde tiefrot und stotterte: "Leo hat mir wehgetan! Ich hab ihm gesagt, er soll mich los lassen, aber das hat er nicht gemacht. Ich hoffe er bekommt seine Strafe. Ich muss jetzt auch gleich mal los zum Wiegen." Sie versuchte sich zwischen der Tür und der Ärztin durchzuquetschen.
Dieses mal war es Frau Dr. Eninger, die sie an ihrem dünnen Ärmchen fest hielt: "Nein nein meine Liebe. Wir wissen beide, dass dein Termin erst später ist. Schließlich ist er bei mir. Also sag schon, was hast du wirklich mit der ganzen Sache zu tun? Hast du Anna in den Spiegel geschubst?" Ihr Blick war so durchdringend, dass ich dachte, sie könnte Emmas Gedanken hören.
Auch Emma war dieser Blick wohl zu viel, denn sie brach plötzlich zusammen und fing an schrecklich zu weinen.

...

Emma erzählte unter Tränen alles, was an diesem Tag in Annas Zimmer wirklich passiert war. Sie gab zu, sie gedemütigt und geschuckt zu haben. Sie erzählte alles bis ins kleinste Detail. 

Irgendwie tat sie mir aber auch Leid. Aber sie hatte es verdient. Sie war wohl schon eine Weile mit Anna auf Kriegsfuß gewesen, aber es war nie schlimmeres passiert. Bis zu jenem Tag.

Nachdem einige Ärzte Emma so weit wieder aufgepeppelt hatten, dass sie selber wieder laufen konnte, brachten sie sie fort. Wir löchterten Diez, wohin sie sie wohl gebracht hatten. Es gab deswegen sogar ein Club Treffen. Dort erzählte uns Frau Eninger alles. Schließlich waren wir Annas und Emmas beste Freunde gewesen. Wir sprachen uns auch mit Toni aus, der einsah, dass er sich von Emma hatte blenden lassen. Böse waren wir ihm nicht, er war ja unser Freund. Und außerdem von uns allen am leichtesten zu beeinflussen.

...

Ein Tag später lief ich, aus Gewohnheit, an Annas Zimmer vorbei, einfach nur um zu schauen, ob sie wieder da war. Und dieses Mal, sah ich tatsächlich jemanden im Zimmer umher laufen.
Mein Herz schlug höher und ich klopfte.


- Anna

Ich hatte gerade wieder meine Psycho Tabletten eingenommen, die mich wirklich irgendwie benebelten, als ein Arzt das Zimmer betrat; zusammen mit der Stationsärztin der Kinderstation, meinem Psychologen und Diez.
>Was ist denn jetzt schon wieder?< Ich verdrehte die Augen.
"Anna, wir müssen uns bei dir entschuldigen", fing der Arzt an: "Durch Zufall haben wir von Emma mitbekommen, dass sie in die Spiegelsache verwickelt war und dass es wirklich kein Selbstmordversuch deinerseits war. Es tut uns wirklich Leid, dass wir dir nicht geglaubt haben." Betreten schaute er zu Boden. Der Psychologe wollte wohl nichts mehr hinzu fügen und nickte nur. Dann kam Frau Dr. Eninger auf mich zu und nahm entschuldigend meine Hand, die ich ihr aber gleich wieder entzog: "Anna... Ich weiß nicht, wie ich mich bei dir entschuldigen soll oder wie ich die Geschehnisse je wieder gut machen soll. Es tut mir so furchtbar Leid, dass wir dir nicht geglaubt haben. Wir sind hier, um dich wieder abzuholen. Du darfst wieder auf die normale Kinder-Krebs-Station. Was sagst du dazu?" Sie setzte ein entschuldigend freundliches Lächeln auf und wartete auf meine Reaktion.

"Wow. Danke.", ich wusste ich hätte mich freuen sollen, aber das konnte ich nicht. Viel zu lange war ich schon hier gewesen und hatte mir jeden Tag anhören können, dass ich aufhören sollte zu lügen und endlich einsehen, dass ich eine Gefahr für mich selber war, "können wir dann jetzt gehen? Ich hab wirklich keine Lust, hier noch mehr Zeit als nötig zu verbringen."

Darauf hin kam Diez zu mir, half mir auf den Rollstuhl und schob mich weg von diesem hässlichen Loch, das sich Psychiatrie nannte.
"Wie habt ihr herausgefunden, dass es Emma war?", fragte ich Diez, als wir im Aufzug waren. Wir waren jetzt allein. "Leo war das. Er hat von Anfang an gewusst, dass es Emma war. Er hat sie zur Rede gestellt. Als die Situation eskaliert ist, sind ein paar Ärzte zu ihrem Zimmer gelaufen und haben das ganze Gespräch, und somit auch das Geständnis ihrerseits gehört.", ich hörte die Zufriedenheit in Diez'Stimme. Auch ich spürte, wie mich Zufriedenheit überkam, also bohrte ich weiter nach: "Und dann? Was ist jetzt mit ihr? Wo ist sie? Was hat sie für eine Strafe bekommen?"
"Sie hatte einen Nervenzusammenbruch und war bei einem Psychologen bei Gespräch. Und eigentlich darf ich dir das gar nicht erzählen", brach er ab. Allerdings holte er nur kurz Luft, lachte und sprach weiter: "Der meinte, sie sei wegen ihrer Essstörung sowieso schon sehr labil gewesen, dass sie dich jetzt als Konkurrenz gesehen hat, hat ihren Allgemeinen Zustand nur noch verschlechtert. Sie ist jetzt in Psychatrischer Behandlung und wird dort wohl auch nicht mehr so schnell rauskommen."

Der Aufzug ging auf. >Wow, Emma hat endlich das bekommen, was sie verdient hat.< Sie brauchte wirklich Hilfe, und ich hatte endlich meine Ruhe vor ihr.
Wir fuhren zu meinem alten Zimmer und ich freute mich tatsächlich darauf, wieder in meinem gewohnten Bett zu schlafen.

Ich freute mich auf den Club. Und auf Leo.



Veröffentlicht am 02. November 2017

Club der roten Bänder FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt