Club der roten Bänder FF

Wer ist Anna?

Leo:

"Was ist denn mit Dir los? Du schaust doch gar nicht richtig in den Fernseher rein oder? Dann kann ich doch auch umschalten und schauen was ich will oder? Leo? Hallo?!", Jonas warf ein zusammengeknülltes Papier an meinen Kopf weil ich nicht reagierte. 

"Oh sorry Jonas. Nein nein ich schaue noch. War nur abgelenkt.", antwortete ich ihm, noch immer in Gedanken versunken. "An was denkst du denn? Schon wieder an Emma..?", fragte Jonas vorsichtig. Emma war für uns irgendwie ein Tabu Thema. Wir beide waren so lange beste Freunde, bis das Thema Emma aufkam. Wir waren beide in sie verknallt. Und zwar über beide Ohren. Und bis Jonas zu uns ins Krankenhaus gekommen ist, hatte ich auch immer das Gefühl, dass sie mich genau so mag wie ich sie. Zuerst konnte sie sich nicht entscheiden, aber mittlerweile hat sie nur noch Augen für Jonas. Es tut so weh die beiden zusammen zu sehen. Es ist so komisch wenn sie sich so anschauen, wie wir uns früher immer angeschaut haben.

"Äh.. Ja genau, an Emma. Ich kann immer noch nicht verstehen, was sie an dir findet. Wirklich.", lenkte ich ein, um keinen Verdacht zu schöpfen. Ich meine, ich kann mich ja nicht in jemanden verlieben, obwohl ich sie nicht kenne. Ich habe sie ja noch nicht einmal richtig gesehen."

"Oh man Leo", Jonas lachte. Er hatte verstanden, dass es nur ein Scherz gewesen war. Ich wollte ihn auf keinen Fall beleidigen. Er war immerhin mein bester Freund. Er war der normalste von allen. "Weißt du, ich bin schlau, nett und außerdem seh ich umwerfend aus mit meiner Glatze", fuhr er fort. SIE sah auch umwerfend aus. "Jaja Jonas. Schon klar, du bist Mister Dreamboy!", ich musste laut los prusten als ich das aussprach, "Aber weißt du was, ich geh mir mal noch kurz ein bisschen die Reifen verfahren." Wortspiel ha, die Beine vertreten konnte ich ja nicht mehr. Ich muss Mister Lustig sein.

Ich hiefte mich also in meinen Rollstuhl rein und fuhr etwas im Jugendstock herum. Ganz zufällig, wirklich, führte mich mein Weg an IHREM Zimmer vorbei. Dort blieb ich stehen, und versuchte durch die klaren Glasstreifen der Anti-Privatsphären-Wand hindurch etwas zu sehen zu bekommen. SIE zu erkennen. Sie hatte dunkle Haare; ganz glatt. Ihre Haut war sehr hell, ihr Gesicht eingefallen. Eigentlich sah sie überhaupt gar nicht gut aus, wenn ihr versteht was ich meine. Es musste ihr wirklich sehr schlecht gehen.

Plötzlich drehte sie sich um, leider nun mit dem Rücken in meine Richtung. Süßer Schlafanzug.

"Hey Leo, was machst du um die Uhrzeit noch wach? Morgen ist Schule. Ab ins Bett!", Dietz kam mit schnellem Schritt an mich heran getreten. "Oh Dietz, hallo. Ich.. ich wollte.. Ach nichts. Ich wollte grade ins Bett gehen", redete ich mich heraus. "Glotzt du hier in ein Zimmer rein? Du Spanner! Mensch Leo, hätte von Dir nicht gedacht, dass Du mal ein Spanner wirst. Ich dachte immer ich hätte dich gut erzogen", spaßte er, als er bei mir angekommen war, "Ist ne Hübsche wa?". "Wer ist sie?", fragte ich neugierig. "Sie heißt Anna. Darmkrebs mit 17. Mal schauen wie es mit ihr weitergeht. Sieht ziemlich schlecht aus für sie", Dietz klang niedergeschlagen. Er war immer traurig wenn es Kinder und Jugendliche nicht schafften. Das passierte hier leider ziemlich oft. Nach kurzem Zusammensetzten der Puzzleteile antwortete ich ihm: "Kann man da nicht einfach einen Teil ihres Darm entnehmen? So wie bei mir uns Jonas das Bein?" "So leicht ist das leider nicht. Ich meine, am Anfang würde das sicherlich gehen. Aber bis man entsprechende Symptome hat, ist es meistens schon zu spät und der Krebs hat gestreut. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, oder es passiert ein Wunder. Aber genug geschwatzt, jetzt geht's ins Bett. Du siehst sie ja morgen in der Schule", Dietz schob mich von Annas Zimmer weg.

Ich wendete und fuhr wieder zurück ins Zimmer. Morgen werde ich sie ansprechen.

Aufgeregt auf den nächsten Tag schlief ich ein. Manno man, das letzte mal aufgeregt in die Schule zu gehen war ich das letzte mal vor meinem ersten Schultag.

Veröffentlicht am: 25. August 2016