Kapitel 33-Zwischenwelt

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Scarletts Sicht: Ich sah kein weißes Licht oder einen Tunnel oder eine Hand, nach der ich greifen könnte. Ich sah mich nicht selbst von oben oder hatte ein Erlebnis, meinen Körper zu verlassen. Mein Leben zog nicht an mir vorbei.
Nein, ich sah nur die Dunkelheit.
Und dann sah ich eine Frau mit langen rotblonden Haaren, die im Sonnenlicht stand.
Ich konnte sie nur schemenhaft erkennen, aber irgendwie wusste ich trotzdem, dass es meine Mutter war.
"Mum?", flüsterte ich und versuchte, auf sie zuzugehen.
"Scarlett, meine kleine Prinzessin, du bist aber groß geworden! Komm, setz dich doch!", sie deutete auf ein geblümtes Sofa, dass ein Produkt meines Unterbewusstseins sein musste, da es bei uns zuhause nie gestanden hatte.
Ich fragte mich, ob das so ähnlich war wie die Hand, nach der man nicht greifen sollte, in Erzählungen von anderen Menschen, die fast gestorben wären, und ob ich sterben würde, wenn ich mich setzen würde.
Durchs Fenster, welches irgendwie unser Wohnzimmerfenster war, aber irgendwie auch nicht, fiel fahles, aber gleichzeitig leuchtendes Licht herein, aber nicht das Sonnenlicht von gerade. Das hier war Mondlicht.
"Ich hab dir einen Tee gemacht.", Mum reichte mir eine Tasse, als sei alles was hier passierte völlig normal.
Fühlten sich Träume so an? Fühlte sich der Tod so an?
Völlig überfordert trank ich einen Schluck von dem Tee, es war Earl Grey oder war es doch Pfefferminz?
Kaum eine Sekunde später schmeckte er nach Kamillentee, den hatte Mum mir früher öfters gemacht.
"Wie geht es dir, Prinzesschen?", fragte meine Mutter, die, wie ich jetzt feststellte, noch genauso aussah wie als ich vier Jahre alt gewesen war. Das machte natürlich Sinn, schließlich war sie danach nicht mehr älter geworden.
Würde ich für immer so aussehen wie jetzt?
"Könnte besser sein", lachte ich als Antwort.
"Ich sterbe, oder?"
"Nein, du schläfst nur.", ihre Stimme war beruhigend und warm, und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen war das Sofa auf einmal weg, genauso wie die Teetasse in meiner Hand und Mum konnte ich auch nicht mehr sehen.
Stattdessen war da jetzt das Meer.
Für einen Moment dachte ich, ich würde über dem Meer schweben, bis mir auffiel, dass ich in Wirklichkeit auf einer Klippe stand.
Hinter mir lachte jemand.
"Das wird ein richtiges Abenteuer, Scar!"
V. Nur, dass das hier ihr zehnjähriges Ich war.
Und neben ihr trat nun auch mein gleichaltriges Ebenbild in Erscheinung, die aufgeregt kicherte und sich mit ihrer olivgrünen Umhängetasche sehr offiziell vorkam.
"Ich hätte sie gerne aufwachsen sehen."
Die plötzliche Stimme neben mir ließ mich zusammenzucken.
Eine hübsche Frau mit welligem, kastanienbraunen Haar und einem eleganten Mantel stand auf der Wiese neben mir.
"Johanna?", flüsterte ich ihren Namen.
Ich war Vs Mutter nicht oft begegnet, aber sie war immer sehr nett zu mir gewesen und hatte uns leckeren, selbstgebackenen Kuchen angeboten. Einmal hatte sie auch gesungen und uns dazu etwas auf dem Klavier vorgespielt.
Und dann war sie nicht mehr da gewesen und ich war nicht mehr bei V gewesen sondern V nur noch bei mir zuhause.
"Ich weiß.", war alles was ich herausbrachte.
"Ist das hier das Leben nach dem Tod?", stellte ich endlich die Frage, die ich die ganze Zeit gehabt hatte.
Vs Mutter lachte. "Das Leben nach dem Tod? Oh nein, Scarlett, was denkst du dir aus? Deine Zeit ist noch lange nicht gekommen!"
Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, überkam mich auf einmal eine Welle von Terror: ich war ausgerutscht, oder vielleicht war auch ein Stück der Klippe abgebrochen, ich wusste nur, dass ich fiel, und dass es nicht aufzuhören schien.
Es wurde wieder dunkel, und an Stelle von gesamten Szenen hörte ich nur noch unzusammenhängende Wortfetzen, als würde ich Gesprächen zuhören, die in einem anderen Raum stattfanden.
"Das hier ist alles was du kriegst"auf die Frage, ob nach dem Tod noch etwas kam.
"Das Leben ist nicht fair, aber der Tod noch weniger."
"Es ist Zeit zu gehen."
"She's not all dead, just mostly dead."ndloses Kaninchenloch ohne Ziel gefallen, und müsste den Rest der Ewigkeit so verbringen.
Immer tiefer, immer weiter durch die Dunkelheit.
"Man stirbt nicht an einem Fall. Man stirbt an der Landung."

Wird Scarlett sterben? Ist dass das Ende? Wie fandet ihr das Kapitel?

Bis sie stirbt Where stories live. Discover now