Kapitel 25- You and me

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V's Sicht: Tanners Straße befand sich 15 Minuten zu Fuß entfernt.
Es war bereits dunkel geworden,als ich mich dem Weg zu 1st Street machte.
Die Straße in den sich sein Haus befinden sollte, lag direkt vorm Meer.
Hier hatte man das Gefühl,dass für immer Sommer war und niemals die Kälte kam.
Selbst in der Nacht schien es noch warm genug zu sein.
Weil es jedoch keine 20 grad mehr waren entschied ich mich dazu meinen dunkel blauen Polopulli überzuziehen.

Die Straßen waren nur leicht beleuchtetet in jeder 2. Straße an der ich vorbeikam schienen die Laternen ausgefallen zu sein.
Als ich endlich die 1st Street fand, wurde mir erst klar, dass ich gar nicht wusste,in welchem Haus er wohnte.

Warum wollte ich nochmal unbedingt hier mit Tanner reden?
Hätte ich nicht warten können,bis er zurück nach Yale kam?
Wirkte es nicht viel zu aufdringlich direkt vor seiner Tür zu stehen und jetzt in diese Zeit? Jetzt wo seine Schwester gestorben war?

Ich stand einfach nur da, mitten auf der unbefahrenen Straße, ich konnte den Wind in meinen Nacken Spüren,wie er einzelne Strähnen aus meinen Pferdeschwanz befreite und irgendwo in der Ferne bildeten ich mir ein den gescheiterten Tanz der Wellen hören zu können.
Ich atmete,spürte wie sich meine Hände sich zu Fäusten ballten ,wie ich mich in einer fremden Stadt wieder fand.
Wie ich meine beste Freundin zum lügen angestiftet hatte, wie ich mein Studium aufs Spiel setze und alles nur für ihn.

Scars Sicht: Es war kalt an der Bahnhaltestelle, als wir auf den Zug zurück nach New Heaven warteten, und ein Starbucks oder ähnliches gab es auch nicht.
Nur eine kalte Bank und einen Typen im mittleren Alter, der entweder Selbstgespräche führte oder mit modernster Technik auf irgendeinem für mich nicht sichtbaren Wege telefonierte.

"Also im März kommt der nächste gute Film ins Kino, ja?", fragte Alec nach.
Ich nickte. "Obwohl wir natürlich im Voraus nicht wissen können, ob er gut ist, auch wenn vieles dafür spricht."
"Das werden wir dann schon rausfinden. Ich bevorzuge übrigens gesüßtes Popcorn."
Ich lächelte. Das schien Alecs Art zu sein, mir zu sagen, dass er im März noch hier sein würde.
Einen Moment lang standen wir schweigend nebeneinander am Gleis.
"Sind deine Hände kalt?"
Alec hatte anscheinend bemerkt, wie ich sie in den Ärmeln meines Pullis vergrub, weil ich nicht dran gedacht hatte, meinen Mantel mitzunehmen (heute morgen war es so sonnig gewesen und da hatte ich gedacht, eine Lederjacke würde reichen - nicht so schlau.)
"Geht", wich ich aus, aber da hatte er sie schon in in seine gelegt.
Er hatte warme Hände (aber nicht schwitzige), mit langen Fingern, länger noch als meine, und natürlich um einiges größer, mit kurzen, ordentlichen Fingernägeln. Sie hatten den selben blassen Weißton wie sein Gesicht, aber waren ein wenig rosa wegen den Temperaturen.
Seine Hände waren angenehm.

Eine Durchsage unterbrach meine Gedanken, und das nur mit den vernachlässigenswerten Worten "Der Zug, der jetzt kommt wird nicht hier anhalten. Bitte bleiben Sie hinter der gelben Linie."
Ich blickte zur Anzeigetafel.
Noch 10 Minuten bis unser Zug kam.
"Wollen wir uns auf die Bank setzen?", schlug ich vor, da ich nicht mehr stehen wollte, also machte meine schwarze Jeans stattdessen Bekanntschaft mit der kalten Holz Oberfläche.
Alec setzte sich direkt neben mich und nahm wieder meine Hand, diesmal nur die rechte.
Die Geste fühlte sich selbstverständlich an, als seien wir bereits zusammen, aber konnte man das schon so nennen? Und wollte ich mit Alec zusammen sein?
Ich wusste immer noch nicht besonders viel über ihn...

Auf einmal begann es zu schneien, kleine weiße Flöckchen, überall um uns herum.
"Es schneit!", bemerkte ich erfreut und beobachtete die rasch größer werdenden weißen Partikel.
"Schnee ist eigentlich nicht weiß, weißt du? Er ist durchsichtig, aber wirkt weiß, weil er keine Wellenlängen von Licht absorbiert, sondern sie alle reflektiert werden."
Ich stand auf und streckte meine Hand aus, auf der sofort ein paar Schneeflocken landeten. "Und es ist ein Mythos, dass keine zwei Schneeflocken die selben sind", redete ich weiter, "1988 haben Wissenschaftler zwei identische Schneeflocken in Wisconsin gefunden. Also keine Special Snowflakes..."
Alec war ebenfalls aufgestanden und legte mir lächelnd eine Hand auf den Rücken.
"Und in den USA schneien jeden Winter eine Septillion Eiskristalle vom Himmel! Das ist eine Eins mit 24 Nullen!"
Ich sah Alec an. "Warum lachst du?"
"Nichts, es ist nur... du bist so aufgeregt und enthusiastisch. Das ist süß irgendwie."
Er legte die Arme um mich, und interessanterweise hatte ich damit kein Problem.
"Eine Septillion, ja? Also in England schneit es so gut wie nie... Manchmal frag ich mich, was ich da überhaupt noch soll.", er sah mich lächelnd an, "denn hier gefällt es mir langsam besser als drüben. Um einiges besser."
Und dann küsste er mich, und es schneite weiter, wie in einem von diesen kitschigen, schönen Weihnachtsfilmen, und ich hätte nicht sagen können, ob Sekunden oder Stunden vergangen waren, bis unser Zug nach New Heaven kam.

Bis sie stirbt Where stories live. Discover now