19 - Noch mehr Geheimnisse und Enthüllungen

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Als wir das Zimmer, das ich für mich schon Atelier getauft hatte, wieder betraten sah noch alles aus wie vorher, keine Spur von Leichen mit Messbändern um den Hals. Ich ahnte nichts Schlimmes, bis ein Mädchen zu mir gestöckelt kam und kritisch meine Skizzen beäugte. Als sie leise anfing, überheblich zu lachen, hätte ich sie am liebsten mit einer Schere abgeworfen, denn ich kannte dieses Lachen. Beim Mittagessen hatte sie bei Liz gesessen.

„Was für eine Verschwendung von meinem Talent", murmelte sie abfällig, „meine Kleider waren für Models gemacht, nicht für so einer wie dich."

Demnach musste sie Gisele sein. Natürlich konnte ich keine Kleider von einem netten Mädchen bekommen, das wäre ja auch viel zu normal und einfach für mich gewesen. Nein, ich musste ja immer die Extraportion Drama und Probleme bekommen.

„Was willst du damit sagen?", wollte ich herausfordernd wissen.

Doch sie reckte nur ihr Kinn vor und entgegnete von oben herab: „Ich denke nicht, dass ich das wirklich aussprechen muss, ich werde weiter arbeiten, viel Erfolg beim...Designen."

Ich biss die Zähne zusammen, um nicht laut loszuschreien. Was hatten eigentlich alle für ein Problem mit mir? Sobald man eine Zicke für ein paar Stunden loswurde, tauchte auch schon die nächste auf. Ich bemerkte ein Mädchen, das vom anderen Ende des Tisches etwas schüchtern zu mir herüberblickte und mit ihrem Mund Wörter formte. Lippenlesen gehörte wirklich nicht zu meinen Stärken, aber mit einiger Mühe verstand ich, was sie mir mitteilen wollte: So ist sie immer.

Ich lächelte leicht und sie zwinkerte, als sie sah, dass ihre Botschaft angekommen war. Zum Glück waren nicht alle angehenden Modedesignerinnen so von sich selbst eingenommen wie Gisele. Dabei waren ihre Kleider so schön. Sie hatte Recht, ihr Talent war wirklich verschwendet, nämlich an ihrer Person. Doch solche Sprüche fielen mir immer erst im Nachhinein ein, ich sollte mir wohl eine Liste mit allen möglichen Situationen und Leuten machen, damit ich im Falle des Falles nicht nur dumm da stand. Abgesehen davon gab es sonst keine bösen Überraschungen. Die darauffolgenden Stunden vergingen wie im Flug, ich erfuhr, dass es länger dauerte, die Skizzen und Entwürfe zu zeichnen, als das eigentliche Kleidungsstück zu produzieren, was sowieso nicht hier geschah. Und nach dieser Zeit hielt ich ein Blatt in der Hand, worauf ein, nun ja, vielleicht noch nicht ganz fertiger Entwurf abgebildet war, aber wenigstens ein Ansatz von etwas Vielversprechendem, hoffte ich. Genauso schnell, wie die Sachen aufgebaut wurden, waren sie auch wieder abgebaut. Nachdem ich meine Skizze Madame de Fleuviez abgegeben hatte, die mir beifällig zulächelte, verließ ich das luftige Turmzimmer mit den feengleichen Ballkleidern.

Ich war gerade an der Treppe angekommen, als ich zwei laute Stimmen unten hörte, die sich stritten.

„Du wirst damit weitermachen, wage es ja nicht, aufzuhören, bevor du nicht mehr entdeckt hast."

„Es gibt nichts mehr zu entdecken, das reicht doch. Was willst du denn hören? Dass sie euch genauso ausrotten wollen wie ihr sie?"

Während mir die erste männliche Stimme fremd war, kam mir die zweite bekannt vor, ich wusste nur nicht mehr genau, wo ich sie schon einmal gehört hatte. Auch wenn ich am besten einen anderen Weg genommen hätte, blieb ich stehen und lauschte weiter.

„Euch?", höhnte der erste Redner, „gehörst du etwa nicht mehr zu uns?"

„Wir hatten das alles doch schon einmal", seufzte der zweite entnervt, während ich immer noch überlegte, wer er war, als der erste plötzlich erstarrte und scharf einatmete.

„Hier ist jemand, ich gehe jetzt und hoffe für dich, dass du nächstes Mal brauchbare Informationen hast."

Na toll, meine Neugier war wirklich lästig. Mir blieb nun nichts anderes mehr übrig, als weiter hinunter zu gehen und so tun, als hätte ich überhaupt nicht gelauscht oder so. Als sich der Junge vor mir herumdrehte, wusste ich, wem die Stimme gehörte.

My(stery) storyWhere stories live. Discover now