8 - Mädchengespräche und Geständnisse

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„Sorcha, was machst du denn hier?", fragte ich leicht erstaunt, aber heute konnte mich nichts mehr aus der Fassung bringen, zumindest nahm ich das an.

Doch sie verzog nur mitleidig das Gesicht. „Jungsprobleme? Ich habe gerade Alec gesehen, aber er wollte mir nichts verraten. Sorry, ich war ein bisschen neugierig. Deshalb bin ich zu dir gekommen, aber du warst noch nicht da."

Spitzbübisch grinsend zeigte sie auf ihre Haarnadeln.

„Sind ziemlich praktisch, weißt du?"

„Wie jeder normale Mensch hättest du auch die Türklinke benutzen können", entgegnete ich trocken, woraufhin sie noch breiter lächelte.

„Bin ich etwa ein Mensch? Ganz zu schweigen von normal (bemerkenswert wie wir dieselben Gedankengänge hatten). Außerdem wäre es längst nicht mehr so abenteuerlich gewesen."

Eigentlich hätte ich sauer sein müssen, schließlich war sie in mein Zimmer eingebrochen, aber ich war hauptsächlich glücklich und dankbar, dass ich endlich mit jemanden reden konnte, was ein nur weiteres Zeichen dafür war, wie sehr sich meine Welt auf den Kopf gestellt hatte. Während ich ihr also die ganze Geschichte erzählte - zwar kannte ich sie noch kürzer als Alec, aber ich hatte dringend ein Mädchengespräch nötig - wich das Grinsen aus ihrem Gesicht und machte einer anerkennenden Miene Platz.

Als ich geendet habe, pfiff sie durchdringend. "Wow, das war mal eine Geschichte. Du könntest mit ein bisschen Übung bestimmt mit den Dramaqueens der Burg mithalten. Nicht böse gemeint", fügte sie nach einem Blick auf mein Gesicht hinzu.

Erleichtert, dass ich alles losgeworden war, quatschten wir noch Stunden. Und siehe da: mit einer Person zu reden half doch immer - egal ob Mensch oder Vampir. Klar vermisste ich meine alten Freunde und so weh der Gedanke auch tat, dass sie mich eines Tages ganz vergessen würden, musste ich trotzdem nach vorne blicken. Sorcha schien wirklich nett zu sein, mit ihr konnte man gut reden und das Wichtigste: Sie war nicht so ein Girlie-Mädchen. Ihr wisst schon: „Oh mein Gott, mein Nagellack splittert, ihh, ein Staubkorn!" Tussen, wie sie auch allgemein genannt wurden.

Kurz vor sechs verabschiedete sich Sorcha und ich machte mich auf dem Weg zu unserem Treffpunkt. Dabei musste ich mich die ganze Zeit über selber ermahnen: Ganz ruhig Noëlle, es ist kein Date. Alles ist absolut unter Kontrolle, er mag dich noch nicht einmal. Mach dir keine Hoffnungen. Vor allem, wenn man bedachte, dass alles, was ich einmal für ihn empfunden hatte - Vergangenheit - nur Freundschaft und eines vieler Kleinmädchenschwärmereien gewesen war. Ich hatte gar nicht mehr an ihn gedacht und meine Gefühle waren auch wieder nach und nach einer, nun, vielleicht nicht Gleichgültigkeit, aber doch ziemlichen Desinteresse gewichen. Ich empfand nichts mehr für ihn, außer der gewohnten Verletztheit, nicht gebraucht zu werden, versuchte ich mir nach wie vor einzureden. Dass ich ihn wiedersah, als er einiges an Muskeln aufgebaut hatte und besser aussah als je zuvor, war nicht gerade förderlich für meine Gedanken. Wie auch immer.

Als ich ankam, war er schon da. Ganz kurz nur blitzte sein altes Grinsen auf, doch dann wurde er wieder finster und grüblerisch. Das verwirrte mich, denn ich kannte ihn und er war nie still. Mal war er fröhlich lachend und Witze reißend, mal beleidigte er andere Leute oder lachte sie aus, manchmal schlecht gelaunt und jeden an meckernd, aber nie grüblerisch und nachdenklich. Er war einfach ein Mensch voller Energie und Lebensfreude.

„Setz dich", sagte er und blickte auf den Platz neben sich. Nervös tat ich das und setzte mich auf meine Hände um nicht herum zu zappeln.

„Noëlle, ich...", Josh brach ab, sichtlich frustriert.

Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte, also schwieg ich und wartete.

Er knirschte kurz mit den Zähnen, dann: „Und? Wie gefällt es dir hier?"

My(stery) storyWhere stories live. Discover now