Kapitel 6

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Nach der Schule sah ich ernsthaft Adrien und Cloé händchenhaltend das Gebäude verlassen. Es stimmte, Adrien hatte mich nicht verarscht. Aber warum, warum? Wie hat sie es geschafft, von heut auf morgen mit ihm zusammenzukommen, während ich Monate dafür gebraucht habe, so weit zu kommen. Und doch, war ich nie mit ihm zusammen gewesen...

Die nächsten Tage waren schrecklich, zumindest nahm ich es so wahr. Denn fühlen konnte ich nichts. Gar nichts mehr.

Nachts saß ich alleine auf dem Dach und fühlte mich so allein. Wie konnte er das machen? Klar, er ist bei Meiser Fu sicher, aber, was war mit mir? Wir haben uns die letzten Tage immer gegenseitig bewacht, wenn der andere schlief. Was ist jetzt passiert? Heißt das, wenn er mit Cloé ging, dass wir nicht einmal mehr ein Team waren, wenn es um das Böse bekämpfen geht? Wirklich?

In den Pausen hat Cloe Adrien vor meinen Augen geküsst. Ich musste fast brechen. Adrien hatte Recht. Ich musste mich wohl oder übel damit abfinden. Auch wenn es nicht verständlich war, was für 'ne Show da grade in meinem Leben ablief.

Ich fragte mich immer wieder, wie ich mich so in ihm täuschen konnte. Wie? Macht ihn der Stress mit Hawk Moth fertig? Dass er jederzeit zuschlagen könnte? Aber er hat es lange nicht mehr getan, obwohl es gute Gelegenheiten dafür gegeben hätte. Die Anspannung hatte sich doch etwas gelegt. Oder kommt er immer noch nicht klar, dass Hawk Moth sein Vater ist, und er sozusagen beide Elternteile verloren hatte? Dass er nicht mehr weiß, was er will? Oder kommt es mir nur so vor? Ich verstehe ihn vollkommen, es ist nicht leicht, wenn man seine Mutter verloren hat. Ich weiß zwar nicht, wie das geschah, aber trotzdem. Und dann noch auf so eine grausame Weise seinen Vater zu verlieren. Aber dabei zu vergessen, wer seine wahren Freunde waren? Die ihm geholfen haben? Die ihn geliebt haben? Oder lag es komplett an mir? Habe ich etwas Falsches gemacht? Wenn ja, was? Ich seufzte. Das tat ich in letzter Zeit sehr häufig.

„Da stimmt doch was nicht", sagte Alya auf dem Pausenhof, als Adrien und Cloé weit hinten auf einer Bank saßen.

„Wetten, die Ziege hat ihn irgendwie gezwungen?"

„Wenn's halt so wäre", sagte ich hoffnungslos. „Aber wir sollten uns nichts vormachen."

„Nein, im Ernst. Da stimmt wirklich etwas nicht. Wieso sollte er, so kurz bevor ihr zusammen gekommen seid, zu Cloé hinüber watscheln? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn", sagte Alya aufgebracht.

Ts, mein Leben macht überhaupt keinen Sinn.

„Vielleicht hat sie ja was, was ich nicht habe", murmelte ich.

„Geld, Rachsüchtigkeit, Hochnäsigkeit, das Abbild einer Tussi?", sagte Alya und schaute mich verzweifelt an.

„Oh ja, Marinette, du hast echt wenig zu bieten."

Ich lächelte, aber nur kurz. Ich war so dankbar, dass ich Alya als Freundin hatte. Trotzdem finde ich, dass wir das Thema Cloé und Adrien zu oft angerissen haben. Zu oft, denn mental gesehen war ich nicht an der Spitze.

„Reden wir nicht mehr darüber", winkte ich ab.

Plötzlich packte mich Alya an den Schultern.

„Bist du blind oder was? Merkst du nicht, dass an der ganzen Sache was faul ist?! Er schaut dich immer mal wieder an. Nino meinte auch, dass er in letzter Zeit so verschlossen ist."

Ich schaute zur Seite. Ich will mir verdammt nochmal keine Hoffnungen mehr machen. Sonst werde ich sowieso am Ende nur enttäuscht. Das brauchte ich nicht. Aber Alya hatte schon Recht. Es war doch ziemlich plötzlich. Sollte man sich nicht erst mehr kennenlernen, bevor man zack, einfach zusammenkommt?

„Du hast Recht", sagte ich, noch immer schaute ich zur Seite auf den Boden. „Irgendwie."

Alya seufzte auf. „Na also, und das finden wir noch heraus, ja?"

Ich nickte, aber einfach nur, damit Alya mich in Ruhe ließ.

Ich schaute noch mal hinüber auf die Bank. Oh Gott, sie tun es schon wieder. Adrien zog Cloés Kopf zu sich und küsste sie. Mein Magen drehte sich grade um. Ich war kurz davor, zu kotzen. Nein, ich war nicht sauer, auch nicht traurig. Es war diese pure Enttäuschung, die sich in mir aufbauschte, sich so in einen Menschen getäuscht zu haben...

Der Druck steigt... - Teil 2Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz