Kapitel 5

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Ruckartig schaute ich zu Cloe, die mich spöttisch angrinste. Auch in der Klasse wurde es still, und keiner wusste, wie er darauf reagieren sollte.

Fassungslos starrte ich sie an. Warte, was hat sie gesagt? „Mein Freund Adrien"?!

Das kann doch grad echt nicht aus ihrem Mund gekommen sein, das ist jetzt ein Witz. Ich lachte etwas, trotzdem war ich unsicher. Wie sie das sagte ohne rot zu werden. Sie musste schon echt verrückt sein. Nach allem, was ich mit Adrien erlebt habe, ist das das unwahrscheinlichste und dümmste, was jetzt passieren konnte.

Ich schaute auf Adrien, der immer noch so dasaß, wie vorher. Offenbar ignorierte er Cloés Satz völlig. Genau das hätte ich auch tun sollen.

„Die Französische Revolution begann 1789 gegen die absolute Herrschaft von König Ludwig, den sechzehnten", sagte Adrien.

„Danke", seufzte Madame Bustier erleichtert, mit dem Unterton, dass sie erfreut war, dass wenigstens einer zugehört hatte.

„Was war denn das grade", fragte mich Alya geschockt.

„Cloé spinnt wahrscheinlich wieder rum", sagte ich kalt. Und noch auf sowas zu reagieren. Ich bereute es, dass sie mein fassungsloses Gesicht gesehen hatte, und es mit einem bösen Grinsen erwidert hatte. Sowas pushte ihr Ego nur noch mehr. In der Pause musste ich mal mit Adrien darüber reden.

Die weiteren Minuten der Doppelstunde versuchte ich aufmerksam zu wirken, indem ich immer nach vorne schaute, aber in Wirklichkeit machte ich mir Gedanken, was das jetzt war. Doch eigentlich sollte ich mir darüber nicht viele Gedanken machen. Es ist doch nur Cloé. Sie sagt viel, wenn der Tag lang ist. Stattdessen machte ich mir Gedanken, darüber, ob ich heute wieder bei Meister Fu esse. Ich durfte es nicht zu oft machen, sonst schöpfen meine Eltern noch mehr Verdacht, dass ich immer öfters nicht zuhause war. Und wenn Papa wüsste, dass ich mich mit einem Jungen treffe, dann war ich froh, dass Adrien jetzt noch lebte.

Als es endlich klingelte, hatten wir Pause. Die meisten Schüler blieben drinnen, Adrien und ich gaben uns zu verstehen, dass wir aus dem Klassenzimmer gingen.

„Sag's ihr", rief Cloe uns noch lächelnd zu.

Ich schaute sie verwirrt an, doch drehte mich schnell wieder um.

Als wir im Gang waren, musste ich loslachen.

„Hast du sie mal angelächelt, dass sie denkt ihr wärt zusammen, oder was?", prustete ich los.

„Marinette?", fragte mich Adrien.

„Ja?", sagte ich leicht verwirrt, aber lächelte noch.

„Weißt du noch, als wir auf der Spitze des Eiffelturms waren?", fragte er.

Oh Mann, dieser Junge! Worauf will er nun hinaus? Dass wir das nochmals wiederholen sollten? Soll er es dann genau so sagen.

„Und ich dir gesagt habe, dass ich dich niemals verlieren will?", fügte er hinzu.

„Äh, ja, ich erinnere mich?", sagte ich. Worauf will er denn hinaus? Will er mir ein Heiratsantrag machen, oder was?! Soll er mich doch nicht so lange auf die Folter spannen.

Er holte tief Luft und sein Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. So emotionslos...

„Gut, denn das ist jetzt vorbei. Ich bin wirklich mit Cloé zusammen."

Ich schaute ihn fassungslos an.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst", sagte ich und in mir loderte die Wut, das Adrenalin kam hoch, und das Gefühl, gleich komplett zu krepieren.

„Ist jetzt ein schlechter Scherz, wo ist die Kamera?"

Noch einmal wird er mir nicht das Herz brechen. Das lass ich nicht zu. Auch wenn das erste Mal, als er mich abserviert hatte, in mein anderes Ich verliebt war. Aber diese Schmerzen wollte ich nie wieder fühlen.

„Marinette, das war meine freie Entscheidung. Wir waren nie zusammen, wir sind es jetzt nicht, und wir werden es auch nie sein. Find dich damit ab", sagte er ziemlich gereizt.

Wow. Das hat so richtig gesessen. Damit hat er mein Herz so richtig zerfleischt.

„Das heißt jetzt?", brach ich nur so mit meiner allerletzten Kraft hervor.

„Dass du mich in Ruhe lassen sollst. Jeder passt auf sich alleine auf. Und wegen mir musst du zu Meister Fu erst gar nicht kommen."

Je weiter er sprach, desto entgeisterter wurde ich.

„Was ist aus dir geworden", flüsterte ich kopfschüttelnd und ging wieder ins Klassenzimmer. Vor allem fiel mir Cloé auf. Ihr Blick brannte förmlich auf mir. Will sie jetzt sehen, dass ich weine? Dazu war ich viel zu sehr geschockt. Es war einfach zu absurd, um das jetzt so hinzunehmen. Ich musste es erst einmal realisieren, bevor ich weinen konnte. Es erschien mir alles noch wie ein schlechter Scherz. Ich weinte zwar nicht, doch ich wandelte wie eine tote Mumie zu meinem Platz. Meine Augen leer, mein Gesichtsausdruck leer, mein Herz tot. Ich war viel zu tot, um zu weinen. Als wären alle meine Tränen schon aufgebraucht worden. Ich konnte es einfach nicht, selbst wenn ich wollte.

„Marinette, hey, was ist los?!", hörte ich Alya sagen, als sie mich schüttelte und mich wieder ins Leben zurückholen wollte.

„Sag mir nicht, dieser Sack geht wirklich mit Cloé! Hallo, Marinette!"

Ich blinzelte mehrmals hintereinander, und schaute Alyas besorgtes Gesicht an.

„Doch", flüsterte ich. Das sagte ich eher zu mir, als zu Alya. Doch. Adrien war jetzt mit Cloé zusammen. Ich wusste zwar nicht wie, warum, wie lange schon, aber das machte nichts. Es machte gar nichts mehr. Die Erinnerungen mit Adrien schienen mir auch nur wie eine Illusion vorzukommen. Die Abende auf den Dächern, der Eiffelturm, der Kuss...

Ich schluckte und blickte immer noch in die Leere. War das dann wohl nie echt? Alles gespielt?

Der Druck steigt... - Teil 2Where stories live. Discover now