Kapitel 1

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Tick, tack. Das war das einzige, was ich wahrnahm. Tick, tack. Wie viel Zeit ist jetzt schon vergangen? Seit einer gefühlten halben Stunde saß ich einfach so da. Vor meinem Schreibtisch. Alle meine Muskeln waren angespannt. Bereit, wenn etwas passiert. Tick, tack. Wie ein Echo hallte das Ticken der Wanduhr in meinem Kopf. Es hatte langsam etwas Gespenstiges, wenn man sich über Minuten nur darauf konzentrierte. Vor allem wenn man etwas erwartete, was unerwartet geschehen könnte...

Mit jedem Ticken der Uhr wurde ich noch unruhiger. Weil einfach nichts vorfiel. Schon so lange. Das Warten darauf war das Grauenhafteste. Wenn man sich gegen seinen Willen das Schlimmste ausmalte...

Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ich fuhr blitzartig hoch, und positionierte mich in Kampfstellung.

„Ach du lieber Himmel, hast du mich grade erschreckt. Alles gut mit dir, mein Schatz?"

Meine Mutter stand auf der Treppe und sah zu mir hoch, beinahe wäre sie nach hinten gefallen, so wie ich sie grade zu Tode erschreckt habe.

„Tut mir leid", entschuldigte ich mich und nahm ihr die Sachen ab, die sie für mich gebügelt hatte. Ich legte sie erst einmal auf meine Kommode Nicht weil ich die Sachen nicht einräumen wollte. Sondern weil mich das zu viel Zeit kosten würde. Das konnte ich mir gerade jetzt nicht leisten. Aufgeregt und wie ein Spion tapste ich wieder zum Schreibtisch. Ich setzte mich hin, das rechte Bein leicht im Ausfallschritt, um schnell aufzustehen, falls es dazu kommen könnte, dass...

Ich seufzte. Die letzten Tage waren so anstrengend, vor allem für die Seele. Tikki muss ekligen Empneo-Öl schlucken, damit sie wieder zu Kräften kommt, Adrien ist bei Meister Fu untergekommen. Jetzt, wo ... Adriens Vater wusste, wer wir waren, musste Adrien natürlich weg. Ich wusste noch, wie wir zu Meister Fu gerannt sind. Förmlich in seine Wohnung gestürmt sind, und ihm von Hawk Moth und unseren aufgedeckten Identitäten erzählt hatten.

Meister Fu hatte eigentlich ziemlich schmale Augen, aber nachdem wir ihn mit unserem Riesenproblem überschüttet haben, weitete er seine Augen um das Dreifache. Vor allem hatte er Adrien so angeschaut.

„Du hast nun zwei Möglichkeiten, mein Junge", hatte er gesagt.

„Entweder du verzichtest auf deine Miraculous, damit sie dein Vater nicht bekommt, aber dann wer weiß was mit dir anstellen kann, oder..."

Meister Fu hatte ihn todernst angesehen.

„Oder du verlässt umgehend dein Zuhause. Mit allen Sachen, die nötig sind. So schnell wie möglich."

Adriens Zweifel waren ihm förmlich im Gesicht geschrieben. Er musste aus seinem Zuhause verschwinden, er durfte nicht mehr zurückkehren.

„Du kannst bei mir unterkommen", hatte Meister Fu gesagt.

„Hier bist du erst einmal sicher."

Gesagt getan.

Nervös schlichen wir nochmals in den Agreste-Palast, und wir hatten förmlich Angst um unser Leben. Er konnte überall sein. Wenn er überall verschwinden konnte, konnte er auch überall auftauchen. Wir konnten uns zwar verwandeln, doch es war anders als sonst...

Ich stand Schmiere an seiner Zimmertür, und er packte alles Nötige in seine Taschen.

Durch die andauernde Angst bemerkte ich nicht, wie groß und luxuriös Adriens Zimmer war. Doch was bringt das alles, wenn man eine kaputte Familie hatte...

Adrien stopfte hektisch seine teuren Marken-T-Shirts hinein.

Ich spähte durch den Gang. Alles still. Aber so gespenstisch still. Wenn ich darüber nachdenke, das Hawk Moth hier sein Unwesen getrieben hatte.

Auf einmal wurde es ruhig im Zimmer. Adrien hörte auf zu packen. Ich drehte meinen Kopf über die Schulter und sah zu ihm hinüber. Schweigend sah er sein Handy an.

„Man könnte mich orten", sagte er leise.

Er biss sich auf die Lippe und holte aus. Und er schmiss sein teures iPhone gegen die Wand, sodass das gesplitterte Glas in alle Richtungen flog. Es machte ein lautes Geräusch und ich hatte Angst, dass uns jemand gehört hatte. Ich schaute Adrien entgeistert an. Sowas würde kein normal denkender Mensch machen, säße er nicht in dieser Situation wie wir...

Als Adrien in 5 Minuten alles gepackt hatte, schlichen wir eilig aus einem Seiteneingang hinaus. Wir verwandelten uns schnell und schwangen uns zu den Dächern der Stadt empor. Natürlich so unauffällig wie möglich. Manchmal verwandelten wir uns sogar zurück, damit uns ein paar neugierige Leute nicht auf die Schliche kamen.

Zum Glück wohnte Meister Fu in einer abgelegenen Gasse, wo sonst nur alte Leute wohnten und sich nicht über uns und unsere vollgestopften Taschen scherten.

Erst als wir Meister Fus Wohnung betraten, fühlten wir uns sicher. Denn nicht mal zuhause bei mir fühlte ich mich sicher. Hawk Moth wusste wer ich war, wenn er wollte, könnte er herausfinden wo ich wohnte.

„Gut, ihr habt es geschafft", amtete Meister Fu auf, als er uns sah.

Er half uns mit den Taschen und führte uns in einkleines Zimmer.    

Der Druck steigt... - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt