9 - Leo

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Ich falle aus dem Bett.

Nein, das ist keine Übertreibung und auch keine Metapher.
Ich höre einen dumpfen Schlag und spüre einen Schmerz in meinem rechten Unterarm. Als ich die Augen öffne, bemerke ich, dass ich neben meinem Bett liege. Scheinbar hab ich ziemlich weit am Rand geschlafen.

Wow.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht reibe ich über meinen Ellenbogen und stütze mich dann hoch. Großartig, der Alkohol entfaltet seine Wirkung. Beziehungsweise Nachwirkung.
Ich schüttele mich kurz, was gar nichts besser macht. Dann stehe ich auf und mache mich auf den Weg in die Küche.

Ich leere einen nur noch halb vollen Kanister Milch, dann mache ich mir Rührei mit Speck. Mir wird zwar etwas übel, aber ich brauche eine feste Nahrungsgrundlage, das weiß ich.
Für sowas wäre es gut, eine Freundin zu haben. Die könnte Rührei machen. In meinem Shirt, nur in Unterwäsche.

Warum sehe ich plötzlich Cassie's lange blonde Haare und ihren perfekten Arsch in meiner Vorstellung?
Wenn ich jemals eine Beziehung führe, dann bestimmt nicht mit so einer Zicke wie Cassandra Dawn. Die ist vielleicht gut zum Vögeln, aber mehr nicht.

Was rede ich da überhaupt für einen Müll?
Ich brauche keine Freundin.
Höchstens eine Haushaltshilfe.

Während ich mein Rührei mache, spiele ich die Aufnahmen des Anrufbeantworters ab.
Irgendjemand will und was verkaufen.
Wir haben einen BMW gewonnen.
Mein Zahnarzttermin muss verschoben werden.
Und dann eine Nachricht von meinen Eltern:

"Hiii, Liebling, hier ist Mom. Ich wollte dir nur sagen, dass wir unseren Urlaub noch um zwei Wochen verlängern. Wir brauchen diese Entspannung einfach, dein Dad und ich." Sie kichert wie ein Schulmädchen. Igitt. "Wir überweisen dir noch Geld. Pass auf dich auf und mach keinen Scheiß. Bis dann, wir lieben dich, Leo." Dann macht sie ein widerliches Knutsch-Geräusch.

Dafür dass sie mich so sehr lieben ist es beachtlich, dass ich sie schon seit fast einem Monat nicht zu Gesicht bekommen habe.
Ich schüttele nur den Kopf und lösche alle Nachrichten.

Also kein Zahnarzttermin heute. Auch nicht schlecht. Bei meiner Fahne wäre das sowieso unangenehm für alle Beteiligten gewesen.

Ich stopfe mich mit dem Rührei voll und auch noch mit anderen Essensresten, die ich im Kühlschrank finde.
Dann beschließe ich, eine Runde laufen zu gehen.

Da es draußen sau heiß ist, ziehe ich einfach nur eine kurze Hose an und meine Turnschuhe. Da werden die ganzen Weiber aber gaffen. Sollen sie doch.

Ich drehe meine Lauf-Playlist auf volle Lautstärke und renne los.
Frische Luft und ein fettes Frühstück. Das hilft immer gegen Kater.

Je öfter meine Füße mit dem Boden kollidieren und sich langsam den Beats der lauten Rap-Musik in meinen Ohren anpassen, desto freier fühle ich mich. Ja, ich habe fast das Gefühl, als würde ich fliegen.

Urplötzlich taucht das Bild von Cassie vor meinen Augen auf, wie sie fast vom Kühlschrank fällt, während sie mit ihren Armen flattert und "Red Bull verleiht Flüüüügel" ruft.

Es ist mir egal, dass ich jetzt lächeln muss. Sie ist eine blöde Zicke. Eine betrunkene blöde Zicke. Mit einem heißen Körper.

Ach und wenn schon!
Sie hält das sowieso nicht lange aus. Ich gebe ihr vielleicht einen Monat. Höchstens. Dann ist sie über beide Ohren in mich verliebt. Und dann brechen wir das ganze sowieso ab.
Keine Gefühle.
Kein Kuscheln.
Keine emotionalen Gespräche.
Ich brauche das einfach nicht.

HATE MEWhere stories live. Discover now