Kapitel 32

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Was hatte ich nur getan? Mit Erschrecken stellte ich fest, dass ich meiner Mama gerade die Wahrheit über Lotta und mich gesagt hatte. Wir standen uns beide gegenüber und ich konnte mich nicht von der Stelle rühren. Dann plötzlich seufzte sie und schloss mich fest in ihre Arme. »Elli, was machst du nur?«, flüsterte sie und streichelte über meinen Kopf. »Ich habe mir das nicht ausgesucht, es ist einfach so passiert«, erklärte ich leise und meine Mama antwortete: »Ja, ich weiß. Gefühle machen immer das, was sie wollen. Es war ein langer Tag heute. Ich glaube, wir sollten beide ins Bett gehen.« Dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn, sah mir nochmal in die Augen und sagte: »Wir reden besser einen anderen Tag in Ruhe darüber.« Ich nickte nur. Was sollte ich darauf auch antworten?

Erschöpft fiel ich ins Bett. Als ich am nächsten Morgen wach wurde, ging es mir deutlich besser. Trotzdem hatte ich Angst davor, in die Schule zu gehen. Die Leute würden reden, ihre Finger auf mich zeigen - das konnte ich heute ganz sicher nicht gebrauchen, aber es half ja alles nichts. Verstecken wollte ich mich nicht. Ich ging in die Küche und sah meine Eltern am Frühstückstisch sitzen. »Guten Morgen«, brachte ich schüchtern hervor. Das Gespräch mit meiner Mama hatte ich noch nicht wirklich verarbeitet. »Morgen«, erwiderten beide. Sie verhielt sich ganz normal. »Bist du sicher, dass du heute wieder in die Schule gehen willst?«, fragte mein Papa besorgt. »Ja, auf jeden Fall!« Meine Antwort kam überraschend schnell aus meinem Mund geschossen und beide sahen mich plötzlich an. »Verstecken hilft wohl nicht«, stammelte ich und begann stumm mein Frühstück. Dann packte mein Papa seine Zeitung zusammen. »Ich muss dann mal los«, verkündete er, gab meiner Mama einen Kuss und schenkte mir ein herzliches Lächeln. »Bis später!« Dann war er verschwunden und ich mit meiner Mama alleine in der Küche. Sollte ich unser Gespräch ansprechen? Ich wusste nicht, was richtig und was falsch war, aber sie nahm mir die Entscheidung ab. »Hör mal, wegen gestern Abend... Es war eine merkwürdige Situation. Für uns beide. Aber du weißt doch, dass du mit mir über alles reden kannst, oder?« Ich nickte bloß. »Es ist für uns kein Problem, dass du auf das gleiche Geschlecht stehst. Wir wollen nur, dass du glücklich bist«, erklärte sie und ich schaute sie erschrocken an. »Weiß Papa von Lotta?«, fragte ich unsicher, aber sie schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht, dass ich mich in der Position befinde, es ihm zu sagen. Das solltest du selbst tun, wenn du dafür bereit bist.« Ich schluckte und war unglaublich froh über ihre Reaktion. »Was ist das zwischen euch?«, wollte sie wissen. »Liebe.« Wissend nickte sie. »Seid ihr ein Paar?« Ich fand es verrückt, dass ich am Frühstückstisch zwischen Brötchenkrümeln und leergetrunkenen Kaffeetassen mit meiner Mama über Lotta sprach. »Ja, sind wir«, antworte ich wahrheitsgemäß. Ich wollte sie nicht belügen. »Verstehe.« Ihr Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. »Wie habt ihr euch das vorgestellt?« Sie sah mich mit einem durchdringenden Blick an. »Wie meinst du das?«, fragte ich irritiert. »Wenn jemand das herausfindet, dann verliert sie nicht nur ihren Job, Elli. Dann verliert sie weitaus mehr als das.« Dachte sie, mir war das nicht bewusst? Dachte sie, wir hatten uns darüber keine Gedanken gemacht? Plötzlich wurde ich wütend. Natürlich wusste ich, dass sie sich nur Sorgen machte. »Das ist uns durchaus bewusst«, entfuhr es mir spitz und sofort tat es mir leid. »Sorry, das meinte ich nicht so«, entschuldigte ich mich mit schlechtem Gewissen und sie entgegnete: »Ist schon in Ordnung. Ich möchte nur nicht, dass du Ärger bekommst. Du stehst kurz vor deinem Abschluss.« Der Blick auf die Uhr signalisierte mir, dass ich bereits spät dran war. »Ich weiß. Wir halten unsere Beziehung noch geheim, bis ich ihn in der Tasche habe. Ich muss los, der Unterricht beginnt gleich.« Akzeptierte sie unsere Beziehung? Ich wusste es nicht so recht. »Kann ich dich noch etwas fragen?«, fragte ich deshalb direkt. »Natürlich kannst du das.« Ich nahm meinen Mut zusammen und fragte: »Ist das ok für dich? Dass Lotta und ich ein Paar sind?« Mein Herz klopfte heftig vor Aufregung. »Also ich hätte mir natürlich jemanden für dich gewünscht, der vielleicht in deinem Alter und mit dem es nicht so kompliziert ist, aber ich mag Lotta. Und wenn du glücklich bist, dann bin ich es auch.« Ich nahm ihre Hand und drückte sie dankbar. »Danke, das bedeutet mir wirklich viel«, antwortete ich gerührt. Dann schnappte ich mir meine Tasche und radelte los zur Schule. Ich machte mich auf die ganzen neugierigen Blicke gefasst, aber niemand beachtete mich mehr als sonst. Außer Kati. Sie war völlig außer sich. »Was war gestern bitte los?«, durchlöcherte sie mich und zog mich zur Seite. »Frag bloß nicht! Ich erzähle dir gleich alles.« Und das tat ich auch. Wir hatten im ersten Block Physik und da berichtete ich ihr alles haargenau. Ich erzählte von Jonas und wie Lotta an meinem Fußende saß, als ich wach wurde. Dann erwähnte ich das Gespräch mit meiner Mama. Sie sah mich mit weit aufgerissen Augen an. »Ist das dein Ernst?«, fragte sie erstaunt. Zur Bestätigung nickte ich nur kurz. »Elli und Kati, wollt ihr eigentlich auch noch etwas zum Unterricht beitragen oder darf ich damit heute nicht mehr rechnen?«, wurden wir von Frau Meißner ermahnt. Die restliche Zeit des Unterrichts waren wir still und flüsterten nur, wenn sie uns den Rücken zuwandte. Endlich klingelte es. Ich wollte das Gespräch mit Lotta suchen, aber sie war unauffindbar. Wir hatten gleich Deutsch. Ungeduldig wartete ich vor der Tür, um sie abzupassen. Dann bog sie um die Ecke und kam auf mich zu. »Wir müssen unbedingt reden heute Nachmittag«, teilte ich ihr mit und sie bemerkte, dass es wirklich wichtig war. »Kommst du nach der sechsten Stunde zu mir?«, fragte sie, ich nickte und sie betrat den Raum. Niemand verlor ein Wort über Jonas, es hatte sich also nicht herumgesprochen, worüber ich sehr froh war. 

Nach der letzten Stunde fuhr ich auf direktem Wege zu Lotta. Ihr Auto stand bereits auf dem Parkplatz, als ich mein Fahrrad anschloss. Schnell klingelte ich und hörte das vertraute Surren der Sprechanlage. Die Tür sprang auf und ich nahm immer zwei Stufen gleichzeitig. »Hey«, begrüßte sie mich und ich blieb stehen. Ihr Anblick verzauberte mich jedes Mal wieder. Ich ging auf sie zu, legte meine Lippen auf ihre, konnte mein Verlangen nicht mehr kontrollieren. »Nicht so stürmisch«, ermahnte sie mich mit einem Lächeln im Gesicht. Ich drückte sie gegen die Tür, fing langsam damit an, sie auszuziehen. »Oh, was wird das denn jetzt?«, raunte sie mir ins Ohr. »Ich dachte, wir wollten reden.« Ich murmelte: »Das können wir später auch noch.« Dann bewegten wir uns langsam in Richtung Schlafzimmer. Als wir dort ankamen, waren wir bereits fast nackt. Die Klamotten hatten wir unterwegs verloren. »Ich will dich jetzt. So sehr«, flüsterte ich sehnsüchtig und hörte sie aufstöhnen. Wir waren beide erregt und die Luft zwischen uns knisterte. Mit voller Hingabe verwöhnten wir uns gegenseitig. Es fühlte sich an, als wäre mein Inneres aus Luftpolsterfolie und jedes Mal, wenn sie lachte oder mich berührte, platzte eines dieser Bläschen. Es war unbeschreiblich, was sie mit mir anstellte. 

Nachdem wir uns beide völlig außer Atem aneinander kuschelten, war ich einfach nur glücklich für den Moment. Mit ihr konnte ich mir alles vorstellen. Alles und noch viel mehr. Unsere Haut war glühend heiß. Zufrieden schmiegte sie sich an meinen Körper. »Worüber wolltest du nun eigentlich reden?« Einen unpassenderen Zeitpunkt hätte Lotta sich nicht aussuchen können, dachte ich. Aber irgendwann musste ich schließlich mit ihr darüber reden. »Meine Mama weiß Bescheid über uns.« Nun war es raus. In Windeseile setzte sie sich auf und sah mich entgeistert an. »Das ist doch jetzt ein schlechter Scherz, oder? Sag mir bitte, dass es einer ist.« Sie zog sich die Decke ein Stück höher, denn wir waren nackt und es war ihr in dieser Situation sichtlich unangenehm. »Nein, es ist kein Scherz.« Ich erklärte ihr, dass es kein Problem für meine Mama war. »Oh, Gott. Das wird ja immer schöner.« Sie schloss die Augen. Es war absurd, aber genau in diesem Moment wollte ich ihr wieder nah sein. Ihre nackte Haut machte mich verrückt. Ich zog sie wieder zurück in meine Arme. »Lotta, alles in Ordnung. Sie hätte es sowieso irgendwann erfahren.« Sie seufzte. »Du hast ja recht.« Dann küssten wir uns. Die Küsse wurden immer fordernder und an diesem Nachmittag liebten wir uns ein zweites Mal.

Unknown. || gxgWhere stories live. Discover now