Kapitel 16 _ Rückkehr nach Hause

169 11 0
                                    

Die Wochen bis Weihnachten vergingen wie im Fluge. Vor allem, da die kleine Gruppe neben Unterricht und Hausaufgaben auch noch ihre eigenen Nachforschungen anstellte. Nicolas Flamel war aber dummerweise ein Mysterium. In keinem der von ihnen durchforsteten Bücher war auch nur ein Hinweis auf ihn zu finden und dummerweise war die Bibliothek von Hogwarts mehr als nur groß.
"Ihr sucht doch weiter, während wir weg sind?", fragte Hermine am Abend, bevor die beiden Mädchen ins Bett gingen. Am nächsten Morgen würden sie zum Zug gehen, während Harry und Ron die Ferien in Hogwarts verbringen würden. "Und schickt eine Eule, wenn ihr irgendwas herausfindet."
Ron nickte. "Und ihr könntet eure Eltern fragen, ob sie wissen, wer Flamel ist", schlug er vor.
Hermine grinste. "Da kann nichts passieren, denn sie sind beide Zahnärzte."
Kurz schweiften Lyssas Gedanken ab, das Wort kannte sie nicht. Sie beschloss, Hermine bei der Zugfahrt zu fragen, antwortete dann aber Ron. "Ich weiß nicht, mein Vater ist mit Professor Snape befreundet. Aber ich kann mal in unserer Bibliothek suchen."

Zu Hause angekommen war dieses Vorhaben allerdings vergessen. Die Zugfahrt war sehr interessant gewesen. Hermine hatte Lyssa und Neville, der sich mit in ihr Abteil gesetzt hatte, alles über die verschiedenen Ärzte in der Welt der Muggel erzählt. Lyssa schwirrte noch immer der Kopf von den ganzen Bezeichnungen. Da lobte sie sich doch ihre Welt. Es gab Heiler und mehr war nicht nötig. Natürlich gab es auch hier Spezialisten, aber dennoch.
Sie hatten sich noch im Zug verabschiedet, Lyssa hatte Dracos Worte nicht vergessen. Sie wollte ihren Eltern lieber schonend beibringen, dass zu ihren Freunden ausgerechnet ein Schlammblut und der tollpatschige Neville zählten. Per Seit-an-Seit-apparieren waren sie nach Hause gelangt, diesmal hatte Vater die Koffer mit einem Zauber vorausgeschickt.
"Darf ich Ihnen die Mäntel abnehmen?", wurde sie von Dobbys piepsiger Stimme begrüßt. Freundlich lächelnd reichte Lyssa ihm ihren, dann sah sie fragend zu ihrem Vater. "Packt als erstes eure Koffer aus, in einer Stunde essen wir", erklärte dieser und zusammen mit Draco ging Lyssa nach oben. Die Koffer, das wussten beide, würde ihnen schon einer der Hauselfen bringen.
Ihre Räume sahen noch genauso aus wie sie sie verlassen hatte. Für einen Moment war sie geblendet von dem vielen grün und silber, so sehr hatte sie sich in den letzten Monaten an die rot-goldene Umgebung gewöhnt. Aber sie hatte sich schnell wieder gefangen und widmete sich ihrem Koffer, den Tink inzwischen zu ihr gebracht hatte. Sorgfältig legte sie all ihre Bücher auf den Schreibtisch und hängte ihre Schuluniform in den fast leeren riesigen begehbaren Kleiderschrank. Das Gryffindor-Abzeichen und die rot-gelb gestreifte Krawatte wirkten fehl am Platz, so dass Lyssa die Türe schnell schloss. Für die nächsten zwei Wochen konnte sie wieder ganz sie selbst sein. Eine Malfoy in ihrer gewohnten Umgebung. Ein prachtvolles Haus, Marmor, dunkles Holz und ihre Räume so eingerichtet, wie es ihr gefiel. Grün und silber, ihre Lieblingsfarben. Das Bad mit grauem Marmor, einer schönen großen Wanne und nur für sie alleine.
Ein leises Klopfen an ihrem Fenster riss sie aus ihren Gedanken. Schnell öffnete sie und ließ Powl herein. Sie hatte ihn fliegen lassen, kurz bevor der Zug King's Cross erreicht hatte. Das letzte Mal war die Eule gar nicht begeistert vom Apparieren gewesen, so dass Lyssa es ihm diesmal hatte ersparen wollen. In seinen spitzen Krallen hielt er eine tote Maus, die er jetzt genüsslich auf einer der Stangen von Lyssas Himmelbett verspeiste. Sie grinste. "Und mir hast du nichts mitgebracht?" Er krächzte leise, ließ sich sonst aber nicht weiter stören. "Na gut, das nächste Mal dann vielleicht. Ruh dich jetzt etwas aus, morgen musst du mit der Weihnachtspost los", verabschiedete sie sich und ging auf den Gang.
Dracos Räume nahmen die andere Hälfte des Stockwerks ein und nachdem sie angeklopft hatte, ging sie zu ihm hinein. Sein Schlafzimmer glich ihrem bis aufs kleinste Detail, außer dem fehlenden Plakat der Harpies über dem Schreibtisch.
"Alles klar bei dir?", wurde sie begrüßt. Wärme machte sich in ihr breit, sie hatte das freundliche Lächeln ihres Bruders wirklich vermisst.
"Jap. Endlich mal wieder andere Farben zu sehen ist echt toll."
Er lachte. "Ich dachte, du magst rot so gern, Löwenbaby", zog er sie auf. Auch sie musste lachen. Eigentlich war das ein Spitzname, an den sie sich gewöhnen könnte.
"Ja schon", antwortete sie dann, "aber nur in Form von Blut als Zutat für einen Zaubertrank."
Diese Antwort hatte er nicht erwartet, das konnte sie ihm ansehen. Dann aber grinste er wieder. "Lass uns nach unten gehen, ich bin am Verhungern."

Der große Esstisch war bereits gedeckt, als die Zwillinge nach unten kamen und ihre Eltern hatten bereits Platz genommen. "Da seid ihr ja, dann können wir ja anfangen."
Mutter klatschte einmal in die Hände und schon kamen Asha und Tink mit einer großen Suppenterrine herein. Käsekräutersuppe mit frischen Pilzen, eines der wenigen Gerichte, die Lyssa bisher in Hogwarts vermisst hatte. Das Essen verlief schweigend, aber es war nicht unangenehm. Im Gegenteil, sie genoss es, sich mal wieder ganz auf die Essensaufnahme konzentrieren zu können, ohne irgendwelchen Gesprächen folgen zu müssen.
Nach dem Dessert zog die Familie in den Salon um. Mit vollem Bauch und in einen der gemütlich großen Sessel gelümmelt, fühlte Lyssa sich so wohl wie schon lange nicht mehr.
"Nun, dann erzählt doch mal, ihr zwei. Wie gefällt es euch in Hogwarts?", durchbrach Vater schließlich das Schweigen. Draco fing als erstes an. Er erzählte kaum etwas von den Unterrichtsstunden, dafür ließ er sich umso mehr über die anderen Erstklässler aus. Vor allem an Harry ließ er kaum ein gutes Haar. Die Sache mit dem Besen und dem Quidditch-Team ärgerte ihn immer noch maßlos. Und auch, dass Harry Potter nicht der heiß ersehnte Nachfolger des Dunklen Lords war, schien noch immer etwas an ihm zu nagen.
"Wir sind inzwischen Freunde", sagte Lyssa, als ihr Bruder endlich fertig war. Seinem entsetzten Blick nach zu urteilen, hatte Draco das gar nicht mitbekommen, aber in letzter Zeit hatten die beiden sich auch immer nur zu Zaubertränken gesehen und da hatte Lyssa besseres zu tun, als mit Harry zu sprechen.
"Das ist ja toll! Aber du hast doch auch noch andere Freunde als nur ihn, oder Liebling?"
So richtig deuten konnte Lyssa die Frage ihrer Mutter nicht. Es sprach auf jeden Fall nicht nur Freude aus ihr. Kurz zögerte das Mädchen, dann nickte sie.
"Ron Weasley, er war schon davor mit Harry befreundet. Er ist ein Idiot was die Schulsachen betrifft, aber seine Aufsätze zu lesen ist immer lustig. Und Neville Longbottom. Ich hab ihm bei der ersten Flugstunde vermutlich das Leben gerettet und offenbar glaubt er jetzt, er stünde in meiner Schuld. Vor ihm muss man sich nur in Acht nehmen, wenn er versucht, einen Zaubertrank zu brauen." Dracos Lachen unterbrach sie und sie stimmte mit ein. Neville und seine Tränke war wirklich ein Thema für sich, aber seitdem sie ihm ein bisschen half, waren die Katastrophen weniger geworden.
"Und auch eine Freundin?" Jetzt schwang wirklich Sorge in Mutters Stimme mit. Draco sah Lyssa warnend an, aber sie beschloss, dass sie jetzt auch fertig erzählen könnte.
"Klar. Ihr Name ist Hermine Granger. Sie ist muggelstämmig, aber klüger als die drei Jungs zusammen. Sie ist die einzige in Gryffindor, mit der ich ein vernünftiges Gespräch führen kann."
Vaters Blick hatte sich verdüstert. "Ein Weasley, Harry Potter und ein Schlammblut. Das sind deine Freunde?"
Trotzig erwiderte Lyssa seinen Blick. "Die beiden anderen Mädchen sind total die Zicken. Sie würden am liebsten gar nicht mit mir reden, einfach nur weil ich eine Malfoy bin. Hermine und die Weasley-Zwillinge sind die einzigen, denen es von Anfang an total egal war. Und sie ist wie ich. Sie liebt es zu lernen, sie ist genauso gerne in der Bibliothek wie ich und im Unterricht passt sie auf und macht nicht einmal in Geschichte der Zauberei was anderes, als zuzuhören. Frag doch Draco! Unsere Zaubertränke sind immer perfekt. Und in Verwandlung oder Zauberkunst hat sie den Dreh sogar manchmal schneller raus als ich. Muggelstämmig, ja. Aber sie ist eine bessere Freundin für mich, als Pansy je sein könnte!"
Erst als Draco sie am Arm berührte, merkte sie, dass sie aufgestanden war. Ihr Herz raste, aber sie fühlte sich erleichtert. Schon seit Wochen hatte sie sich vor der Reaktion ihrer Eltern gefürchtet, aber jetzt, da es so weit war, wusste Lyssa, dass sie im Recht war. Es war ihr Leben und somit auch ihre Entscheidung, wen sie als ihre Freunde wählte. Natürlich hatte sie Verpflichtungen ihrer Familie gegenüber, aber das hieß nicht, dass sie einsam in einer Ecke sitzen musste, weil der Sprechende Hut etwas in ihr gesehen hatte, das nicht nach Slytherin gepasst hätte.
Langsam zeigte sich ein Lächeln auf dem Gesicht ihrer Mutter und dann wurde sie in eine Umarmung gezogen. "Die Hauptsache ist, dass du glücklich bist!"
"Aber du verzeihst hoffentlich, wenn wir keinen deiner Freunde hier her einladen", fügte Vater ernst hinzu. Lyssa nickte, das hatte sie auch gar nicht erwartet. "Aber ihr verzeiht hoffentlich, wenn ich Pansy gegenüber nicht mehr so tue, als würde ich sie mögen. Denn das tue ich nicht und sie mag mich ebenso wenig", stellte sie klar und ließ sich auch von ihrem Vater in eine kurze Umarmung ziehen.
"Und jetzt ab ins Bett mit euch", beendete dieser das Gespräch.
"Du bist wirklich eine Gryffindor. Das war echt mutig", sagte Draco, als die Zwillinge ihre Zimmertüren erreicht hatten. Noch bevor Lyssa etwas erwidern konnte, war er in seinem Zimmer verschwunden. Aber sie fühlte Stolz. Sie war mutig. Glücklich ging sie ins Bett.

Lyssa - Eine Malfoy in Gryffindor - Band 1Where stories live. Discover now