Kapitel 10 _ Endlich Antworten

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Samstagmorgen war es endlich soweit. Wie die ganze restliche Woche auch, saß Lyssa beim Frühstück neben Hermine. Und wie sonst auch wartete sie ungeduldig auf die Ankunft der Eulen. Und heute, endlich, war Powl auch unter den Scharen von Vögeln, die die große Halle stürmten. Auf den ersten Blick wurde Lyssa klar, weshalb er so lange weggewesen war. Der arme Kerl mühte sich mit einem riesigen Paket ab. Als er vor ihr landete – und dabei fast ihren Teller vom Tisch fegte – bemerkte sie, dass es sich um zwei zusammengebundene Pakete handelte. Das obere trug ihren Namen, das untere den ihres Bruders. Und ganz obenauf lag ein Brief. Nervös riss sie ihn auf.

Liebste Lyssa,
Natürlich war es ein Schock zu lesen, dass du nicht gemeinsam mit deinem Bruder nach Slytherin gekommen bist, aber wie ich dir schon am Bahnhof sagte, wir werden dich immer lieben, egal in welchem Haus du bist. Wir können gerne in den Weihnachtsferien nochmal über dieses Thema reden, aber für mich wäre es bereits abgeschlossen. Danke, dass du uns gleich informiert hast.
Ich habe euch beiden ein bisschen Nervennahrung eingepackt, damit ihr auch bis zu den Ferien durchhaltet. Konzentriere dich auf den Unterricht und sei nett zu deinen Lehrern. Falls es sich einrichten lässt, grüße doch bitte Severus von uns.
Mit vielen Küssen und Umarmungen,
Mutter
PS: Ich hoffe, deine Eule schafft es heil zurück, die Pakete sind schwerer geworden als geplant.

Lächelnd faltete Lyssa den Brief zusammen und strich Powl über den Kopf. Genießerisch schloss er die orangenen Augen und krächzte leise. "Hast du gut gemacht", flüsterte Lyssa und öffnete den Knoten, um die beiden Pakete zu trennen. Das untere band sie wieder an Powls Fuß. Sein Krächzen klang fast empört. "Ja ich weiß, du bist müde. Aber kannst du das bitte noch zu meinem Bruder bringen? Warte, ich schreib noch schnell was." Vorsichtig riss sie den unteren leeren Teil des Briefes ihrer Mutter ab und schrieb selbst schnell ein paar Zeilen.

Draco,
es ist alles gut. Das ist Nervennahrung von Mutter, ich hab auch so eins. Sei lieb zu Powl, er ist müde.
Lyssa

Sie faltete den Brief zusammen und gab ihn Powl. Sein Krächzen klang jetzt gedämpft, als er abhob. Gebannt folgte Lyssa seiner Flugbahn einmal quer durch die Halle und sah erleichtert zu, wie er heil bei Draco landete. Dann widmete sie sich dem Rest ihres Frühstücks. Das Paket würde sie erst später im Schlafsaal öffnen.
"Nachricht von Zuhause?", wollte Hermine wissen, Lyssas entspanntes Lächeln ganz richtig deutend. Die Angesprochene nickte: "Endlich!"
"Das ist so cool, dass Eulen die Post bringen!" Hermines Augen leuchteten und zum ersten Mal in ihrem Leben überlegte Lyssa, wie Muggel wohl die Dinge erledigten, die sie selbst ganz selbstverständlich an andere Wesen übertrug.
"Wer macht das denn bei den Muggeln?", wollte sie neugierig wissen.
"Dafür gibt es die Postboten", antwortete Hermine und setzte auch gleich nach, als sie Lyssas fragenden Blick bemerkte: "Das sind Menschen, die für die Post arbeiten. Sie holen die Briefe aus den Briefkästen, bringen sie dann in eine Lagerhalle und dort werden die Briefe dann sortiert. Mit großen Autos werden sie dann in die richtige Stadt gebracht, wo ein anderer Postbote sie dann zu den richtigen Häusern bringt."
Lyssa staunte. So viel Aufwand für etwas, das Eulen problemlos erledigen konnten. Dann fiel ihr das Gespräch vom ersten Schultag wieder ein und die vielen anderen Fragen, die jetzt in ihr aufkamen. "Wie wäre es, wenn wir ein bisschen das schöne Wetter genießen und uns die Ländereien anschauen? Hausaufgaben haben wir ja alle schon gemacht", schlug sie also vor. Hermine zögerte kurz, dann nickte sie: "Aber am Nachmittag würde ich gerne nochmal in die Bibliothek. Da gibt es so viel zu lesen. Und ich möchte meinen Zaubertrankaufsatz nochmal überarbeiten." Lyssa grinste und nickte. Gemeinsam verließen die beiden Mädchen die große Halle, gingen nochmal schnell – also so schnell wie möglich bei den vielen Treppen – in ihren Schlafsaal, um sich warme Umhänge zu holen und verließen dann das Schloss.

Draußen schien die Sonne, aber dennoch war es kühl. Der Herbst hatte bereits angefangen, die Blätter der großen und offenbar sehr alten Bäume zu färben und Lyssa sog genüsslich die Luft ein. Seit Kräuterkunde am ersten Schultag war sie nicht mehr draußen gewesen und heute war es wirklich besonders schön. "Sollen wir als erstes zum Quidditch-Feld?", schlug sie vor und sah Hermine fragend an.
"Quidditch? Ich hab davon gelesen, es wurde in 'Geschichte von Hogwarts' erwähnt. Es ist ein Sport, richtig?"
"Ein Sport?!" Lyssa grinste. "Es ist DER Sport. Wird auf der ganzen Welt gespielt. Es gibt kaum einen anderen Sport, der so bekannt und beliebt ist. Es ist toll, zuzuschauen. Letztes Jahr durfte ich zu einem Spiel meines Lieblingsteams, den Holyhead Harpies, das war richtig super. Aber selbst zu fliegen macht fast noch mehr Spaß, ich hoffe, die Flugstunden fangen bald an. Vater hat erzählt..." Als sie Hermines Gesichtsausdruck bemerkte, unterbrach sie sich. "Stimmt was nicht?"
Hermine zögerte kurz, bevor sie antwortete: "Ehrlich gesagt hab ich ein bisschen Angst vorm Fliegen. Ich hab Flugangst und irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass das auf einem Besen anders ist."
Lyssa war verwirrt. "Woher weißt du, dass du Angst vorm Fliegen hast, wenn du noch nie geflogen bist?"
Hermine lächelte ein schiefes Lächeln. "Ich bin schon mal geflogen. Nur nicht auf einem Besen. Muggel haben etwas, das nennt sich Flugzeug. Damit kann man auch fliegen. Ich bin mit meinen Eltern nach Italien in den Urlaub geflogen. Aber auf dem Boden fühle ich mich wohler."
Lyssa machte große Augen. Autos, ja, die kannte sie, auch wenn sie selbst noch nie in einem gefahren war. Aber von einem Flugzeug hatte sie noch nie gehört.
Hermine kicherte, dann wurde sie wieder ernst und stellte ihrerseits eine Frage. "Wie kommt ihr dann an Urlaubsorte? Immer mit dem Besen?"
"Entweder das oder durch apparieren. Oder, wenn der Ort zu weit entfernt ist, mit einem Portschlüssel. Das sind Gegenstände, die verzaubert sind. Wenn man sie zu einem bestimmten Zeitpunkt berührt, dann bringen sie einen an den gewünschten Ort", fügte sie die Erklärung gleich an.

Inzwischen hatten die beiden Mädchen das leere Quidditch-Feld erreicht. Hermine betrachtete wissbegierig die aufgestellten Ringe. "Also, sag mal, wie funktioniert dieses Quidditch?", wollte sie wissen und die restliche Zeit bis zum Mittagessen verbrachte Lyssa damit, die doch etwas komplizierten Regeln zu erklären und von den vielen fantastischen Spielzügen zu erzählen, die sie bei den Harpies gesehen hatte. Auch von ihrem heimlichen Wunsch, mal Jägerin in der Hausmannschaft zu werden, erzählte sie. Und da sie jetzt in Gryffindor war, könnte sie ihn sich vielleicht sogar erfüllen. In Slytherin kamen nie Mädchen ins Team.

Den Nachmittag verbrachten die beiden, wie abgesprochen, in der Bibliothek und überarbeiteten ihre Zaubertrankaufsätze. Aber Lyssa holte auch 'Quidditch im Wandel der Zeiten' aus einem der Regale und gab es Hermine zum Lesen. Schlammblut oder nicht, von dem einzig wahren Sport sollte jeder eine Ahnung haben, der auch nur einen Funken Magie besaß.

Lyssa - Eine Malfoy in Gryffindor - Band 1Where stories live. Discover now