Kapitel 4 _ Ein Zug voller komischer Kinder

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Die erste Störung kam um viertel nach elf, angekündigt von lautem Geklapper. "Etwas Süßes, ihr Lieben?" Eine rundliche kleine Hexe mit grauen Haaren hatte die Tür aufgeschoben, vor ihr stand ein Servierwagen vollbeladen mit Süßigkeiten. Lyssa kaufte sich einen Kesselkuchen und eine große Packung Schokofrösche. Vor allem wegen den Karten, sie liebte es, die kurzen und dennoch sehr informativen Texte zu lesen.
Kauend wandte sie sich wieder ihrem Buch zu, wurde aber bald wieder abgelenkt.
Ein Junge, höchstwahrscheinlich auch ein Erstklässler, mit rundem Gesicht hatte die Tür geöffnet. "Entschuldigung, habt ihr vielleicht eine Kröte gesehen?" Seine Stimme klang belegt, Lyssa hatte das dumpfe Gefühl, er könnte geweint haben. Freundlich lächelnd schüttelte sie den Kopf, Draco dagegen war ganz in seinem Element. "Eine Kröte?", fragte er verächtlich grinsend. "Welcher Volltrottel hat denn heute noch eine Kröte?" Pansy lachte gackernd und sogar Theo konnte ein Grinsen nicht verbergen. "Falls ihr sie seht..." Der Junge klang jetzt noch verzweifelter, aber Crabbe ließ ihm nicht die Chance zu Ende zu sprechen. Er zog einfach die Tür wieder zu und grinste dümmlich, als der andere mit hängenden Schultern weg ging.
Lyssa verdrehte die Augen und widmete sich dem nächsten Kapitel: 'Heiltrank gegen Furunkeln - Erste Versuche der flüssigen Magie'. Sorgfältig las sie die einzelnen Arbeitsschritte durch und ging in Gedanken bereits die Vorbereitungen durch, die für die Anfertigung dieses Trankes benötigt wurden. Zaubertränke war das Fach, auf das sie sich beinahe am meisten freute, seitdem sie vor ein paar Jahren einen kleinen Kessel und ein Kinder-Zaubertrankbrau-Set zum Geburtstag bekommen hatte. Und für sie stand fest, dass sie in diesem Fach zu einer der Besten gehören würde.
Sie hatte das Kapitel gerade durch, als die Tür das nächste Mal geöffnet wurde. Wieder stand der Junge draußen, diesmal in Begleitung. Ein Mädchen mit buschigen braunen Haaren, das schon ihren Hogwarts-Umgang trug, war bei ihm. "Hat jemand eine Kröte gesehen? Neville hat seine..." "...verloren, wissen wir. Wir haben aber auch schon gesagt, dass uns das überhaupt nicht interessiert, also verschwindet wieder", beendete Draco den Satz für sie. Das Mädchen verzog verächtlich ihr Gesicht. "Schön, ein Glück gibt es auch nettere Schüler als euch. Harry Potter zum Beispiel, er..." "Du hast Harry Potter gesehen? Hier in diesem Zug?" Jetzt klang Draco interessierter und auch die anderen wandten sich dem Mädchen zu. "Ja, er ist in einem Abteil ganz am Ende des Zuges. Leicht zu erkennen, bei ihm ist nur ein anderer Schüler. Aber ihr solltet euch lieber eure Umhänge anziehen, als gaffen zu gehen." Mit jedem Satz klang sie noch überheblicher und Lyssa war sich nicht sicher, ob sie das andere Mädchen leiden konnte. Vermutlich mehr als Pansy, aber das war wirklich nicht schwer.
"Oh, du bist am Lernen! Also ich hab ja alle Schulbücher auswendig gelernt und schon ein paar Zauber ausprobiert. Meine Eltern waren ja so überrascht als der Brief kam. Ich meine, wir hatten alle bemerkt, dass manchmal komische Sachen passiert sind, aber wer rechnet denn damit, eine Hexe zu sein. Übrigens, mein Name ist Hermine Granger und wer seid ihr?"
"Nicht interessiert!" Draco beendete Lyssas Überlegung, was sie jetzt am besten antworten sollte und Crabbe schob erneut die Türe zu. "Schlammblüter, ehrlich. Sowas sollte verboten werden!" "Aber sie hat recht", mischte sich Lyssa ein, die wirklich überhaupt keine Lust hatte, heute noch einen weiteren Vortrag über die Vorzüge des reinen Blutes zu hören. Die anderen sahen sie entsetzt an, also sprach die Blonde gleich weiter. "Wir sollten wirklich unsere Umhänge anziehen." Sie grinste, während sie ihr Buch einpackte und sich ihren Umhang über warf.

"So, dann wollen wir mal sehen, ob wir Harry Potter finden. Crabbe, Goyle, kommt. Lyssa, magst du auch mit?" Die Angesprochene nickte und zupfte ihren Umhang zurecht, als sie aufstand. Pansy und Theo blieben im Abteil zurück, um auf das Gepäck aufzupassen, oder in Pansys Fall wohl eher, um sich nochmal ordentlich zu schminken, bevor sie ankamen.
Die meisten Abteile auf dem Weg ans Ende des Zuges waren voll besetzt. Lyssa konnte Schüler verschiedener Jahrgangsstufen und, dank der von ihnen getragenen Abzeichen, aller vier Häuser erkennen. In dem Abteil, zu dem die kleine Gruppe wollte, waren tatsächlich nur zwei Schüler, die noch ihre Muggelkleidung trugen. Allerdings wäre für mehr gar kein Platz gewesen, drei der freien Sitze waren voller Süßigkeiten und auf dem letzten stand ein großer Käfig mit einer schlafenden Schneeeule. Draco zog die Tür auf. Als Lyssa den Schwarzhaarigen erkannte, stockte ihr kurz der Atem. Das war der Junge, den sie bei Madam Malkins getroffen hatten. Und seinem Blick nach zu urteilen hatte er die blonden Zwillinge ebenfalls erkannt.
"Stimmt es?", hörte sie Draco sagen. "Im ganzen Zug sagen sie, dass Harry Potter in diesem Abteil ist. Also du bist es?"
"Ja", sagte der Schwarzhaarige, der wohl immer noch gerne einsilbige Antworten gab. Sein Blick war auf die beiden anderen Jungen gerichtet.
"Oh, das ist Crabbe und das ist Goyle", übernahm Draco das Vorstellen. "Und mein Name ist Malfoy. Draco Malfoy. Und das ist meine Schwester Lyssa." Er zog Lyssa neben sich, die sich an einem freundlichen Lächeln probierte.
Der rothaarige Junge hustete, oder eher, kicherte verhalten. Draco wandte sich ihm zu, während Lyssas Lächeln verlosch. "Meinst wohl, unsere Namen sind komisch, was? Wer du bist, muss man ja nicht erst fragen. Vater hat uns erzählt, alle Weasleys haben rotes Haar, Sommersprossen und mehr Kinder, als sie sich leisten können." Lyssa kniff die Augen zusammen, eigentlich hatte der Rothaarige ja recht, ihr Name klang wirklich etwas seltsam. Aber was sollte man bei der weiblichen Form von Lysander auch anderes erwarten. Draco sprach inzwischen wieder mit Harry. "Du wirst bald feststellen, dass einige Zaubererfamilien viel besser sind als andere, Potter. Und du wirst dich doch nicht etwa mit der falschen Sorte abgeben. Ich könnte dir behilflich sein." Er streckte die Hand aus, doch Harry rührte sich nicht. Lyssa bemerkte, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Seine Antwort war kühl: "Ich denke, ich kann sehr gut selbst entscheiden, wer zur falschen Sorte gehört."
"Ich an deiner Stelle würde mich vorsehen, Potter." Lyssa, die ihren Bruder genauso gut kannte, wie sich selbst, hörte die Wut in seiner Stimme, aber sie traute sich nicht, etwas zu sagen. Und so redete Draco einfach weiter: "Wenn du nicht ein wenig höflicher bist, wird es dir genauso ergehen wie deinen Eltern. Die wussten auch nicht, was gut für sie war. Wenn du dich mit Gesindel wie den Weasleys und diesem Hagrid abgibst, wird das auf dich abfärben."
Harry und der Weasley-Junge, inzwischen mit knallrotem Gesicht, standen auf. "Sag das noch mal", verlangte der Rotschopf, auch er jetzt mit geballten Fäusten.
"Oh, ihr wollt euch mit uns schlagen?" Draco, dem diese Tatsache offenbar auch nicht entgangen war, klang höhnisch, machte aber einen kleinen Schritt zurück.
"Außer ihr verschwindet sofort!" Harry klang mutig, aber Lyssa konnte Angst in seinen Augen erkennen.
"Aber uns ist überhaupt nicht nach Gehen zumute, oder, Leute? Wir haben alles aufgefuttert, was wir hatten, und bei euch gibt's offenbar noch was." Bevor Lyssa widersprechen konnte, sie hatte ihre Schokofrösche noch nicht mal angerührt, griff Goyle nach eben diesen Süßigkeiten auf dem Sitz neben dem Weasley. Der sprang nach vorne, doch Goyle fing schon an zu schreien, bevor der kleinere Junge auch nur eine Hand erhoben hatte. Eine Ratte baumelte an seinem Finger. Lyssa stolperte erschrocken zurück, konnte nur hilflos zusehen, wie Goyle seine Hand schüttelte und die Ratte schließlich gegen die zum Glück geschlossene Fensterscheibe klatschte. Die drei Jungs hauten sofort ab, Draco zog Lyssa hinter sich her, die viel lieber nachgesehen hätte, ob es dem armen Tier gut ging.

Sie ließ sich, bei ihrem eigenen Abteil angekommen, sofort wieder auf ihren Platz fallen und zog nochmal das Buch hervor. Die Fahrt dürfte zwar nicht mehr sehr lange dauern, Mutter hatte gesagt, sie würden wohl kurz nach Sonnenuntergang ankommen und die Sonne berührte schon den Horizont, aber das Mädchen hatte jetzt keine Lust auf irgendwelche Gespräche. Eine laute Stimme riss sie aus dem Lesefluss. "In fünf Minuten kommen wir in Hogwarts an. Bitte lassen Sie ihr Gepäck im Zug, es wird für Sie zur Schule gebracht." Aufgeregt packte Lyssa das Buch und die Schokofrösche in ihren Koffer, steckte Powl noch einen Keks zu und drängte sich dann zusammen mit den anderen fünf auf den Gang. 

Lyssa - Eine Malfoy in Gryffindor - Band 1Onde histórias criam vida. Descubra agora