Kapitel 3 _ Abschiedsworte am Bahnhof

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Der letzte Monat zu Hause verging wie im Flug. Und einen Großteil der Zeit auch fliegend, es verstand sich von selbst, dass die Malfoy-Kinder die besten Schüler in den Flugstunden sein würden. Auch wenn sie zum großen Bedauern beider keine eigenen Besen bekommen hatten. Doch Vater hatte ihnen hoch und heilig versprochen, dass sie nächsten Sommer welche kaufen würden. Und das reichte ihnen, Vater hielt immer seine Versprechen.

Am 1. September versammelte sich die Familie pünktlich um 10Uhr im Salon. Mit einem Schnipsen rief Lucius Dobby herbei, der die beiden großen Koffer transportieren sollte. Dann nahm er seinen Sohn an die Hand, während Lyssa sich an der ihrer Mutter festhalten sollte, die den Käfig mit ihrer neuen Eule darin fest in der anderen Hand hielt. "Wir landen im 'Spitzhut', von da aus müssen wir uns dann wie Muggel verhalten", wiederholte er den Plan und die anderen drei nickten. Der kleine unauffällige Laden war die einzige Möglichkeit, durch Apparieren am Bahnhof zu landen und daher vor allem bei den reinblütigen Zauberern sehr beliebt.

Mit einem leisen Plop erreichte die Gruppe ihr Ziel und Lyssa hielt sich den Kopf. Sie hasste diese Art zu Reisen, wusste aber, dass es keine andere Möglichkeit gab, zum Zug zu kommen. Zumindest keine angemessene. Ein zweiter Plop ertönte und Dobby landete mit den beiden Koffern neben ihr. Dankbar, mit dem Rücken zu ihrem Vater, lächelte sie ihn an und er verneigte sich, bevor er wieder verschwand. Die Befehle waren klar gewesen, der Bereich draußen war voller Muggel, also durfte der Hauself nicht gesehen werden. Sie hatten noch fast eine Stunde Zeit bis zur Abfahrt des Zuges, aber die Zwillinge waren sich einig, dass sie lieber zu früh am Bahnsteig sein wollten. Außerdem wollte sie sich mit ihren, oder eher Dracos, Freunden treffen und gemeinsam Plätze im Zug suchen. Also griff sich jeder seinen Koffer und stürzte sich dann in die Menge.

Lucius' Aura war feindselig und sorgte dafür, dass die Scharen von Muggel auf Abstand blieben. Fasziniert sah Lyssa sich um. Sie hatte außerhalb der Winkelgasse noch nie so viele Menschen auf einem Haufen gesehen und schon gar keine Muggel. Hin und wieder erspähte sie eine kleine Gruppe, von denen mindestens eine Person auch solch einen großen Koffer mit sich zerrte wie sie selbst, manche von ihnen hatten auch einen Käfig mit einer Eule dabei.
Es dauerte doch einige Zeit, bis sie die Säule, den geheimen Weg nach Gleis 9 ¾, erreicht hatten. Lucius und Draco gingen als erste, doch als Narzissa ihnen folgen wollte, hielt Lyssa ihre Mutter zurück. Eine Frage brannte in ihrer Seele, seitdem sie den Brief das erste Mal in der Hand gehalten hatte. Aber vor ihrem Vater und Draco hatte sie sich nicht getraut, sie auszusprechen.
"Was ist denn Liebling?", fragte Narzissa besorgt und kniete sich vor ihre Tochter. Lyssa schluckte, jetzt oder nie. "Was ist...", sie stockte, setzte erneut an: "Was ist, wenn ich nicht nach Slytherin komme?" Nervös sah sie ihre Mutter an, spürte, wie langsam Wasser in ihre Augen stieg, je länger keine Antwort kam. Dann schloss Narzissa sie in ihre Arme. "Wir werden dich immer lieben", flüsterte die Erwachsene ruhig: "Ganz gleich, in welches Haus du eingeteilt wirst. Du bist so klug, dass du auch gut nach Ravenclaw passen könntest. Und auch wenn du es noch nicht weißt, du bist verdammt mutig, meine Prinzessin. Ich werde auch stolz auf dich sein, wenn du nach Gryffindor kommst." Lyssa lachte gelöst und drückte sich noch einmal fest an ihre Mutter.
Hand in Hand, Narzissa zog jetzt den Koffer, schlenderten die beiden auf die Säule zu und mitten hindurch. Der männliche Teil der Familie Malfoy wartete bereits ungeduldig, vor allem Draco wirkte ziemlich zappelig. Er hatte anscheinend bereits ein paar Freunde entdeckt und wollte endlich zu ihnen. Aber er hatte seiner Mutter das Versprechen geben müssen, auf seine schüchterne Schwester zu achten und daher konnte er jetzt nicht einfach los. Lyssa, die ihm keinen Grund geben wollte, wütend auf sie zu werden, lächelte ihn an und verabschiedete sich dann schnell von ihren Eltern. "Wir sehen uns dann in den Weihnachtsferien", sagte Lucius steif und die Kinder nickten. "Und macht eurem Haus keine Schande", fügte er noch hinzu, bevor die Zwillinge ihren Eltern den Rücken zu kehrten und ihre Koffer zu ihren Freunden zogen.

Diese waren nicht wirklich zu übersehen, Crabbe und Goyle überragten die anderen Erstklässler um einiges und sorgten mit ihren grimmigen Mienen zusätzlich dafür, dass ihnen niemand sonst zu nahe kam. "Suchen wir uns ein Abteil", sagte Draco zur Begrüßung und Lyssa bemühte sich, ebenso ernst und überheblich zu schauen wie er. Die beiden anderen grunzten nur, aber das Mädchen wusste schon, dass sie nie viele Worte verloren. Ihre Freundschaft war in ihrer Sicht nur in so weit praktisch, dass keiner der Malfoys die schweren Koffer selbst in den Zug wuchten musste. Da sie alle recht früh gekommen waren, fanden sich noch einige freie Abteile und so dauerte es nicht sehr lange, bis die vier einen Platz in der Mitte des Zuges gefunden hatten.
"Ich geh nochmal raus", meinte Lyssa, sobald sie den Käfig mit Powl abgestellt hatte. Sie wusste, dass Draco erst ein bisschen alleine mit den beiden reden wollte, prahlen, was er alles seit ihrer letzten Begegnung tolles getan oder bekommen hatte und dieses Vergnügen ließ sie ihm. Außerdem fehlten noch Pansy und Theodore, um ihre Gruppe komplett zu machen. Für Lyssa war Pansy nur eine verwöhnte Zicke, der schon längst von ihren Eltern eingebläut worden war, dass sie Draco irgendwann heiraten würde. Theodore dagegen war der einzige von ihren Besuchern, mit dem Lyssa halbwegs klar kam. Er war ein Einzelgänger, genau wie sie und sie wusste, dass er nur zu ihnen gekommen war, weil sein Vater es von ihm verlangt hatte. Genauso wie Lyssa die Anwesenheit der anderen nur ertragen hatte, weil ihr Vater es so wollte.

Während sie wartete, sah sie sich neugierig am Bahnsteig um. Die vielen anderen Schüler machten ihr zu gleichen Teilen Angst und faszinierten sie. Hier vor sich sah sie den Beweis, dass es den Muggeln nicht gelungen war und wohl niemals gelingen würde, die Zauberer auszurotten. Auch wenn es leider immer mehr Zauberer gab, die sich auf Muggel einließen. Und die Zahl der muggelgeborenen Hexen und Zauberer hatte über die Jahrzehnte hinweg auch stetig zugenommen. Vielleicht, so hoffte die Erstklässlerin, würde in einem ihrer Fächer der Grund dafür behandelt werden. Eine schrille Stimme riss sie aus ihren Überlegungen. "Lyssa, wo ist dein Bruder?" Unsanft wurde ihr ein Küsschen rechts, ein Küsschen links aufgezwungen und dann eine Umarmung. Verschreckt blinzelnd entdeckte sie Mr und Mrs Parkison ein paar Schritte entfernt, zwischen ihnen ein wahrhaft riesiger Koffer. Die beiden lächelten sie freundlich an, als sie sich von dem Klammergriff ihrer Tochter befreite. "Pansy, wie schön dich zu sehen!" Lyssa hatte ihre 'ich bin ein Mädchen und steh auf pink'-Stimme ausgepackt. "Draco ist schon im Zug, er hält uns Plätze frei." Sofort löste Pansy sich und eilte, Lyssa hinter sich her ziehend, zu ihren Eltern. "Daddy, hebst du bitte meinen Koffer in den Zug. Draco wartet schon auf mich", erklärte sie und ließ sich von Lyssa die richtige Tür zeigen, bevor sie endlich los ließ. "Ich komm dann nach, ich warte noch auf Theo", verabschiedete sich die Blonde sofort, für heute hatte sie eigentlich schon wieder genug von dem anderen Mädchen. Und die Zugfahrt hatte ja noch gar nicht angefangen.
Zum Glück verging noch fast eine halbe Stunde bis die Notts am Bahnsteig erschienen. Theo war noch nie der pünktlichste gewesen und seit dem Tod seiner Mutter war es nur noch schlimmer geworden. Aber Lyssa störte das nicht, heute war sie sogar überaus froh darüber. Da es inzwischen allerdings, wie ein Blick auf die große Uhr verkündete, bereits viertel vor elf war, stiegen die beiden sofort in den Zug. "Lass mich raten, Standard-Konstellation", grummelte Theo, als Lyssa ihn zu ihrem Abteil führte. Kichernd nickte sie, schaffte es aber, wieder eine fröhlich-ernste Miene aufzusetzen, bevor Draco sie sehen konnte.

Pansy hatte sich gegenüber von Draco hingesetzt, vermutlich, da Powls Käfig auf dem Platz neben ihm stand, wo Lyssa sich jetzt hinsetzte. Theo ließ sich ihr gegenüber nieder, Crabbe und Goyle hatten sich die Plätze neben der Tür ausgesucht. Vermutlich wollten sie Wache halten, im Haus der Malfoys war oft genug davon geredet worden, dass die beiden kräftigen für die Sicherheit des eher schmalen Jungen zuständig waren.
Dieser redete immer noch munter vor sich hin, Pansy hing mit bewunderndem Blick an seinen Lippen. Lyssa lauschte kurz, ihr Bruder erzählte gerade von der grauenhaften Behandlung, die diese offenkundig schlammblütige Mitarbeiterin bei Madam Malkin ihm hatte zuteilwerden lassen. Grinsend kramte das Mädchen 'Zaubertränke und Zauberbräue' hervor, das einzige ihrer neuen Schulbücher, das sie noch nicht mehrmals gelesen hatte. Als sich der Zug in Bewegung setzte, war sie schon so vertieft in die Seiten, dass sie es gar nicht richtig bemerkte.

Lyssa - Eine Malfoy in Gryffindor - Band 1Where stories live. Discover now