Kapitel 9- Der Fremde

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Unsanft wachte ich auf und stellte fest, dass die Lichtung immer noch da war. Und alles war so, wie ich es gestern gesehen und in Erinnerung hatte. Ich stand auf und setzte mich an den Rand des Felsen. Es war ruhig, die Luft war klar und die Vögel zwitscherten ihre Melodien. Ich blickte in die Ferne und genoss die Stille. Es war schön die Peitschen Schläge die Schläge und die bösen Worte die sie mir immer zugesprochen hatten, endlich vergessen zu können. Hoffentlich.
Ich stand wieder auf und ging zurück, doch plötzlich packte mich jemand und riss mich zu Boden. Doch es waren nicht meine Eltern, sie würden mich anders anfassen und hätten vorher irgendetwas gesagt.
Ich landete auf dem Boden und wurde nun festgehalten. „ Was machst du hier?“, fragte die Person und nun wusste ich, dass es ein Junge war. Ich richtete meinen Blick in Richtung seines Gesichts. Er schaute mich abwartend an. Aber als ich versuchte etwas zu sagen, kam nichts raus, stattdessen hustete ich vor mich hin. Der Junge löste seinen festen Griff ein wenig und schaute mich einfach nur an. Nachdem es dann wieder einigermaßen ging, setzte ich mich hin und versuchte es erneut, doch wieder kam nichts raus. Er schaute mich weiterhin an. Und ich versuchte gefühlte tausend weitere Male zu sprechen, aber jeder weitere Versuch scheiterte wie jeder andere vorher auch und dann gab ich es einfach auf und ließ mich weiter auf den Boden sinken.
Sein Blick hatte sich jetzt von abwartend zu fragend geändert. „Warum sprichst du nicht?“, fragte er, aber wieder gab es keine Antwort von mir. Ich überlegte, wie ich ihm beibringen konnte, dass ich nicht sprechen konnte. Schließlich kam mir die Idee, dass ich ja versuchen konnte, die Wörter in den Boden zu ritzen, wenn ich denn in der Lage war, überhaupt noch zu schreiben.

Ich stand auf und suchte einen Stock. Der fremde Junge musterte mich nur. Nach dem ich dann einen geeigneten Stich gefunden hatte, ging ich zurück zu ihm und begann zu schreiben: Ich habe das Sprechen verlernt.
Seine Antwort darauf war, wie geht das denn?
Das was ich jetzt schreiben musste, viel mir schwer, doch ich musste es ihm irgendwie sagen. Also schrieb ich:  in der Grundschule  haben mich immer alle als schwach bezeichnet und haben mich als ihr Spielzeug benutzt. Ich habe  immer versucht ein starkes Mädchen zu sein. Im Sportunterricht sollten wir uns gegenseitig Bälle zu werfen. Dort hat mich ein Mitschüler dann mit einem Ball abgeworfen. Und gesagt, ich könnte das nicht. So kam es, dass ich wütend wurde und  ihm den Ball voll zurückgeschleudert habe, so, das er auf dem Boden lag und ich  wurde darum nach Hause geschickt  dies fanden meine Eltern gar nicht gut. Sie überlegten sich eine Strafe und diese war schließlich die Schlägerei.
Sie schlugen mich traten mich und sagten mir immer wieder, dass mich jeder auf der Welt hasst. Ihre Schläger waren überall: an den Beinen am Bauch auf dem Rücken ich Gesicht am Hals... Und ab dem Tag habe ich nicht mehr gesprochen.

Er starrte mich ungläubig an und bat mich zu versuchen einmal Hallo zu sagen. Doch es kam nur eine Art rasseln aus meiner Kehle.
Betrübt sah er zu Boden. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass es schon in Ordnung sei, aber das stritt er immer wieder ab und sagte dann: Ich werde dir helfen. Ich hatte das Gefühl, dass es ihm leit tat, wie er auf mich losgegangen war und ich glaube er war ein wenig überfordert.
Ich ritze erneut etwas in den Boden: Ich spreche seit ca. 10 Jahren nicht mehr, es ist für mich zu Gewohnheit geworden. Ich glaube ich schaffe das nicht.
Doch seine Antwort darauf war klar und deutlich: Negativ denken hilf nie! Wir kriegen das hin. Und wenn du wieder sprechen kannst, dann gehen gemeinsam zu deinen Eltern und du sagst ihnen mal die Meinung.
Doch ich konnte nicht anders und musste ihm wieder sprechen: Aber warum willst du mir helfen? Ich meine wie lange kennen wir uns? 20 Minuten?
Seine Antwort: Egal, du hast es nicht verdient, ich meine, ich hätte genauso reagiert, wie du damals bei dem Jungen!

Irgendwie war es erstaunlich, dass er einfach so offen war und einem wildfremden Mädchen einfach so helfen wollte. Und erst jetzt fiel mir ein, dass ich nicht mal seinen Namen kannte. Also fragte ich: Wie heißt du eigendlich?
Er schmunzelte und schrieb: Natürlich, wir sind aber auch blöd, ich heisse Harry und du?
Ich heisse Alana. Antwortete ich und grinste.

Die Zeit verstrich so schnell an uns vorbei und irgendwann merkten wir auch mal, dass die Sonne sich vom heutigen Tag verabschiedete und der Mond herauskommen würde um die Nacht zu erhellen.
Ich stand vorsichtig auf und setzte mich auf die Kante und musste leicht schmunzeln, als ich seinen “Angriff“ auf mich noch einmal in meinem Kopf abspielen ließ.
Ich merkte, wie Harry sich neben mich setzte und gemeinsam sahen wir der Sonne beim untergehen zu.

Nun, was soll ich sagen? So wird ein eigentlich total Fremder Mensch, ganz schnell zum Vertrauten.

AloneWhere stories live. Discover now