Großes und kleines Volk

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Thranduil
Ich ritt weiter die große Oststraße entlang und lauschte aufmerksam meiner Umgebung, ständig bereit, mich zu verteidigen. Durch meine Blindheit war ich sehr verletzlich und die Tatsache, dass ich alleine war, machte es nicht besser, doch ich wusste, dass ich alle anderen schützen konnte, indem ich Bruchtal verließ. Im Schutz der Nacht war ich heimlich aus Bruchtal aufgebrochen. Nur Gimli wusste, wohin ich ging, da er mich leider bei meinem Vorhaben erwischt hatte. Allerdings hatte er mir geschworen, zu schweigen wie ein Grab. Für alle anderen hatte ich einen Brief in meinem Zimmer hinterlassen, indem ich erklärte, dass es für sie alle sicherer war, wenn ich Bruchtal verließ und in einer weniger bekannten, unwahrscheinlicheren Gegend für eine Weile untertauchte, da Celleth nach mir suchen würde, bis er mich gefunden und getötet hätte. Zudem bedankte ich mich bei Elladan und Elrohir, die nun die Herren Bruchtals waren, da ihr Vater Elrond nach dem Ringkrieg in den Westen gesegelt war, für ihre Gastfreundschaft und Fürsorge. Nun ritt ich schon seit mehreren Tagen die große Oststraße von Bruchtal nach Bree entlang, immer mit meiner Kapuze tief ins Gesicht gezogen, damit man mich zum einen nicht erkannte und zum anderen meinen kalten, blinden Blick zumindest nicht sofort bemerkte. Momentan war alles ruhig und ich nahm keine verdächtigen Geräusche wahr, bis ich plötzlich entfernt die Hufschläge eines Pferdes hörte. ,,Delio (wörtl.: Verberge dich/ verbergt euch)", flüsterte ich meinem Pferd zu. Es schnaubte leise und ich spürte, wie es nach rechts von der Straße abbog und schließlich stehenblieb. Ich wusste nicht, wie es hier aussah, aber mittlerweile vertraute ich meinem Pferd, sodass ich mir ziemlich sicher war, relativ gut versteckt zu sein. Ich hörte die Hufschläge des fremden Pferdes näherkommen, bis sie schließlich stoppten. ,,Ich weiß,  dass Ihr hier irgendwo seid!", hörte ich den Reiter des Pferdes laut sagen. Es war die tiefe, brummige Stimme von Gimli. Was in aller Welt tat er denn hier? ,,Was tust du hier, Gimli?", fragte ich, allerdings ohne mein Versteck zu verlassen. ,,Ich lasse Euch auf keinen Fall alleine. Euer Sohn würde das nicht wollen", antwortete Gimli, nannte aber mit Absicht nicht Legolas Namen, da wir uns auf offener Straße befanden, und, weil es mich noch zu stark schmerzte, seinen Namen zu hören. Warum nur war er gestorben? Warum hatte er mich alleine gelassen? Und was hatte Celleth mit seinem Tod zu tun? Alle diese Fragen würden nie beantwortet werden, denn er war tot. Legolas war tot. Hätte ich ihn nicht gehen lassen, wäre das jedoch nie passiert. Ich schüttelte den Kopf, um die traurigen, belastenden Gedanken zu verdrängen. ,,Keine Sorge, ich bin alleine", sagte Gimli, ,,Ihr könnt Euer Versteck verlassen." Mittlerweile vertraute ich dem Zwerg, weshalb ich meinem Pferd leise die Anweisung gab, zu ihm zu gehen, was es auch sofort tat.
Schließlich ritten wir gemeinsam weiter nach Bree und erreichten die Stadt und somit auch die Grenze des Auenlandes nach zwei weiteren Tagen. Wir übernachteten im Gasthaus zum Tänzelnden Pony und ritten am nächsten Tag weiter in Richtung Hobbingen. ,,Wohin genau wollt Ihr eigentlich? ", fragte Gimli mich. ,,Ich will Merry oder Pippin ausfindig machen, vielleicht auch beide, und sie um Unterschlupf für einige Zeit bitten", erklärte ich dem Zwerg leise, ,,Denn wer würde einen Elb wie mich schon hier vermuten? Wer würde überhaupt Elben hier vermuten?" ,,Ein guter Plan", meinte Gimli, ,,Dort vorne lichtet sich der Wald und dahinter sehe ich sanfte, grasbewachsene Hügel mit Türen und Fenstern darin. Ich glaube, wir haben Hobbingen erreicht." ,,Am besten wir fragen uns durch", meinte Gimli nach einer Weile und sprach im nächsten Moment mit zwei Hobbits, soweit ich das hören konnte. Leider konnten diese uns keine Auskunft geben, also ritten wir langsam ein paar Straßen entlang. Wie gerne hätte ich die Gegend gesehen, auch wenn es mittlerweile Winter war und auch hier bald der erste Schnee fallen würde. Auf meine Bitte hin beschrieb Gimli die Gegend ein wenig. ,,Bei meinem Bart", stieß Gimli plötzlich hervor, ,,Na wenn das dort vorne nicht Samweis Gamdschie ist. Mit Frau und Kindern. Folgt mir." Mein Pferd folgte dem von Gimli mittlerweile von selbst und blieb kurz darauf stehen. ,,Das glaub ich jetzt nicht", hörte ich kurz darauf die Stimme eines Hobbits, ,,Was führt dich denn hier her, Gimli?" ,,Lange Geschichte", antwortete Gimli ausweichend. ,,Und dein Begleiter? Noch immer Legolas?", fragte Sam. Daraufhin herrschte kurz Stille. ,,Es tut mir leid, aber Legolas weilt nicht länger unter uns", brachte Thranduil schließlich hervor. ,,Was!?", war das Einzige was Sam im ersten Moment hervorbrachte, ,,Aber...wie? Wo? Warum? Und wer seid Ihr dann?" ,,Nicht hier", sagte ich leise, ,,Ich bin auf der Flucht." ,,Oh...ähm...na dann würde ich vorschlagen, dass wir reingehen", meinte Sam. Einen Augenblick später saßen Gimli und ich auf zwei Stühlen in Hobbitgröße. Für mich war das zwar viel zu klein, aber ich sagte nichts. ,,Auch wenn sie nichts sagt, weiß ich, dass sich eine weitere Person hier befindet", sagte ich, ,,Und wer auch immer es ist, ich möchte sie bitten zu gehen. So wenig Leute wie möglich sollten wissen wer ich bin. Selbst hier im Auenland." ,,Natürlich", sagte eine Frauenstimme und einen Augenblick später hörte ich, wie sich leichtfüßige Schritte entfernten und sich eine Tür schloss. ,,Was um alles in der Welt ist hier los?", fragte Sam verwirrt. ,,Ich werde alles erklären, allerdings müsst Ihr bei allem was Euch teuer und heilig ist selbst unter schlimmster Folter schwören, niemandem von mir zu erzählen", antwortete ich. ,,Ich schwöre", hörte ich Sam entschlossen sagen. ,,Gut", murmelte ich und wandte mich dann an Gimli: ,,Schließ bitte alle Fensterläden, Gimli." Kurz darauf hörte ich, wie der Zwerg meiner Bitte folgte und sich schließlich wieder neben mir niederließ. Ich nahm meine Kapuze ab und spürte sogleich Sams Blick auf mir. "Ich bin Thranduil Oropherion, Legolas Vater und König des Düsterwaldes", stellte ich mich vor, auch wenn es mir schwerfiel, Legolas' Namen zu nennen. "Aber...wenn Ihr der König seid, warum seid Ihr dann auf der Flucht?", fragte Sam schließlich. "Das ist eine sehr lange Geschichte, Samweis Gamdschie", sagte ich und begann zu erzählen, was sich im letzten Jahr alles zugetragen hatte. Ja, mittlerweile war es beinahe ein Jahr her, seit ich erblindet und Legolas und Gimli aufgebrochen waren, um die Feuerrose zu finden. Schweren Herzens erzählte ich Sam von der Nachricht, dass Legolas tot war und musste mich schließlich sogar unterbrechen, da ich meine Tränen nicht länger aufzuhalten vermochte. Gimli erzählte den Rest der Geschichte, während ich krampfhaft versuchte, mich wieder halbwegs unter Kontrolle zu bringen. ,,Jetzt sind wir auf der Suche nach Merry und Pippin, um bei einem von ihnen für eine Weile unterzukommen", beendete Gimli die Erzählung. ,,Ich kann euch zu Pippin bringen", sagte Sam, ,,Er wohnt etwas weiter abseits wie Merry. Ich denke, das wäre in...eurer Situation ideal." Ich nickte nur wortlos und wischte die letzten Tränen von meinen Wangen.

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Endlich geht die Geschichte rund um Thranduil, Legolas, Celleth und die Feuerrose weiter.
Was meint ihr, wird noch alles passieren?
LG Anna🌺

Kissed by Fire ⚜A Middleearth Story | Book 3⚜Where stories live. Discover now