Der Flüchtling

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Wie immer beginne ich meinen Tag mit einer dampfenden Tasse Kaffee auf dem Balkon. Es herrscht wirklich mal „Blockruhe". Angst hier oben zu stehen hab ich nicht mehr. Vielmehr genieße ich die Aussicht. Ich lasse gerne meine Blicke über die anderen Türme schweifen. Höre auch gerne mal genauer hin wenn sich jemand unten im Hof streitet. Besonders interessiert mich jeden Morgen der Abfall, der über Nacht aus den Fenstern geworfen wurde. Gestern hat unser „Besenmännchen" fast ein Wäschegestell abbekommen. Er konnte gerade noch ausweichen. Müsste eigentlich einen Helm tragen!

Da unten ist er wieder! Der kleine Junge! Ich beobachte ihn schon seit einigen Tagen. Ich glaube er sucht etwas zu essen. Kramt dauernd in den Mülltonnen rum. Schätze mal der ist so um die 13 Jahre alt. Na dann mal los! Vielleicht kriege ich ihn noch.

Ich stürze die Tasse Kaffee hinunter und nehme lieber den Fahrstuhl. Nicht das ich noch im Treppenhaus vor lauter Hektik stürze. Draußen ankommen atme ich erstmal kräftig die frische Luft ein. Da hinten ist er! Vorsichtig pirsche ich mich ran. Wir wollen ihn ja nicht gleich erschrecken. Heidi meint ich sollte meine Nase nicht in alles hineinstecken was hier herumläuft. Das wären viel zu viele Probleme auf einmal. Aber so bin ich halt. Meine Frau Hilde hat auch immer gesagt: „Heinz! Du hast ein viel zu großes Herz, du kannst nicht die ganze Welt ernähren!" Das sagte sie aber auch nur weil ich immer einige Süßigkeiten für die Kinder unter dem Ladentisch hatte. Doch der Kleine gefällt mir! Er hat einen kleinen, gelben sehr schmutzigen Rucksack dabei und trägt er eine blaue Jeans und ein blau, weiß gestreiften Pulli. Darüber eine viel zu dünne grüne Jacke für diese Jahreszeit. Oh! Er geht in die Richtung von unserem Büdchen. Das passt ja!

Auf dem direkten Weg zum Kiosk passt mich Heidi ab. „Hab dich schon in geduckter Spionagehaltung gesehen!" Grinst sie. „Sehr verdächtig Heinz, sehr verdächtig! Irgendwelche Einbrecher überrascht oder warum hast du da hinten im Gebüsch gehockt?" „Der Kleine ist wieder da und er ist auf dem Weg zu unserem Büdchen!" Neugierig schaut sie sich um. „Na dann mal los mein Lieber!" Jetzt sind wir beide in gebückter Haltung unterwegs. Immer im Schutz der Büsche. „Da ist er direkt an der Bude!" Ich zeige vorsichtig in die Richtung. Heidi lehnt sich an meiner Schulter an um meinem Finger zu folgen. Das lenkt mich aber wieder ab und ich muss mich abstützen da ich ins Straucheln gerate. „Na Sherlock! Auch nicht mehr der Jüngste!" Ihre Augen strahlen mich an und ihr warmes Grinsen trifft mich direkt. „Lass... uns... rübergehen...!" Fang ich an zu stottern. Nein! Stottern war es nicht! Bezeichnen wir es als befangen!

Wir tun so als hätten wir ihn gar nicht bemerkt und steuern auf unsere Arbeitsstelle zu. „Du kannst ihn ja gleich mal ansprechen", flüstere ich Heidi zu. „Warum ich? Kannst du doch genauso gut!" Aber auch Heidi hat ein weiches Herz und als ich die Tür aufschließe kniet sie sich vorsichtig zu ihm hinunter. Der Kleine schaut sie erschrocken an und möchte am liebsten gleich schon die Flucht ergreifen. Aber Heidis weiblicher Instinkt hat in schnell beruhigt und er bleibt gelassen sitzen.

Ganz in Ruhe schließe ich das Büdchen auf und öffne erst einmal die Fensterläden. Als ich mich schon eine ganze Weile mit der neuen Ware beschäftigt habe, stehen die beiden plötzlich im Türrahmen. „Ich mach uns erstmal einen heißen Kakao!" Heidi nickt zustimmend und sieht dabei recht besorgt aus. Als ich ihm den Kakao unter die Nase halte wird sein Gesicht von einem erfreuten Lächeln erhellt. „Na dann, lass es dir schmecken!" Ich denke man sollte immer unbefangen auf Kinder zugehen. Man sieht ja in welcher Situation er sich befindet. Nicht nur seine Jacke ist wohl von den Sonnenstrahlen ausgeblichen, nein, auch sein Gesicht und die Haare könnten eine warme Dusche vertragen.

„Hast du schon herausgefunden wie er heißt?" Heidi lächelt mich an: „Das ist Karim!" Ich proste ihm mit meiner Tasse zu. „Hallo Karim, ich bin Heinz. Hab ihr euch auch schon bekannt gemacht?" „Klar haben wir!" Heidi wuselt ihm freundschaftlich durchs Haar. Der Kleine gefällt mir. „Was machst du hier? Ich hab dich schon die ganzen Tage beobachtet! Suchst du jemanden?" Da Karim schwer mit seinem Heißgetränk beschäftigt ist, springt Heidi für ihn ein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 27, 2016 ⏰

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