Tag 3

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5 Uhr 20 Bin wach! Die Familie über mir hat die Kinder durch die Wohnung gescheucht. Muss mich bei Heidi mal nach denen erkundigen. Ob die wohl nicht die richtigen Weihnachtsgeschenke bekommen haben? Da ging richtig die Post ab. Der Vater hat ganz schön rumgeschrien und die Kinder haben geweint. So was hat es bei uns nie gegeben. Die Weihnachtszeit war wirklich immer friedvoll. Auch wenn ich nicht so der Fan dieser Zeit bin aber die Ruhe fand ich immer klasse. Ich brauch jetzt erstmal einen starken Kaffee.

Habe mich gerade im Spiegel angeschaut. Wenn meine Gisela mich so sehen würde. Die Hände hätte sie über dem Kopf zusammengeschlagen. Seit dem Umzug habe ich die selbe Hose an. Neues kaufen ist nicht! Zu wenig Geld! Aber Gisela hat mich damals schon gut ausgestattet und die Kinder haben auch darauf geachtet. Hab halt nicht so den Bezug zur Kleidung.

So! Kaffee ist fertig auf zu meinem Lieblingsplatz. Der Tisch ist eine Wucht. Drüben sind sie auch schon wach. Ich brauch unbedingt dieses Fernglas. Wie früh die Menschen schon unterwegs sind und das am zweiten Weihnachtstag, erstaunlich. Die müssen bestimmt früh raus um die lieben Verwandten zu besuchen. Etliche Fernseher sind schon am Laufen. Das Weihnachtprogramm ist doch für 'n Eimer. Früher habe ich mit meinen Mädels immer vor dem Weihnachtsmehrteiler gesessen. Tim Thaler, Patrik Pacard und Jack Holborn waren klasse. Anna war natürlich der Renner! Daraufhin wollten beide unbedingt zum Ballett. „Ist zu teuer!" Habe ich gesagt und dann war Ruhe. Gott sei Dank gab es noch einem Spielfilm da hing der Haussegen wieder gerade.

Das Bollern hat wieder angefangen und der Vater schreit wieder rum. Selbst das Geschirr hat vibriert. Was machen die da oben? Bin eigentlich nicht der Typ dafür aber ich geh mal lauschen ob man im Treppenhaus was hört. Der ranzt die Kleinen an das hört man bis zu meiner Wohnungstür. „Hallo Heinz!" Heidi kann auch wegen dem nicht schlafen.

„Den kann hier keiner ab! Ist Vater von drei Kindern. Sei alleinerziehend hat er gesagt. Hat bei uns auf die Tränendrüse gedrückt. In den ersten Wochen hat er auch echt Mitleid von uns bekommen. Doch dann kam heraus das er mehr als drei Kinder hat!"

Ich bitte Heidi rein und kredenze ihr eine schöne, heiße Tasse Kaffee. Das Thema interessiert mich halt. Am Büdchen habe ich das auch immer so gemacht. Meine Kinder sagten immer ich sei das Facebook der Straße.

Über den Typen hat sie nachgeforscht. Nicht drei, nicht neun viel, viel mehr Kinder hätte er von verschiedenen Frauen. Ich bin ja nicht schnell platt aber diese Geschichte. Bei uns in der Nachbarschaft gab es halt so etwas nicht. Es war eine gutbürgerliche Gegend. Ich merke schon hier im Block pulsiert das Leben. Heidi erzählt sie glaube er würde sich den Armen des Jugendamtes entziehen wollen. Die trauen sich einfach nicht hier rein. Haben zu viel Schiss in ihren Hosen, wenn sie nur den Namen des Brennpunkts hören. „Der schlägt sie auch da bin ich mir sicher!" Sagt sie ohne mit der Wimper zu zucken. Auf so einen habe ich gerade noch gewartet. „Hatte letztes Jahr seinen Sohn im Krankenhaus. Hat uns gesagt er sei die Treppe runtergefallen aber im Krankenhaus soll er eine ganz andere Geschichte erzählt haben. Einen Monat später kam der zweite Sohn auch in die Notfallambulanz. Hatte Prellungen und der Sozialdienst wurde eingeschaltet wegen Kindeswohlgefährdung. Doch wenn du in Deutschland eine große Klappe hast kannst du die vom Amt so richtig einschüchtern. Das ist ihm gelungen sag ich dir. Den hört man manchmal oben in der Wohnung telefonieren so ein Organ hat der. Selbst unten im Hof ist seine Stimme immer präsent. Droht uns dauernd mit seinen Anwälten, wenn wir uns einmischen".

Ich muss wohl irgendwie dumm geguckt haben mit einmal gerät Heidi ins Stocken. „Ah! Ich sehe es dir an der Nasenspitze an! Du denkst ob das alles so stimmt! Ich kann dich beruhigen! Wir haben unserem Jugendamt den Tipp gegeben. Doch als die schon seinen Nachnamen hörten waren sie still. Die kennen ihn schon seit Jahren. Sozialarbeiter, deren Teamleitung, Ärzte und die Polizei hier im Block. Aber keiner traut sich so richtig an ihn ran. Wollen die Familie nicht auseinanderreißen das ist immer das Hauptkriterium. Die Kinder sind denen wohl egal. Ob sie mit blauen Flecken rumlaufen oder nicht. Die vom Amt sind angeblich alle überlastet wegen unseren Flüchtlingen obwohl er ihnen schon seit Jahren bekannt ist".

Herr Böttcher - Geschichten aus dem BlockWo Geschichten leben. Entdecke jetzt