XXXIII.

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Ich konnte mich nicht darauf konzentrieren was wir bei Manu machten - oder was die anderen sagten.
Ich bin es Leid in Gedanken fest zu sitzen. Ich versuchte jegliche Frustration abzuschütteln und nicht nur körperlich Anwesend zu sein. Ich hatte ein unglaubliches Glück das Felix zur Therapie musste, jetzt war meine Sucht etwas kontrollierbarer.
,,Wir könnten ja trotzdem mal fragen",war das Erste was ich hörte, neben meinen Gedanken. ,,Als ob die uns nochmal aufs Dach lassen",schüttelte Ardy den Kopf. ,,Fragen kostet nichts",sagte Palle enthusiastisch. ,,Wenn du meinst es muss sein, können wir fragen",seufzte Dner. Schon standen alle auf und ich - auch wenn ich keine Lust hatte - ebenfalls. Wir gingen zu einer Krankenschwester, die uns schon so ansah, als würden wir mal wieder nach Taddl fragen. ,,Können wir aufs Dach?",fragte Izzi. ,,Alex, Felix, Sebastian, Ardian und Patrick?",fragte Sie. ,,Und Manuel." ,,Okay, bringt den Schlüssel danach zurück." Izzi nickte und wirkte erstaunt über die schnelle Entscheidung der Krankenschwester.
,,Sollen wir noch auf Felix warten?",fragte Palle. ,,Der wird schon nachfragen",antwortete Ardy.
Wir gingen die Treppen bis zu den zwei Türen hoch. Die rechte konnten wir aufschließen.
Das gedämpfte Licht der Abendsonne schien schräg auf uns herab. Ich weiß nicht genau warum Psychos, in einer Psychiatrie, dieses Dach so Wertschätzen. Ich gehöre definitiv nicht zu denen, die sich an den hohen Zaun stellen und fast glücklich auf das unten geschehene Leben blicken. Sie freuen sich alle über die Sonne, die frische Luft und den kurzzeitigen Freiraum. Ich finde es ehrlich gesagt noch deprimierender hier. Man muss durch einen Zaun auf das Leben völlig normaler Menschen sehen, die frei herumlaufen und nicht in einem umzäunten Gefängnis festsitzen. Zu wissen das unsere kleine Freiheit auf ein  40 Quadratmeter  Dach beschränkt ist, ist meiner Meinung nach nichts tolles. Man kann sich nicht über etwas freuen was daraufhin vorbei ist. Man kann es für wichtig empfinden, da es das letzte mal sein könnte. Das letzte mal frische Luft, das letzte mal normales Leben sehen. Die anderen freuen sich immer darüber, sie fühlen sich hier freier, normaler - was ich wirklich nicht nachvollziehen kann. Sie vermissen die Normalität, ich auch. Aber für mich birgt dieses Dach keine.
Ich habe eine Art eigenes Dach, es schmerzt es zu betreten, da es nur eingeschränkt ist. Bloß umzäunt und von kurzer Dauer. Es ist für mich ein Schmerz, ich ertrage keinen Zaun.
Sie betreten ihr Dach um die Normalität zu spüren, um sie dann vielleicht für immer hinter sich zu lassen. Auch wenn sie eingeschränkt ist, genießen sie den Schmerzvoll, glücklichen Moment. Um es dann eventuell mal wieder zu betreten. Sie würden gerne die volle Freiheit genießen, aber ihnen Reicht oft die Temporäre. Mir nicht. Mein Zaun schmerzt zu sehr. Mir reicht die eingeschränkte Freiheit nicht.
Ich betrete mein Dach und klettre über den Zaun. Uneingeschränkt. Doch sobald ich die Grenze überschritten habe, kann ich nicht mehr zurück. Hinter dem Zaun ist nicht die Freiheit, sondern der Tot. Die einzige uneingeschränkte Freiheit für sie in dieser Psychiatrie ist der Tot. Alles ist der Tot.

Psychiatrie | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt