46. Schutz

4.4K 369 37
                                    

Als ich zu Veni sah, der immer noch Tobi in seiner festen Umarmung hielt und beruhigend streichelte, musste ich schlucken und biss mir nervös auf die Unterlippe. Die Anderen, die vorhin um Tim und Veni herum gestanden hatten, waren irgendwann in den letzten Minuten gegangen und wir waren nur noch zu viert hier. Veni schien vor Wut zu kochen und auch, wenn mein Verstand mir sagte, dass das dort immer noch der Veni war, der uns immer geholfen hatte, der, der Tobi über alles liebte, so machte es mir doch Angst. Ein wütender Alpha blieb eben ein wütender Alpha. Auch meinem besten Freund schien es so zu gehen, denn als er sich jetzt in Venis Umarmung zu ihm umdrehte konnte ich sehen, wie nervös er war. Natürlich wussten wir beide, dass Veni ihm nie etwas tun würde für das, was er getan hatte, schließlich hatte er es ihm sogar erlaubt. Und selbst wenn er das nicht getan hätte, würde der Alpha Tobi niemals Leid zufügen, so war ich mir vollkommen sicher. Aber dennoch war Veni eben ein Alpha und wenn er wütend war, selbst wenn diese Wut gegen keinen von uns gerichtet war, sondern gegen andere Alpha, so sorgten doch meine Omega-Gene dafür, dass ich mich am liebsten zitternd und wimmernd zusammengekauert hätte.

»Rafi, ich...«, wollte Tobi sich in diesem Moment zitternd erklären, doch Veni unterbrach ihn, indem er ihm sanft mit dem Handrücken über die Wange fuhr und eine Träne abwischte.

»Pssshht, Tobi. Ist gut, beruhig dich. Keine Angst.«, versuchte er den verängstigten Omega in seinen Armen zu beruhigen.

»Bist du sauer?«, wollte Tobi so leise wissen, dass ich es selbst beinahe nicht verstanden hätte. Sofort schüttelte Veni den Kopf.

»Nein, Tobi! Ich würde nie sauer auf dich sein. Egal, was passiert ist. Selbst wenn du irgendetwas getan hättest, hättest du sicher deinen Grund dafür. Ich bin niemand, der dir vorschreibt, was du zu tun oder zu lassen hast. Also beruhig dich doch bitte. Tobi, Süßer, bitte! Was ist denn überhaupt passiert?«

Anstatt zu antworten, drückte Tobi sich bloß noch enger an seinen Freund, der ihn beruhigend streichelte. Da der Omega keine Anstalten machte, ihm seine Frage zu beantworten, tat ich das an seiner Stelle.

»Das verdammte Halsband ist schuld«, erklärte ich bissig, »Den Alpha hat es nicht gefallen, dass er es abgenommen hat.«

Veni sah mich kurz nachdenklich an, dann löste er langsam eine Hand von Tobis Rücken und legte sie an seinen Nacken. Sanft drückte er den Kopf des Kleineren ein Stück zur Seite, so dass er mit der anderen Hand gut an den Verschluss des Halsbandes herankam, den er nun einhändig zu öffnen versuchte.

»Es tut mir so leid, Schatz. Ich wollte das nie. Das Halsband sollte dich beschützen und nicht dir weh tun.«

In diesem Moment wurde er von Tobi unterbrochen, der eine Hand auf die von Veni legte, so dass dieser in der Bewegung inne hielt.

»Bitte nicht.«, bat der Braunhaarige den Größeren leise, »Lass es bitte dran. Ich will es trotzdem tragen. Es wird mich auch beschützen. Bitte. Gib ihm eine zweite Chance.«

Veni sah den Kleineren in seinen Armen unschlüssig an.

»Wirklich?«, wollte er wissen und Tobi nickte eifrig.

»Ja. Ich darf es halt nicht mehr in der Öffentlichkeit abnehmen.«

»Ich möchte aber nicht, dass du das Gefühl hast, dazu gezwungen zu werden, es zu tragen.«

»Habe ich nicht. Ich weiß, dass ich es jederzeit abnehmen dürfte. Aber in den Augen der Anderen habe ich dieses Recht nicht. Nach den üblichen Sitten darf ich das Halsband nicht einmal anfassen und du bist der Einzige, der es mir überhaupt abnehmen dürfte. Ich weiß, dass du mir erlaubst, zu machen, was ich will, aber ich muss die Anderen ja nicht damit provozieren. Außerdem will ich es tragen. Jeder soll sehen, dass ich dir gehöre.«

Veni zog den zierlichen Omega näher an sich und drückte ihn fest.

»Danke, Tobi«, murmelte er. Ich musste schlucken und wandte mich leicht von ihnen ab. Tobi wollte dieses Halsband wirklich noch tragen? Nach dem, was passiert war? Ich konnte das nicht verstehen.

Der beruhigende Griff um meinen Oberkörper verstärkte sich erneut, als Tim seine Stimme erhob und mich gleichzeitig ein wenig von den Beiden wegdrehte.

»Wir lassen euch zwei Mal ein wenig alleine«, zwinkerte er unseren Freunden zu und ich konnte Venis dankbares Lächeln sehen, bevor Tim mich sanft von den Beiden wegschob. Ich ließ es widerstandslos geschehen.

Den ganzen Weg über ließ der Alpha mich nicht los und auch, als er sich auf die Wiese setzte und mich mit sich zog, so dass ich fast auf seinem Schoß landete, lag sein einer Arm immer noch um meine Brust geschlungen. Ich genoss diese Berührung, sie strahlte eine beruhigende Wärme aus und gab mir das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Keine alltäglichen Gefühle. Und dennoch konnte ich nicht vergessen, dass Tobi tatsächlich nach dem, was heute passiert war, freiwillig das Halsband noch länger tragen wollte. Ich schnaubte, woraufhin Tim mich fragend ansah.

»Warum macht Tobi das? Warum trägt er das Halsband trotzdem immer noch?«, fragte ich leise, doch Tim lächelte nur.

»Weil es ihn beschützt. Was heute passiert ist, ist dumm gelaufen. Und umso schlimmer, wenn es direkt am ersten Tag passiert, an dem er damit in der Schule ist. Aber Tobi trägt das schon das ganze Wochenende über und er war auch damit schon in der Stadt. Es zeigt, dass er ein gebundener Omega ist, was ihn in den Augen vieler direkt um ein ganzes Stück anhebt. Er weiß, dass durch das Halsband viele dumme Sprüche oder anzügliche Gesten wegfallen. Er zeigt sich als gebunden und damit wird er in Ruhe gelassen. Selbst das gerade war doch nur ein Beweis dafür. Sie haben ihn zwar nicht gerade sanft behandelt, aber im Endeffekt haben sie ihm nichts getan und ihn bloß zu Rafi gebracht. Was glaubst du, was sie getan hätten, wenn er ungebunden gewesen wäre?«

Ich nickte und auch wenn ich immer noch nicht begeistert von diesen Halsbändern war, musste ich zugeben, dass Tims Argumentation durchaus Sinn ergab.

»Ich kann aber verstehen, wenn du das nicht magst.«, fuhr der Alpha fort, »Ich denke mir immer, dass er zwar große Vorteile haben kann, aber eben auch für den Omega, wenn er es selbst nicht will, extrem erniedrigend sein kann. Von daher weiß ich auch nicht ganz, was ich davon halten soll. Ich würde nie jemanden dazu zwingen, aber ich glaube, mir wäre an Venis Stelle auch wohler, wenn ich Tobi mit Halsband wüsste. Es ist einfach ein zusätzlicher Schutz, den er ihm in seiner Abwesenheit sonst nicht bieten kann.« Ich nickte, während ich nachdenklich auf meiner Unterlippe herum kaute.

Was Tim sagte, machte Sinn, und dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich mich jemals mit einem Halsband, das mich als Besitz einer anderen Person kennzeichnete, wohl fühlen könnte.

Daunted and Broken ~ #Stexpert ~ #Kostory ~ #VenationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt