1. Alpha und Omega

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Ich zitterte am ganzen Körper. Nicht vor Kälte, sondern vor Angst. Jeden Morgen war es das Gleiche. Aufstehen, mich fertig machen, essen machen. Schule. Und genau letzteres war es, was mir solch eine Angst einjagte. Schule. Nicht die Schule selbst, nicht der Unterricht. Die Leute. Besser gesagt die Alpha.

Die meisten Alpha sahen in uns nichts als Frischfleisch, nichts als willenlose Spielzeuge. Aber ich will kein Spielzeug sein und willenlos war ich schon gar nicht. Eine Wahl hatte ich trotzdem nicht. Ich konnte noch so viel wollen, interessieren tat es doch keinen. Wen auch? Die Lehrer? Die anderen Schüler? Die Familien, unsere Familien? Natürlich war es nicht allzu gerne gesehen, wenn ein Omega gegen seinen Willen zu etwas gezwungen wurde, aber es wurde geduldet. Solange es ein Omega ist. Wenn sich an jemandem vergriffen wurde, der kein Omega war, dann gab es Ärger. Gewaltigen Ärger, gigantischen Ärger. Bloß bei uns Omega, da war es geduldet. Und sonst? Den Staat, das Gesetz? Nein, im Gegenteil.

Das System wurde vom Staat gefördert, es wurden immer wieder so viele Argumente vorgebracht. Meine absoluten Lieblinge darunter waren ja ›Das gehört sich nunmal so‹ und ›Das war schon immer so‹. Und leider war das noch nicht einmal vollkommen aus der Luft gegriffen. Ja, tatsächlich schien es so, als hätte sogar die Natur gewollt, dass wir den Alpha unterworfen werden. Warum sonst reagierten unsere Körper so extrem auf den kleinsten Hauch eines Alphas? Warum sonst konnte ein Alpha uns meterweit riechen und unseren Geruch unter tausenden herausfiltern, wie ein wildes Tier auf Jagd? Warum sonst konnten wir die Erregung eines Alphas förmlich spüren, wenn wir ihm begegneten? Warum, warum sonst sollten wir den Alpha so unterlegen sein, sowohl psychisch als auch physisch? Wir waren dazu gemacht, einem Alpha unterworfen zu sein, wir waren dazu bestimmt, uns an einen Alpha zu binden und wir waren dazu gezwungen, ihrem Willen zu folgen. Wir Omega waren den Alpha gegenüber hilflos.

Seufzend rappelte ich mich auf, schälte mich aus meinem Schlafpulli und der Jogginghose und stieg unter die Dusche, drehte das kalte Wasser ganz auf, in der Hoffnung, so mein ängstliches Zittern unter Kontrolle zu kriegen. Tatsächlich war es Minuten später fast verschwunden und ich beeilte mich, mich trocken zu rubbeln und mich anzuziehen. Obwohl der Winter inzwischen vorbei war zog ich eine lange Hose und einen der wenigen viel zu großen Pullis an, die ich in meinem Schrank hortete. Meine Eltern kauften mir zwar regelmäßig Kleidung, jedoch fast nur eng anliegendes und figurbetontes Zeug. Sie meinten immer wieder, ich solle zu dem stehen, was ich sei, eines Tages würde Ich schon den richtigen Alpha finden. Sie hatten gut reden, hatten als Beta nie das Gleiche durchmachen müssen wie wir. Ich hasste es und weigerte mich, diese Kleidung anzuziehen, so oft ich es mir leisten konnte besorgte ich mir selbst Hosen und Pullis, meistens mehrere Nummern zu groß. Ich trug nur meine eigenen Sachen, meine selbstgekauften, auch wenn das meinen Eltern nicht passte, sie mir jegliches Taschengeld gestrichen haben mit den Worten, sie wollten so etwas nicht finanzieren. Für mich war die Kleidung eine Art Schutzschild, eine Mauer, hinter der ich manchmal vielleicht sicher war.

Manchmal. Vielleicht.

Ich versuchte, mich dahinter zu verstecken. Schon jetzt reichte doch allein die Tatsache, dass ich ein Omega war, aus, damit die Alpha mich nicht in Ruhe ließen, das musste ich doch nicht auch noch herausfordern, indem ich aller Welt meinen Körper zeigte. Ich konnte beim besten Willen nicht die Omegas verstehen, an denen selbst in Winter mehr Haut als Stoff zu sehen war und die sich allen Alpha nahezu anboten. Wenn ein Alpha mich tatsächlich wollte, dann hatte ich keine Chance, das wusste ich, hatte es schließlich oft genug erlebt. Aber provozieren wollte ich es nicht.

Die schlimmste Zeit jedoch begann gerade erst, jetzt im Frühling begann die Paarungszeit, was im Klartext hieß, dass die Alpha noch aggressiver wurden und es für uns Omega noch schwieriger werden würde, sich zu beherrschen und zu widersetzen. Schon jetzt waren die ersten Anzeichen im Verhalten der Alpha zu erkennen und auch ich spürte, wie in meinem Inneren alles danach schrie, diesen Drängen nachzugeben. Jedoch mein Gehirn stellte sich gegen meinen Körper, hielt stand. Ich wollte mich keinem anderen Menschen unterwerfen, ob Alpha, Beta oder Omega. Ich wollte frei sein und Herr über meinen eigenen Körper, niemandem untergeordnet.

Als ich eine knappe halbe Stunde später tatsächlich vor dem Schulhof stand, hielt ich kurz inne. Ich sammelte mich und setzte im nächsten Moment eine emotionslose Miene auf, eine Maske. Ich musste stark sein, stark sein, um nicht einzugehen.

»Na wen haben wir denn da«, hörte ich auch schon wie auf Geheiß eine nur allzu bekannte Stimme lachen. Links von mir am Eingang eines der Nebengebäude stand ein Junge, großgewachsen, mit hochgegeelten wasserstoffblonden Haaren und kantigem Gesicht.

»Hast du mich vermisst?«, kam er provozierend auf mich zu.

»Verpiss dich, Max« fauchte ich ihn an und drängte mich an ihm vorbei. Ohne mir anmerken zu lassen, die stark mein Herz tatsächlich schlug, ging ich weiter, nicht stehen bleiben, nicht umdrehen. Einzig der süßliche Geruch des läufigen Alpha blieb in meiner Nase. Hier in der Schule war ich nicht mehr das zitternde und jammernde Nervenbündel, das ich zuhause war. Hier war ich einer der wenigen Omega, die es überhaupt wagten, einen Alpha abzuweisen und das Wort gegen ihn zu ergeben. Ich dachte tatsächlich schon, ich hätte es geschafft, Max abzuwimmeln, doch ich täuschte mich. Natürlich täuschte ich mich. Im nächsten Moment spürte ich eine Hand auf meiner Schulter, die mich herumriss. Ich versuchte, mich loszureißen, freizukommen aber der Griff war zu stark.

»So nicht, mein Freundchen. Du kommst jetzt Mal schön mit mir mit.«

Ohne dass ich etwas hätte tun können zerrte Max mich hinter sich her, er schien zu schäumen vor Wut. Ich versuchte, nach ihm zu schlagen, mich loszureißen, jedoch hatte ich nicht genug Kraft dazu. Die Blicke der anderen Schüler brannten im Rücken und dennoch sahen alle nur zu. Er war ein Alpha, ich ein Omega. Warum sollte auch jemand eingreifen.

Max zog mich eine steinerne Treppe hinunter, ich stolperte und wäre beinahe hingeflogen, doch sein Griff hielt mich oben und zerrte mich unbarmherzig weiter. Immer noch hatte ich es nicht aufgegeben, mich zu wehren, auch wenn meine Hoffnung längst verschwunden war. Ich sah erst, wo wir waren, als ich die kalte Wand im Rücken spürte und Max' Arm, der meinen Hals an die Wand drückte, mir die Möglichkeit nahm, mich zu wehren, ohne dabei die Luft abgedrückt zu bekommen. Rechts von mir lag der Hintereingang der Mensa, der immer verschlossen war. Hier war eine der Ecken, wo nie jemand vorbei kam. Eine der Ecken, die Max bevorzugte. In meinem Kopf kreisten Bilder, Bilder von den unzähligen Malen, in denen er oder andere mich irgendwo hingezerrt hatten, Bilder von all den Malen, in denen sie mich zu Dingen gezwungen hatten, die ich nicht wollte. Wehren konnte ich mich trotzdem nie. Auch jetzt hielt Max meine beiden Hände mit seiner Linken fest und trotzdem hatte ich keine Chance, mich loszureißen.

»Auf einmal gar nicht mehr so großkotzig, was? Na komm, du willst es doch auch«, hörte ich seine schleimige Stimme und spürte im nächsten Moment seine groben Lippen auf meinen. Sofort drehte ich den Kopf zur Seite.

»Vergiss es, du kleines Stück Alphascheiße.« Im nächsten Moment spürte ich, wie mein Kopf grob nach vorne gedreht wurde und Max' schmerzhaften Griff an meinem Kinn. Seine Augen direkt vor mir funkelten gefährlich.

»Das werden wir ja sehen«

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Letsread zu der Fanfiktion auf Youtube von Itzisi. (»Daunted and Broken« auf Youtube suchen)

Daunted and Broken ~ #Stexpert ~ #Kostory ~ #VenationWhere stories live. Discover now