23. Busfahrt

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»Da ist Tim«

Veni, der hinter Tobi saß und seine Hände locker vor der Brust seines Freundes mit dessen Fingern verschränkt hatte, nickte in die entgegengesetzte Richtung der Busse. Sofort sahen wir alle da hin und tatsächlich verabschiedete sich gerade das letzte fehlende Mitglied unserer Gruppe von zwei Männern. Neben ihm stand Max, der gerade den kleineren der beiden Männer umarmte.

»Sind das Tims Eltern?«, wollte Dennis mit einem Nicken zu den beiden Männern wissen und Veni nickte.

»Jup.«, bestätigte er. Gerade winkte Tim ihnen ein letztes Mal kurz zu, bevor er in Richtung der Lehrer ging, um sich anwesend zu melden. Max lief zwei große Schritte, bis er mit seinem Bruder gleichauf war und begann dann, auf ihn einzureden. Tim schien nicht wirklich zuzuhören, zumindest reagierte er in keinster Weise auf das, was sein Zwillingsbruder von sich gab. Erst zwei Meter vor den Lehrern blieb er aprupt stehen und drehte sich zu Max um, begann kurz auf ihn einzureden, bevor er mit schnellen Schritten auf seinen Klassenlehrer zusteuerte. Max blieb kurz irritiert stehen, bevor er den Kopf schüttelte und sich auch von unserem Klassenlehrer in die Liste eintragen ließ.

»Was geht denn bei denen ab?«, fragte Mik kopfschüttelnd und als ich in die Runde sah, zuckten meine Freunde bloß mit den Schultern. Dennis schien mit seinem Blick den Platz abzusuchen und ich hatte eine Vermutung, nach wem er Ausschau hielt, während Mik neben ihm krampfhaft versuchte, seinen besten Freund nicht anzusehen. Tobi saß immer noch zwischen Venis Beinen und sah lächelnd auf ihre verschränkten Finger, während Veni seine Lippen sanft über den Nacken seines Freundes wandern ließ, ohne die Haut wirklich zu berühren. Als Veni gekommen war, war Tobi ihm sofort in die Arme gerannt und während ich bei ihrem Begrüßungskuss diskret weggeschaut hatte, hatten Mik und Dennis lachend applaudiert. Tobi hatte beiden bloß die Zunge herausgestreckt, was Dennis sofort erwidert hatte. Manchmal konnte man echt meinen, meine Freunde wären nicht älter als fünf. Irgendwann hatten Dennis und ich die Jacken der Anderen eingesammelt und waren in einen der Busse gegangen, um uns Plätze zu reservieren. Wir waren immer noch relativ früh dran gewesen, wodurch wir die Besitztümer auf drei Zweiersitze verteilen konnten, die neben- beziehungsweise hintereinander lagen. Irgendwie freute ich mich auf die lange Fahrt und die Gelegenheit, einfach einmal nichts zu tun.

»Hi, Leute. Alles klar?«, unterbrach Tims tiefe Stimme meine Gedanken und wir alle begrüßten ihn nacheinander mit Handschlag. Es war schon erstaunlich, wie schnell er und Veni sich in unsere Gruppe eingefunden hatten und inzwischen waren beide kaum mehr wegzudenken.

Gerade hatte Tim sich zu uns auf den Boden gesetzt, als einer der Lehrer laut in die Hände klatschte und uns bat, bitte so langsam alle in den Bussen Platz zu nehmen. Sofort murrte Tim auf, dass er sich das Hinsetzen dann ja auch hätte sparen können, während er sich ächzend wieder aufrappelte. Wir alle lachten.

Als wir in den Bus stiegen und zu den Plätzen kamen, auf denen immer noch unsere Jacken lagen, ließen Tobi und Veni sich sofort auf einen der Zweiersitze fallen, wobei sie eigentlich sogar nur einen bräuchten, so eng wie sie beieinander, ja fast schon aufeinander saßen. Ich wollte mich gerade auch setzen, als ich am Arm gegriffen und neben Tim auf den Sitz gezogen wurde. Verwirrt sah ich ihn an. Er sah kurz zu Dennis, der sich gerade mit Mik um den Fensterplatz stritt, bevor er sich zu mir beugte.

»Mik hat mich gebeten, dafür zu sorgen, dass er neben Dennis landet«, erklärte er und ich nickte als Zeichen, dass ich verstanden hatte. Erneut warf ich einen Blick zu Mik, der den Kampf mit seinem besten Freund anscheinend gewonnen hatte und nun am Fenster saß. Dankbar lächelte er in unsere Richtung und ich sah, wie Tim ihm zuzwinkerte. Das sah Mik jedoch schon nicht mehr, denn ihm gleichen Moment warf Dennis seine Jacke über den Kopf seines Sitznachbarn, bevor er gespielt beleidigt die Arme vor dem Körper verschränkte und sich im Sitz zurücklehnte. Bevor Mik auch nur dazu kam, über eine Racheaktion nachzudenken, knackste es über uns in den Lautsprechern und einer der Lehrer bat uns übers Mikro um kurze Aufmerksamkeit. Während der Bus langsam anrollte, wies er uns darauf hin, dass wir alt genug wären, damit man uns nicht mehr sagen müsste, wie wir uns zu benehmen hätten. Die nächsten Minuten verbrachte er trotzdem damit, uns zu erklären, was wir zu tun und was zu lassen hatten, während schon lange niemand mehr zuhörte. Als er endlich fertig zu sein schien, lehnte ich mich im Sitz zurück und begann, die vorbeiziehende Landschaft zu beobachten. Während mir die Gegend am Anfang noch bekannt vorkam, wurde die Landschaft mit jeder verstreichenden Minute immer fremder und irgendwann war ich mir sicher, noch nie zuvor hier gewesen zu sein. Ich freute mich auf die Tage mit meinen Freunden, die Tage, an denen ich einfach aus dem Alltag herauskommen würde. Die Tage, die wohl die letzten sorglosen Tage für mich werden würden, bevor ich in einer Woche achtzehn werden würde. Meine Zeit lief, der Countdown war gestartet. Ich hatte noch sieben Tage. Und so wie es aussah, würde diese Klassenfahrt wohl der letzte Urlaub meines Lebens werden. Klassenfahrten und Urlaub allgemein war teuer

Daunted and Broken ~ #Stexpert ~ #Kostory ~ #VenationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt