42.Kapitel (Jason)

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»Du bist unglaublich süß. Mein Sohn hat einen wunderbaren Geschmack.« Aarons Mutter lächelte mich breit an und stellte vor uns Teller hin. Sie hatte beschlossen ihre zwei Wochen Urlaub hier zu verbringen, was Aaron sichtlich freute und obwohl ich ihm gesagt hatte, er könnte seine Zeit lieber mit seiner Mutter allein verbringen, bestand er darauf dass ich ab und zu dabei war und seine Mutter richtig kennen lernte, da ich diese Gelegenheit sonst kaum bekommen würde.

Sobald man sie ansah, sah man die deutliche Ähnlichkeit die sie mit Aaron hatte: dieselbe Augenfarbe, die gleichen Gesichtszüge, ähnliche Angewohnheiten. Sie war ein gutes Stück kleiner als er und sogar kleiner als ich, hatte ein strahlendes Lächeln und sprühte nur so vor Tatendrang und überschüssiger Energie.

»Ich bin nicht süß«, widersprach ich und stocherte in dem Essen herum. Anders als Aarons Vater konnte sie unglaublich gut kochen und es war eine Freude ihr Essen zu genießen. Allerdings starrte sie mich die ganze Zeit an, was auf Dauer etwas unangenehm war. Sie schien hin und weg zu sein, dass ihr Sohn schwul war und einen Freund hatte, der so„süß" und intelligent wirkte. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie mich eher als eine Art niedliches Plüschtier sah.

Aaron stieß mich mit seinem Ellbogen an.

»Du bist süß.« Ich schaute ihn an, seufzte da ich wusste es brachte nichts ihm zu widersprechen und aß weiter. Heute hatte Aaron gesagt, er würde vorbei kommen und bei den Renovierungen helfen. Unser Haus sah zwar noch nicht schlimm aus, aber war doch schon einige Jahre alt und da die Farbe an der Außenfassade langsam abblätterte und die Wände in der Wohnung auch nicht mehr gut genug aussahen, hatten wir beschlossen einfach alles neu zu streichen. Obwohl Aaron sich nicht gerade wohl fühlte meiner Mutter zu begegnen, hatte diese sich zumindest so weit beruhigt, dass sie mir zwar aus dem Weg ging, aber zumindest ein paar Sätze zu mir sagte, wenn sie es musste.

Aarons Mutter fragte mich gerade über sämtliche Dinge aus, die irgendwie mit mir oder unserer Beziehung zu tun hatten. Da wir diese Sache schon mehrmals durchgemacht hatten, kamen mir die Antworten nicht mehr zögernd über die Lippen, aber ich war trotzdem unendlich froh als Aaron mich nach draußen schob und wir uns verabschiedeten. Seine Mutter war eine nette Frau, aber mich nervten diese ganzen Vorstellungsgespräche und ich hoffte, dass es das Letzte dieser Art sein würde. Zumindest vorerst.

»Deine Mutter sieht echt gut aus... und sie ist so nett. Du hast eine unglaubliche Familie, wirklich«, sagte ich und er lächelte.

»Ja,das habe ich. Aber bei dir wird sich das alles schon wieder richtigstellen. Vertrau mir.«

Ich zweifelte daran, versuchte aber seine Worte ernst zu nehmen und mich nicht so schnell verunsichern zu lassen. Man, von unserer Beziehung wusste schließlich jeder. Die ganze Schule, unsere Familien, unsere Freunde... und es hatte so gut wie keine Probleme gegeben, das war mehr ein Wunder, als etwas anderes. Ein Krankenwagen fuhr mit lauten Sirenen an uns vorbei und ich hielt mir für einen Moment die Ohren zu. Ich hatte die lauten Sirenen noch nie leiden können, wenn alle Leute im Umkreis dann immer halb taub wurden.

»Fährt der nicht direkt in die Richtung wo ihr wohnt?«, meinte Aaron und ich zuckte mit der Schulter. Er hatte recht, aber noch waren wir ein paar Straßen entfernt und es konnte gut sein, dass er nur in eine Nachbarstraße einbog.

Wir setzten unseren Weg fort, aber ich hatte zunehmend ein sehr unwohles Gefühl, was sich verstärkte, als ich den Krankenwagen in unserer Einfahrt stehen sah.

Oh nein.

Gerade schoben die Notfallsanitäter eine Trage vom Haus in den Krankenwagen, während meine Eltern daneben standen, meine Mutter heftig schluchzend und an meinen Vater angelehnt, der die Szene stumm verfolgte.

Es war etwas mit Alice. Mir wurde mit einem Mal unglaublich schlecht und das unwohle Gefühl verstärkte sich.

Ich wollte hinrennen, doch ich spürte Aarons Arme, die mich fest umschlungen hielten und verhinderten, dass ich zum Krankenwagen rannte. Ohne es zu merken brach ich in Tränen aus, gab es aber auf mich gegen seinen festen Griff zu wehren. Ich wusste dass es nichts bringen würde.

Als meine Eltern mich bemerkten rannte meine Mutter zu mir und nahm mich in die Arme, etwas was sie schon eine ganze Weile nicht mehr getan hatte.

»Was ist passiert?« Meine Stimme war nur leise und sie schluchzte so sehr, dass sie mir nicht antworten konnte. Mein Vater kam zu uns hinüber und legte meiner Mutter eine Hand auf die Schulter, dann schaute er mich besorgt an.

»Wie waren dabei die obere Seite zu streichen... Das Telefon klingelte und ich sagte ihr noch, sie solle warten bis ich wieder komme, damit ich die Leiter festhalten kann. Sie ist selbst drauf geklettert, ist ausgerutscht und runter gefallen, dabei ist sie ziemlich hart mit dem Kopf aufgeschlagen«, erklärte mein Vater kurz und schaute wieder zum Krankenwagen, wo die Notfallsanitäter ihren Job erledigten. Einer löste sich und kam zu uns.

»Wir bringen Ihre Tochter ins Krankenhaus und werden dort sehen, was wir tun können. Sie hat eine üble Kopfverletzung und vermutlich eine Gehirnerschütterung... es wäre besser Sie fahren dann zum Krankenhaus und warten.« Mein Vater nickte und wir alle beobachteten, wie sie in den Wagen stiegen und mit Sirenen davonfuhren.

Meine Mutter hatte mich wieder los gelassen und schien am Ende zu sein, während mein Vater kurz ins Haus ging, seine Autoschlüssel holte und uns anwies uns ins Auto zu setzten. Im Gegensatz zu meiner Mutter schien mein Vater zumindest in der Lage zu sein, relativ vernünftig Auto zu fahren.

»Ich gehe dann mal besser nach Hause«, sagte Aaron leise und ich klammerte mich erst recht an ihn. Er wusste, dass ich ihn jetzt brauchte aber er wollte sich nicht in etwas einmischen, was in dem Sinne nur die Familie betraf.

»Du kannst mitkommen, wenn du willst«, sagte mein Vater und er warf einen nervösen Blick zu meiner Mutter, die immer noch schluchzend dastand und aussah, als würde sie ohne eine Stütze zusammen brechen.

»Ich weiß nicht, ob das eine sonderlich gute Idee ist.«

»Es hat niemand etwas dagegen... du musst nicht, wenn du nicht willst. Aber für Jason wäre es vielleicht nicht schlecht.« Er schien kurz zu überlegen, dann nickte er. Ich löste mich von ihm und wir stiegen ins Auto, mein Vater fuhr schneller als sonst, aber bemühte sich ruhig zu bleiben und uns nicht in seiner Aufregung gegen einen Baum zu fahren. Wir schafften es bis zum Krankenhaus, wo wir uns erkundigten und dann im Wartezimmer sitzen blieben in der Hoffnung, dass man uns schnell sagen würde wie gut es verlaufen war.

Meine Mutter hörte irgendwann auf mit weinen und lehnte sich an meinen Vater, während ich mich an Aaron lehnte und er auch den Arm um mich legte. Er sagte nichts und ich war ihm dankbar dafür. Nichts hätte ich im Moment weniger gebrauchen können, als wenn er mir die ganze Zeit sagte es würde alles wieder gut werden. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ein Arzt heraus und sprach uns an.

»Wir haben es geschafft die Blutung zu stillen und die Wunde zu nähen. Morgen dürfen sie ihre Tochter besuchen und in einer Woche darf sie das Krankenhaus schon wieder verlassen.« Sofort spürte ich, wie eine Last von mir abfiel und ich unglaublich erleichtert ausatmete.  


You are my Light (BoyxBoy/Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt