18.Kapitel (Jason)

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Es war Dienstag, der absolut schlimmste Tag der Woche. Nicht nur, weil es der Tag war wo ich die schlimmsten Fächer gleich alle nacheinander hatte, sondern auch weil mir dieser peinliche Moment einfach nicht mehr aus dem Kopf ging.

Aber wer hätte gedacht, dass urplötzlicher einer seiner Brüder in der Tür stand, obwohl er doch sonst immer alleine war? Und dann hatte er uns auch noch dabei erwischt, wie wir uns geküsst hatten. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Oder am besten gleich bis zum Erdkern vorgedrungen, Hauptsache ich wäre nur von dieser Welt verschwunden.

Was er wohl dann zu Aaron gesagt hatte? Ich brannte darauf danach zu fragen, doch ich hatte den ganzen Tag Pech gehabt, ich lief ihm nicht einmal in der Schule über dem Weg, was mich total frustrierte. So ging es mir immer, wenn ich ihn eine Weile nicht sah: Ich bekam total schlechte Laune und meine Gedanken waren nur voll davon, was ich wohl als nächstes mit ihm machen könnte. Kaum sah ich ihn dann, schien meine Laune auf einem noch nie dagewesenen Level zu sein und alles andere schien mir einfach nicht mehr wichtig genug. War es das, was man darunter verstand, wenn jemand Hals über Kopf verliebt war? Wahrscheinlich.

Die letzte Stunde ging unendlich langsam vorbei und als es dann endlich erlösend klingelte, sprang ich auf und lief zu meinem Spind. Ich warf meine Bücher hinein und stopfte ein paar meiner Unterrichtsnotizen in meine Tasche, damit ich sie mir zu Hause noch einmal ansehen konnte. Es war kurz vor den Ferien und die Lehrer schrieben nun alle Tests in so kurzen Abständen hintereinander, das man kaum nachkam und sich entscheiden musste für welches Fach man mehr lernen musste, und für welche eher weniger. Ich hasste es.

»Hallo.« Ich zuckte zusammen und begann zu lächeln, als ich die Stimme erkannte. Ich drehte mich zu Aaron um, der hinter mir stand und mich mit diesem hinreißenden Lächeln ansah, wo ich praktisch einfach nur dahin schmolz. Dieser Junge sah einfach viel zu gut aus, das hielt ich nicht aus.

»Oh...ehm...«, stammelte ich und schloss schnell meinen Spind zu. Sofort schossen mir wieder die Bilder von gestern in den Kopf, diese peinliche Begegnung...

»Geht's dir gut?«, fragte er besorgt.

»Ja... also... mir geht's gut«, antwortete ich schnell und er musterte mich von oben bis unten. Seine Mundwinkel hoben sich ein wenig.

»Mach dir keine Sorgen wegen dieser Sache von gestern, mein Bruder hat das ziemlich locker aufgenommen. Er will dich sogar kennenlernen«, sagte er, als wäre es das normalste auf der Welt und zuckte dann mit der Schulter. Mir stattdessen kam es vor als hätten sich meine Eingeweide gerade zwei Stockwerke tiefer verabschiedet. Ich sollte seinen Bruder kennenlernen?

Gut, wenn wir länger zusammen blieben musste ich seine Familie ja sowieso irgendwann einmal kennenlernen... aber ich würde das einfach nicht so leicht packen.

»Es muss nicht jetzt sein, aber irgendwann will ich dich ihnen schon vorstellen«, sagte er und ich nickte.

»Ich muss mich zwar erstmal mental darauf vorbereiten, aber ich will es so schnell wie möglich hinter mir haben«, sagte ich und meinte es auch so. Je schneller ich es hinter mir hatte, umso besser war es und umso eher verschwand auch dieses nervöse Gefühl.

»Gut, ich muss aber zuerst einkaufen und du sagtest du musst ja auch noch etwas erledigen? Aber dräng dich nicht dazu, wenn du nicht willst können wir das später machen.«

»Nein, nein. Es ist mir wirklich lieber so«, antwortete ich und wir verließen die Schule. Wir gingen in die Stadt, wo er einkaufen ging und ich noch etwas Geld von meinem Sparbuch abhob, weil ich meiner Schwester noch etwas zum Geburtstag kaufen musste. Ich wusste nur noch nicht was.

Wir hielten vor Aarons Haus, ich stand unschlüssig vor der Tür und schluckte. Innerlich starb ich gerade, dieses nervöse Gefühl machte mich wahnsinnig. Aber lieber jetzt als später.

Aaron lächelte mir beruhigend zu und wir betraten das Haus, wo wir in die Küche gingen. Aus dem Wohnzimmer hörten wir den Fernseher, der allerdings ausgeschaltet wurde und wenig später stand sein Bruder in der Tür und musterte uns beide.

Die beiden sahen sich ziemlich ähnlich, Ethan hatte dieselbe Haarfarbe und war nur einen halben Kopf größer als Aaron. Er war schlank und wirkte durchtrainiert, hatte einen lockeren Style und ein ähnliches Lächeln wie sein Bruder. Nur seine Augenfarbe war anders.

»Ich kam gestern nicht dazu, mich vorzustellen. Ich bin Ethan«, sagte er und hielt mir seine Hand hin, die ich schüttelte. Verdammt schwitzte ich gerade, meine Hand musste sich anfühlen wie ein toter Fisch.

»Jason«, war alles was ich herausbrachte.

»Du brauchst keine Angst zu haben, ich tu dir schon nichts«, sagte er belustigt, als er meinen Blick sah und ich versuchte lockerer zu werden. Ging nur nicht so gut.

»Also jetzt erzähl mal ein wenig über dich. Aaron hat mir zwar schon einiges erzählt, aber noch nicht alles.« Er warf einen Blick zu seinem Bruder, der nur mit der Schulter zuckte.

»Wollt ihr etwas trinken?«, fragte Aaron dann, damit er was zu tun hatte und nicht herumstand.

»Kaffee gern«, meinte sein Bruder und ich murmelte nur: »Dasselbe wie immer.«

Ich ließ mich auf einen der Stühle fallen und sein Bruder setzte sich mir gegenüber. Er musterte mich von oben bis unten und stützte dann seinen Kopf auf die Hände.

»Du bist also zwei Jahre jünger als mein Bruder und hast so an sich nichts mit ihm zu tun, richtig?«, fragte er und ich nickte. Sicher kamen jetzt fragen wie wir dann dazu gekommen waren miteinander zu reden oder dergleichen...

»Wusstest du eigentlich, dass du meinem Bruder schon aufgefallen bist, bevor du ihn angesprochen hast?«, meinte er und ich warf einen Blick zu Aaron.

»Ethan!«, zischte dieser auch gleich und sein Bruder grinste nur.

»Nein, das wusste ich nicht...«, murmelte ich. Also hatte ich mir die Blicke von ihm doch nicht eingebildet, sie waren wirklich da gewesen. Aber das Wissen störte mich nicht, im Gegenteil irgendwie freute es mich sogar, dass er mich schon eher beachtet hatte. Das zeigte nur, das die Interesse nicht nur von meiner Seite aus da war sondern auch von ihm ausging. 

»Außerdem hat er Recht, du hast eine schöne Augenfarbe.« Er fragte noch ein paar andere Dinge, wie ich in der Schule war, welche Dinge ich mochte und welche ich nicht mochte, wie sehr ich Aaron mochte und dergleichen. Mit der Zeit wurde ich wirklich etwas lockerer und ich merkte dass sein Bruder mir sogar sympathisch war.

»Ich lass euch dann jetzt mal alleine«, meinte er am Ende des Gesprächs, stand auf und verließ das Haus. Ich atmete erleichtert aus. Ganz so schlimm war es ja nicht gewesen, aber trotzdem.

»Ich glaube er mag dich«, meinte Aaron und setzte sich neben mich, lächelte mich an.

»Willst du am Wochenende nicht mit zu mir kommen? Immerhin sind wir immer nur bei dir und meine Eltern wollen auch mal sehen, bei welchem Freund ich in letzter Zeit immer bin.«

»Gerne, hier habe ich ja sowieso nichts zu tun«, meinte er. Wir redeten noch ein wenig miteinander, bis es spät genug war das ich nach Hause musste. Er brachte mich noch bis zur Tür, küsste mich und sah mir nach bis ich aus seinem Blickfeld verschwunden war.


You are my Light (BoyxBoy/Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt