Kapitel 19

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«Sag doch was..» sagt Mergim auf einmal. Ich bin immer noch sprachlos. Ich finde die richtigen Worte nicht. «Wieso hast du mir das nicht früher erzählt? Wegen deinem Couseng.» «Ich weiss es nicht. Ich wollte, aber habe es dann wieder gelassen.» «Okay». Es herrscht Stille. Nach einigen Minuten meldet sich Mergim wieder. «Ist das alles? Mehr hast du nicht zu sagen?» «Ja was soll ich deiner Meinung nach sagen? Du kannst dich nicht nach Monaten melden und eine Bombe explodieren lassen!» Ich merke, dass meine Stimme ziemlich laut geworden ist. «Ja besser spät als nie» lacht er. «Findest du das komisch?» «Ja irgendwie schon. Keiner von uns hat es geschafft den Kontakt endgültig abzubrechen. Deshalb wäre ein Treffen optimal. Nur ein Kaffee und dann geht jeder seinen eigenen Weg. Dieses Treffen bist du mir schuldig.» Ich denke kurz darüber nach. Eigentlich ist das keine schlechte Idee. Und was habe ich schon zu verlieren? Nichts, also. «Okay. Ein Kaffee. Wann und wo?» «Wann du willst und wo du willst» sagt Mergim. «Okay. Morgen. Kommst du nach Zürich?» «Klar, kein Problem. Um welche Zeit? Um 15 Uhr am Hauptbahnhof» «Alles klar.» «Gut» sage ich. «Also das war auch schon alles. Wir sehen uns also morgen.» «Ja.» «Also dann gute Nacht und bis morgen» sagt Mergim. «Gute Nacht» Er legt auf.

Ach du scheisse. Worauf habe ich mich da bloss eingelassen? Krass ey. Nach allem, was schon passiert ist, hätte ich niemals gedacht, dass wir uns doch noch irgendwann treffen würden. Und wer hätte gedacht, dass dieses 'irgendwann' bereits morgen ist. Ich kann mich auf eine schlaflose Nacht vorbereiten...

Am nächsten Tag bin ich schon früh auf. Es ist Samstag und alle meine Familienmitglieder sind zu Hause. Shit. Was soll ich ihnen sagen? Ich kann ihnen unmöglich sagen, dass ich mit Mergim rausgehe. Sie würden ausrasten! Mit Anita spreche ich mich ab. Wir haben vereinbart, dass wir beide zusammen rausgehen und sie dann etwas mit ihrem Freund, Fitim, unternimmt. Genau. Also mein Alibi steht. Ich mache das wirklich ungern. Ich lüge sonst meine Eltern nie an, aber ich finde es unnötig ihnen alles zu erzählen und dann stellt sich beim Treffen heraus, dass wir, also Mergim und ich sowieso getrennte Wege gehen. Deshalb erzähle ich meinen Eltern nichts. Sie würden sich sowieso nur Sorgen machen. Ich bin zwar bereits 20, aber immer noch ihre kleine Tochter.

Die Zeit scheint an diesem Tag nur so davon zu rennen. Es ist bereits 13 Uhr und in 2 Stunden würde ich mich mit Mergim treffen. Ehrlich gesagt, weiss ich gar nicht was ich anziehen soll. Ich weiss nicht wieso, aber ich bin ziemlich aufgeregt. Ich kann überhaupt nicht einschätzen wie das Gespräch verlaufen wird. Über was soll ich mit ihm reden? Es ist so viel Zeit vergangen und mein Interesse hält sich in Grenzen. Mein Handy blinkt auf. 'Ich fahre jetzt los' 'okay, ruf mich an, wenn du am Hauptbahnhof bist' 'alles klar' schreibt er noch zurück. Ich werfe mein Handy aufs Bett. Fuck! Was soll ich anziehen???? Ich drehe noch komplett durch ey.

Driinng Drinnng. Das kommt wie gerufen. Anita ruft mich an. «Hey» «Hey was geht?» «Nichts bei dir?» «Auch nichts. Um welche Zeit hast du schon wieder abgemacht?» «Um 15 Uhr» «Ah gut. Und? Bist du aufgeregt?» «Neee» «Jaja lüg doch nicht, ich kenne dich doch» lacht Anita. «Ja okay ein bisschen» «Wird schon gut kommen. Was ziehst du an?» «Boaah kein Plan ey. Mos ja nis edhe ti (Fang du auch nicht an). Ich höre schon genug Stimmen in meinem Kopf» lache ich. «hahaha zieh einfach ne Jeans und eine Bluse an und dazu noch ein paar hohe Schuhe» «Hohe Schuhe? Spinnst du? Was ist, wenn er am See laufen will? Das wird mein Untergang sein!» «Hahahah» Anita lacht sich kaputt. «Zieh einfach etwas an, mit denen du laufen kannst» Ich könnte schwören, dass sich Anita über mich lustig macht. Aber egal. Schlussendlich werde ich genau das anziehen, was sie vorgeschlagen hat. Irgendwie hat sie ja Recht.

Anita holt mich ab und wir fahren gemeinsam zum Hauptbahnhof. Ich habe die hohen Schuhe angezogen und hatte keinen Bock zu laufen. Ich steige aus und Anita fährt weg. Schritt für Schritt werde ich nervöser. Er sieht mich zum 1. Mal. Naja, ich ihn eigentlich auch. Unter den ganzen Schläuchen im Krankenhaus habe ich nicht viel von ihm gesehen. Ich warte auf Mergims Anruf. Kurze Zeit später ruft er auch schon an. «Ja hallo?» «Hey wo bist du?» Ich blicke mich um. «Bei der grossen Uhr. Du wirst mich schon nicht übersehen. Ich bin alleine da.» «Haha. Habe auch nichts Anderes vermutet» lacht er. «Bin gleich da» sagt er und legt auf. Nach 5 Minuten ist er immer noch nicht hier. Wetten, dass er mich nicht erkennt? Shit ist mir das peinlich. Am liebsten würde ich wieder nach Hause gehen. Ich tippe an meinem Handy herum, damit ich nicht so hilflos und alleine aussehe, als auf einmal jemand mich anspricht. «Also mir schreibst du gerade nicht» lacht er. Vor Schreck lasse ich mein Handy beinahe fallen und blicke nach oben. Anita sei dank! Er ist ja richtig gross!

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