Eskalation

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„Mila, aufwachen", wurde sie sanft aus ihren Träumen gerissen. Verschlafen schielte sie auf ihre Uhr. 7:30 Uhr zeigte sie an.
„Ach Mama, es ist Wochenende. Was willst du so früh von mir?", fragte Mila müde und drehte sich schon wieder um.
„Ich muss nachher schnell weg. Und ich dachte es wäre schön, wenn wir noch zusammen frühstücken würden. Ich gebe dir Geld, dann kannst du Brötchen holen. Ich muss noch schnell etwas anderes erledigen." sagte ihre Mutter fröhlich.

Müde richtete Mila sich ächzend auf, nachdem ihre Mutter das Zimmer wieder verlassen hatte. Schlaftrunken schlich sie ins Badezimmer und machte sich frisch. Sie stellte sich unter die Dusche um erst einmal richtig wach zu werden und wieder zu duften, wie eine Blumenwiese.
Mila betätigte den Wasserhahn und aus der Düse, oberhalb ihres Kopfes, plätscherten die Wassertropfen auf sie hinab. Es war so erfrischend!
Doch plötzlich spürte sie das altbekannte kribbeln in ihren Beinen und viel bäuchlings um.
„Oh nein!", dachte sie genervt, „jetzt kann ich noch nicht mal mehr duschen ohne mich zu verwandeln! Das ist ja eklig! Wie soll ich die Körperpflege denn sonst betreiben. Ich kann ja nur immer als Meerjungfrau hier herum liegen, irgendwann wird meine Mutter mal herein platzen und mich so sehen. Das ist sehr riskant."
„Bist du bald mal fertig?", rief ihre Mutter von unten, „ich bekomme langsam Hunger!"
„Ja bin gleich soweit!", antwortete Mila schnell.
Mila streckte ihre Hand über ihren nassen Körper und ballte sie langsam zur Faust. Je stärker sie ihre Faust ballte, desto heißer wurde die Stelle auf die sie ihre Kraft richtete. Nach kurze Zeit war sie wieder völlig trocken und verwandelte sich zurück. Nun war sie wach.
Schnell lief sie in ihr Zimmer zurück und zog sich etwas vernünftiges an.
Ihre Mutter wollte gerade wieder nach ihr rufen, als sie unten ankam. Mila bekam Geld in die Hand gedrückt und ging los zum Bäcker.
Draußen schien schon die Sonne, trotzdem war es noch etwas kühl. Der Himmel war blau, kein einziges Wölkchen war zu sehen. Mila schnappte sich ihr Fahrrad, das noch auf dem Rasen lag. Es war noch etwas feucht vom Tau, genau wie der Rasen, der in der Sonne glänzte, als lägen auf ihm hunderte von Diamanten.
Kurz bevor ihre Hand den Lenker berührte, zuckte ihre Hand zurück. Feuchtigkeit! Wasser! Eine ungewollte Verwandlung am Tag reichte ihr. Mila sah sich vorsichtig um, ob sich jemand in ihrer Nähe aufhielt. Die Luft sah rein aus, auch ihre Mutter schaute auch nicht aus dem Fenster.
Unbemerkt trocknete sie mit ihrer Kraft das Fahrrad. Es dampfte ordentlich.
Dann konnte sie es ohne Probleme anfassen und fuhr los.
Der Bäcker lag in Richtung der Schule, man musste nur eine Querstraße vorher abbiegen und noch ein kleines Stück geradeaus fahren.
Quietschend hielt Mila mit ihrem Rad bei dem Fahrradständer direkt vor der Bäckerei. Schon hier draußen stieg ihr der lecker duftende Geruch von frischem Brot und Brötchen in die Nase. Im Laden stand schon eine große Schlange vorm Tresen, das konnte Mila durchs Schaufenster sehen. Es würde also länger dauern!
>Bimmelim< macht die Türglocke, als Mila in die Bäckerei eintrat. „Guten Morgen!“, rief Mila freundlich. Die Verkäuferin hinterm Tresen blickte kurz auf und stöhnte auch ein Guten Morgen heraus, sie war wohl mit dem ganzen Andrang etwas überfordert. Mila stellte sich brav an das Ende der Schlange, ganz in der Nähe des Zeitungsständers. Gelangweilt blickte sie zu den Zeitungen und erschrak! Gerade die Zeitung der Anglerfreunde lag an oberster Stelle. Und riesengroß auf dem Titelblatt war das Foto aus dem Video abgebildet. Es zeigte das Ruderboot am Steg und Mila, wie sie gerade das Tau löste. Zum Glück konnte man ihr Gesicht nicht erkennen. Mila rannen Schweißperlen von der Stirn. Sie nahm die Zeitung in die Hand und betrachtete das Bild noch einmal von nahem. Nein, erkennen das sie es ist, konnte man nicht. Man könnte vermuten das es eine kleine Frau oder ein Kind ist, von der kleinen gedrungenen Statur her. Und das die Person einen Pyjama an hat, sieht man auch ganz deutlich. Aber wer sollte von diesem Foto aus vermuten, dass Mila die gesuchte Person war.
Nun sah sie erst die Überschrift zum Bild ‘Die Schlafwandler schlagen zu!‘ Mila musste etwas schmunzeln. Dann legte sie die Zeitung zurück, aber extra ganz nach hinten, damit sie keiner so schnell entdecken würde. Mila war nun schon etwas beruhigter, bei dem nichtssagendem Bild bräuchte sie sich echt keine Gedanken zu machen, das jemand darauf kommen würde, das sie es war.
Ein räuspern riss sie aus ihren Gedanken. Die Schlange vor ihr war weg und sie war nun an der Reihe. Ungeduldig blickte die Verkäuferin Mila an.
„Was darf’s sein?“, fragte sie.
„Oh, bin ich schon dran! Ja, ich hätte gerne … 6 Vollkornbrötchen“, sagte Mila schnell.
Wieder zu Hause angekommen schloss Mila schnell die Wohnungstür auf, legte die Brötchentüte auf den Esstisch und deckte noch schnell den Tisch.
Schon betrat ihre Mutter die Küche, sie wurde vom Duft der Brötchen angelockt.
„Da bist du ja endlich, ich wäre schon fast verhungert!“, scherzte ihre Mutter und setzte sich an den gedeckten Tisch. Dann ließen sie es sich schmecken.
„Und … mhhm was hapfst…du heute noch so vor?“, fragte die Mutter Mila mit vollem Mund.
„Ich weiß noch nicht. Und Tom hat sich auch noch nicht gemeldet.“
Die Mundwinkel der Mutter schossen zu einem Grinsen in die Höhe, doch als sie sah, dass Mila sie anblickte, verkniff sie es sich.
„Was ist los?“, fragte Mila überrascht und neugierig, „was weißt du was ich nicht weiß?“
„Nichts…“, antwortete die Mutter ganz fadenscheinig.
Unter Milas stechenden Blick, nahm sich ihre Mutter ganz gelassen ein neues Brötchen und bestrich es mit Butter. Genüsslich biss sie hinein und zwinkerte Mila frech zu.
„Man….. Mum! Erzähl!“, stach sie hibbelig nach.
Doch Milas Mutter aß ganz genüsslich zu ende ohne etwas zu sagen.
Lautlos schüttelte sie die Krümel von ihrer Hose, stand auf und räumte den Tisch ab.
„Ich muss jetzt gleich los noch ein paar Dinge erledigen“, erklärte die Mutter und drehte sich zu Mila, „Und außerdem…. Es wartet eine Überraschung auf dich in deinem Zimmer!“ Sie zwinkerte.
„Also doch!“, Mila umarmte ihre Mutter zum Abschied und lief hoch in ihr Zimmer.
Als sie vor ihrer geschlossenen Zimmertür stand, hörte sie ein leises Rascheln aus ihrem Zimmer. Erst vermutete sie, das Dr. Kitkat wieder seine Runde durch ihr Zimmer drehen würde, aber dabei war er nie so laut.
Ruckartig öffnete sie die Tür und blieb überrascht im Türrahmen stehen.
„Tom?! Was machst du denn hier,... allein in meinem Zimmer? Wie lange bist du schon hier und wieso hast du nicht mit uns gefrühstückt?“
So viele Fragen. Doch Tom schien keine davon beantworten zu wollen, und überhaupt sein Gesichtsausdruck schien nicht freundlich. Eher bedrückt und wütend.
„Guten Morgen Mila!“, sagte er und hob seine Hand hoch, in der er eine Zeitung hielt. Es war die Anglerfreunde von heute, mit dem Foto von Mila auf dem Titelblatt.
„Oh, du hast dir die Zeitung gekauft, ich habe sie heute beim Bäcker auch schon gesehen. Ich weiß aber immer noch nicht wer es sein könnte“, versuchte Mila cool zu bleiben.
„Also…. Mir würde schon eine Person einfallen, die dieser Person zum verwechseln ähnlich sieht. Aber das habe ich dir ja schon gestern erzählt. Ich hoffe, dass diese Person jetzt endlich mit der Sprache heraus rückt. Eine Chance hast du noch!“, Tom blickte Mila ernst an.
„Ich weiß nicht wovon du sprichst!“, wehrte Mila ab.
Tom hob langsam seine andere Hand und präsentierte Milas Pyjama.
„Hast du in meinem Schrank gewühlt?“, fragte Mila empört.
„Ich musste, ich brauchte den alles entscheidenden letzten Beweis. Jetzt kannst du dich nämlich nicht mehr heraus reden. Das ist genau der gleiche wie auf dem Bild. Möchtest du mir nicht endlich sagen was los ist?“, fragte Tom ganz ruhig.
Mila schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Warum glaubst du mir nicht, wenn ich dir sage, ich war es nicht. Was ist den das für eine Beziehung, die wir führen, wenn du mir nicht vertraust?!“
Tom atmete tief durch und überlegte.
Dann sagte er langsam: „Gut, du hast Recht. Das war falsch von mir. Ich sollte mehr Vertrauen in dich haben. Ich kann aber nicht blind vertrauen und du lügst mich dann an. Ich merke doch das bei dir was nicht stimmt. Du bist anders als sonst.
Wenn du nicht das Boot geklaut hast, okay. Aber dann hast du etwas anderes. Du kannst es mir erzählen, denn in einer guten Beziehungen gibt es nicht nur blindes Vertrauen, sondern man teilt auch alles miteinander und verheimlicht dem anderen nichts. Besonders nicht wenn es dich so sehr belastet. Das ist auch eine Form des Vertrauens!“, redeten Tom innig auf Mila ein.
Mila dachte scharf nach, sagte aber nichts. In einer gewissen Hinsicht hatte er schon Recht. Aber sie durfte und konnte ihm nichts sagen. Noch nicht.
„Na gut“, sagte Tom nach einer Zeit der Stille, „Du lässt mir keine andere Wahl. Ich kann so nicht glücklich werden, wenn du mir etwas verheimlichst. Ich möchte nur dein Bestes, aber du sieht es nicht. Deshalb würde ich sagen, drücken wir erst einmal die Pause-Taste. Du brauchst ja wohl erst einmal Abstand und deine Ruhe. Die will ich dir geben. Und wenn du dich mir doch noch öffnen möchtest, kannst du jederzeit zu mir kommen. Aber warte nicht zu lange!“
Mit einer Träne im Auge verließ Tom Milas Zimmer und ging.
Mila konnte nicht ganz begreifen was eben passiert war. Tom hatte tatsächlich mit ihr Schluss gemacht und das, wo sie doch gerade erst zusammen gekommen waren. War das wirklich ihre Schuld! Hätte sie ihm alles erzählen sollen?
Weinend brach sie auf dem Boden zusammen.

Es gibt sie Wirklich!    Plötzlich MeerjungfrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt