3. Kleines Geheimnis

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Ich schaute an dem vakanten Haus hoch. Die hässlichen lilafarbenen Gardinen hingen immer noch in meinem Schlafzimmer und mein Herz sank, als ich die Bretter über Stiles' übereinstimmendes Fenster genagelt sah. Das Gras war übergewachsen und die Blumen waren abgestorben, aber das Warnungsschild an der Tür machte alles schlimmer.

Ich hielt mich an dem wackeligen Geländer fest, während ich langsam die Stufen hinaufging. Die vertraute Biege im Holz ließ mich erschaudern. Ich war zögerlich, aber ich riss das Polizeiband weg und schmiss es auf die Bank, die immer noch unter dem Fenster stand. Ich nahm den kleinen gelben Briefumschlag aus meiner Tasche und ließ die Schlüssel in meine Hand fallen.

Zehn Minuten. Das ist alles, was ich brauchte, um das zu holen, was ich benötigte und dann hier zu verschwinden, bevor er hier ankam. Er würde das nicht übersehen. Er würde es nicht riskieren, dass jemand herausfand, dass er gelogen hatte. Ich erschauderte, verscheuchte das unbehagliche Gefühl und öffnete die Tür. Der Staub traf mich wie ein Stein und ich stand da, starrte etwas zu lange in das Wohnzimmer.

Es war das gleiche alte Haus. Die gleichen alten Möbel. Die gleichen alten Erinnerungen. Der einzige Unterschied war, dass es mir nichts mehr bedeutete. Es war nur ein Haus, das ich niemals zuhause genannt hatte und ich war überrascht, dass es noch hier war und niemand es gekauft hatte.

Meine Hand umfasste die Türklinke zu meinem Schlafzimmer. Das kalte Metal fühlte sich gut auf meiner heißen Haut an und ein kleines Lächeln entfloh mir, als ich die Tür aufstieß. Es hatte sich nichts verändert. Hol einfach, was du brauchst. Hol es einfach und geh. Ich verdrängte jede Erinnerung, die sich in meinem Kopf anbahnte. Der Baseballschläger mit dem ich Jackson geschlagen hatte, lag immer noch auf dem Boden und meine Brust zog sich zusammen, als ich die Blutflecken sah.

Klamotten. Geld. Nötiges Zeug.

Ich riss meinen Schrank auf und schnappte mir zwei Rucksäcke vom Boden und begann, Shirts und Hosen hineinzustopfen in der Hoffnung, das sie mir noch passten. Ich war nicht viel größer geworden, aber ich hatte Muskeln aufgebaut und eine neue Persönlichkeit, also landete die Hälfte davon auf dem Boden, weil ich es nicht länger mochte. Pullover. Boots. Sneakers. Ich stopfte alles hinein. Als ich fertig war, ging ich zu Roe's Zimmer.

Ich nahm die Box von unter ihrem Bett und suchte durch die Schlüssel, bis ich den richtigen gefunden hatte. Dokumente und Geld. Ich nahm den Geldstapel, vielleicht sechshundert oder so und legte sie auf den Boden der Box, stopfte nur einen Zwanziger in meine Tasche. Geburtsrecht. Soziale Sicherheit. Ich wusste, dass ich neu begann, aber ich wusste auch, dass ich sie brauchte.

Ich durchsuchte die Papiere und entdeckte wieder den Zeitungsartikel, der ein Bild meiner Familie zeigte. Meine Finger strichen über mein Gesicht, das kleine unschuldige Mädchen ohne Ängste, außer was andere Leute von ihr dachten. Ich lachte. Dieses Mädchen war erbärmlich.

Ich legte die Box auf ihr Bett und durchwühlte ihren Schreibtisch. Die Urkunde des Hauses. Das Testament meiner Eltern. Ich hielt es vor mich und überflog es, ließ es jedoch wieder sinken, als ich bemerkte, dass das einzige Überbleibsel meiner Eltern ein abgebranntes nutzloses Haus war. Den Rest verstand ich nicht, aber ich stopfte ein paar Papiere mit meinem Namen in meinen Rucksack.

"Aliya." Ich erschrak bei dem Geräusch seiner Stimme. Ich kniff meine Augen zusammen und ballte meine Hände zu Fäusten, als er das Schlafzimmer betrat. Ich hatte ihn nicht einmal hereinkommen gehört. "Was machst du hier?"

"Gehen." Sagte ich ohne mich umzudrehen. Ich schulterte den Rucksack und ging zum Fenster. Ich versuchte es zu öffnen, aber zu meiner Überraschung war es zugenagelt und es aufzubrechen würde nur zu mehr Problemen mit dem Sheriff führen. Ich seufzte frustriert und fuhr mit einer Hand durch meine Haare, versuchte die Situation zu verstehen. "Warum sind Sie hier?"

"Ich dachte, ich würde Dinge sehen."

"Wie einen Geist." Ich drehte mich um und schaute ihn an. Seine Augen weiteten sich überrascht, während er mich musterte. Die Narben waren verschwunden und ich war sicher, dass er das als erstes bemerkte. "Sie sehen ein wenig blass aus, Sheriff. Geht es Ihnen gut?"

"Lass es sein, Aliya." Befahl er, als er einen Schritt auf mich zutrat. Ich starrte direkt in seine Augen, mein harter Gesichtsausdruck war einem Lächeln gewichen, als ich sein Herz rasen hörte. "Warum bist du hier?"

"Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Ich werde verschwunden sein, bevor irgendjemand Ihr kleines Geheimnis herausfinden kann." Meine Stimme verwandelte sich in ein Flüstern und ich schlüpfte an ihm vorbei, als er versuchte keinen Herzinfarkt in dem Schlafzimmer meiner Tante zu haben. Es dauerte nur eine Sekunde, bevor er mir wieder auf den Fersen war und ich schnappte mir den anderen Rucksack aus meinem Schlafzimmer.

"Wohin willst du gehen?"

"Warum interessiert es Sie?" Ich drehte mich um, Rage sammelte sich in meinem Körper. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, bevor ich außer Kontrolle geraten konnte. "Gehen Sie einfach und tun Sie so als hätten Sie mich nicht gesehen. Okay?"

"Das kann ich nicht, Aliya."

"Wieso?" Fragte ich ihn, als ich die Taschen vor meine Füße schmiss. Dieser Mann war ein Witz. Nutzlos. Warum es ihn interessierte, wollte ich gar nicht wissen. Ich wollte nur gehen. "Es ist mir ehrlich gesagt egal." Sagte ich, nahm die Rucksäcke wieder hoch und stieg die Stufen hinunter.

Ich schnappte mir die paar Schlüssel auf der Kommode bei der Tür und zog die Gardine zurück, um zu sehen, ob Roe's Auto noch in der Einfahrt stand. Ich lächelte, blickte zu dem grünen rostigen Auto in der Einfahrt. Ich wollte die Tür öffnen, doch der Sheriff nahm die Schlüssel aus meinen Händen und ich trat einen Schritt zurück.

"Du hast nicht einmal einen Führerschein." Sagte er mir. Ich lachte und schüttelte meinen Kopf.

"Sie machen Scherze, oder?" Fragte ich. "Wollen Sie mich dafür verhaften, ohne einen zu fahren oder lassen Sie mich gehen ohne, dass Stiles jemals etwas erfährt?"

Er zögerte für einen Moment und seufzte schwer, als er mir die Schlüssel langsam zurückgab.

"Ich will dich hier nie mehr sehen, Aliya. Nimm deine Sachen und geh so weit weg wie möglich." Sagte er, seine Augen mehr besorgt als befehlend. "Es gibt Dinge hier, in denen du keine Rolle spielen solltest."

"Sie wissen es... nicht wahr." Ich stoppte mitten im Satz. Er ging rückwärts in den Raum und setzte sich auf die Stufen. "Nicht wahr?!" Sagte ich laut, während ich ein paar Schritte auf ihn zuging. Ich starrte wütend auf ihn herab und er nickte Mitleid erregend.

Ich zuckte. Ich verlor für eine kurze Sekunde meine Kontrolle und war überrascht, dass sein Kiefer nicht brach. Er fiel rückwärts und schlug mit dem Kopf gegen die Wand und hielt seine Waffe auf mich gerichtet, als er aufsprang. Ich stand da, starrte ihn an. Ich konnte das Blut in meinen Venen spüren, als seine Hände zu zittern anfingen und lachte.

"Werden Sie mich erschließen, Sheriff?"

Er ließ die Pistole sinken und rieb sich den Kiefer.

"Du bist wie sie, hab ich recht?"

"Oh nein, Sheriff." Lachte ich, als ich zu ihm zurückging, das Feuer in meinen Fäusten brannte wieder. Er starrte in meine Augen und ich lächelte, als das Glühen in seinen reflektiert wurde. Er strauchelte rückwärts und hielt sich am Gelände fest, woraufhin ich lachte. "Ich bin kein bisschen wie sie. Ich bin sehr viel schlimmer."

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