~Kapitel 19~

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Lyanna holte tief Luft und umklammerte Rhaegars Hand. „Mein Bruder, und Robert." flüsterte sie. Vor ihrem inneren Auge sah sie Ned, jetzt da ihr Vater und ihr ältester Bruder tot waren, das Oberhaupt des Hauses Stark, vor den Truppen aus dem Norden marschieren. Vor den Umbers, den Karstarks, vor seinen gesamten Vasallen, und sie in den Tod führte.
„Sie werden alle sterben, Rhaegar." flüstere Lyanna, „euer Vater wird sie alle vernichten, mit der geballten Kraft der Sieben Königslande." Lyanna lehnte sich an die Brust Rhaegars und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie war nicht nur ein Monster, welches für den Tod ihres eigenen Vaters und ihres Bruders verantwortlich war, nun löschte sie das gesamte Geschlecht der Starks aus.
„Liebste," vernahm sie die zögerliche Stimme Rhaegars, „die Chancen deines Bruders auf einen Sieg sind nicht aussichtslos. Er vermählte sich vor kurzem mit Catelyn Tully, der ehemaligen Verlobten deines Bruders Brandon. Nun steht ihm die Streitmacht der Flusslande zur Seite. Die Hälfte der Sieben Königslande stehen in offener Rebellion zum Eisernen Thron und zu meinem Vater. Der Norden, das Grüne Tal, die Fluss- und die Sturmlande rebbellieren. Meinen Vater unterstützen die Weite und natürlich die West- und Kronlande. Dorne hat sich zu niemandem bekannt, doch mein Vater wird sie zwingen ihn zu unterstützen. Schließlich hat er die Prinzessin Dornes in seiner Gewalt, Elia Martell."
„Meinst du der Krieg erreicht uns hier, in unserem abgeschiedenen Flecken Erde?" „Ich bezweifle es. Die Kämpfe werden sich größtenteil nördlich von hier abspielen. Ich werde zuerst nach Königsmund reiten, um dort die Armee meines Vaters zu versammeln. Später reiten wir nach Norden, um uns Lord Baratheon un deinem Bruder zu stellen." meinte Rhaegar. „Du wirst mit ihnen reiten? Ich bitte dich, bleib! Bleib bei mir in Sicherheit, oder lass uns jetzt gleich nach Pentos fliehen!" flehte Lyanna leise. Doch sie wusste, wie sinnlos diese Diskussion war. Rhaegar war immer noch der Thronfolger, und wenn seine Dynastie, seine Familie in Lebensgefahr schwebte, kam er seinen Pflichten nach, selbst wenn er ebendieser Familie vor kurzer Zeit den Rücken zugekehrt hatte.

Als letztes legte Rhaegar seine schwarze Rüstung an. Auf seiner Brust wand sich der dreiköpfige, rote Drachen der Targaryen, mit roten Rubinen dargestellt. Lyanna schritt auf ihn zu und küsste ihn. Tränen befanden sich in ihren Augen, doch sie kämpfte dagegen an, sie freizulassen.

„Ich bin auf schnellstem Wege wieder bei dir. Ich verspreche es." murmelte Rhaegar in ihr Ohr. Er strich sanft über Lyannas stark geschwollenen Bauch, der für ihre baldige Niederkunft sprach, und gab ihr einen Kuss zum Abschied. „Lass mich nicht allein in dieser Welt mit ihm." sprach Lyanna. „Ich habe fest vor, der Geburt meines Sohnes beizuwohnen." gab Rhaegar mit einem Lächeln zurück. Doch er drehte sich um und schwang sich in den Sattel seines Pferdes.

Er würde allein nach Königsmund reisen. Rhaegar trieb sein Pferd zum Galopp an und verschwand hinter den Mauern der Feste. Lyanna blickte ihm vom höchsten Punkt des Turm nach und spürte in sich eine klaffende Leere, sowie wachsende Angst. So wie sie fühlten sich Hunderte andere Frauen in den Sieben Königslanden, wenn nicht Tausende, die innerlich vor Angst schlotterten, ihr Mann könne vom Krieg nicht wiederkehren, ihre Kinder als Halbwaisen aufwachsen. In den Wochen, in denen Rhaegar in den Krieg zog, wurde Arthur Dayn ein treuer Freund Lyannas. Er schirmte sie vor den Blicken der Dornischen ab und klärte sie über Neuigkeiten im Krieg auf. Rhaegar war als Erstes nach Königsmund geritten, um die Verbündeten der Krone um sich zu scharen.

Ser Dayn erzählte Lyanna, König Aerys habe die Unterstützung der Dornische erzwungen, da er noch immer Rhaegars rechtmäßige Frau, Elia Martell in Königsmund habe, genau wie Rhaegar prophezeit hatte. Zurzeit befanden sich etwa 10. 000 Dornische auf dem Weg nach Königsmund, um sich dort dem royalen Heer anzuschließen. Dayn vermutete, die gesamte Streitkraft wolle zum Trident marschieren und dort den Kampf mit den Rebellen beginnen. Das Kind in Lyannas Schoß bewegte sich von Tag zu Tag mehr, als wolle es sich den Weg aus ihr heraus kämpfen, genau wie sein Vater am Trident kämpft. Doch je mehr Tage vergingen, ohne Nachricht von Rhaegars Sieg oder Rückkehr, desto nervöser wurde Lyanna. Sie saß oft stundenlang in ihren Gemächern und grübelte. Sollte Rhaegar siegen, würde sich ihr Verlöbnis mit Robert Baratheon ins Nichts auflösen und sie beide könnten nach Essos fliehen. Doch was geschieht dann? Sie wären nirgends vor Roberts Zorn sicher. Er würde sie quer durch den gesamten Kontinent jagen und als Erster wäre ihr Sohn tot. Lyanna bekam Gänsehaut. Schützend legte sie ihre beiden Hände auf ihren prallen Bauch.

Das Lied von Eis und Feuer-die Geschichte der Lyanna StarkWhere stories live. Discover now