~Kapitel 8~

688 27 2
                                    

Am darauffolgenden Tag erreichte der König der sieben Königslande Harrenhal. Er wurde von dem gesamten Hof der Whents und allen Gästen erwartet. Aerys Targaryen ritt auf einem schwarzen Friesen durch Harrenhals Fronttor, die Augen auf seine knienden Untertanen gerichtet. Stolz trug er das Wappen seines Hauses, den roten, dreiköpfigen Drache der Targaryen, auf seiner Brust. Er wurde beidseitig von Mitgliedern der Königsgarde flankiert, rechts von Ser Barristan Selmy, besser bekannt als Barristan der Kühne, links von Ser Gerold Hohenturm, Lordkommandant der Königsgarde.

Lyanna sah in das Gesicht des Königs und erschrak. Der König war abgemagert und dürr, mit gelblicher, faltiger Haut und längeren Fingernägeln, als Lyanna je gesehen hatte. Seine schneeweißen Haare hingen fettig und strähnig bis zu seiner Hüfte hinunter. Ihr fiel auf, das der König selbst kein Schwert trug. Aerys starrte aus zusammengekniffenen Augen auf die Menge herab und bleckte die Zähne.

„Erhebt euch." vernahm Lyanna eine schnarrende, leise Stimme. Sie sah verstohlen hinüber zu Rhaegar, der sich mit gequältem Gesicht erhob. Er schämte sich, Sohn eines solchen Mannes zu sein. Lyannas Blick glitten über sein Gesicht, seine gerunzelte Stirn, sein verkniffener Mund mit den wunderschön geschwungenen Lippen... Lyanna schüttelte den Kopf um die Gedanken loszuwerden und wandte den Blick wieder ihrem König zu. Dieser zuckte gereizt mit dem Kopf, als er seinen Sohn erkannte.

„Sohn, stell mich dem Herrn dieser mächtigen Burg vor." knurrte er. „Lord Whent, dies ist mein Hoher Vater, Aerys Targaryen, der Zweite seines Namen, König der Andalen, der Rhoynar und der Ersten Menschen, Herr der sieben Königlanden und Protektor des Reiches. Und Vater-"

Rhaegar drehte sich zu Aerys, der nach jedem genannten Titel etwas stolzer wirkte, um. „Dies ist Lord Walter Whent, Herr über Harrenhal und ein treuer Vasall der Tullys." Lord Whent trat vor. „Es ist eine Ehre Euch kennenzulernen." sagte er mit einer tiefen Verbeugung.

„Nun, Lord Whent," begann Aerys, „ich kam hierher, um ein Turnier zu sehen. Was ich jedoch sehe, ist kein Turnier. Ich erwarte den Beginn in spätestens einer Stunde, oder ich reise mit meinem Gefolge und meinem Sohn wieder nach Königsmund." Er stieg vom Pferd, schritt auf den nervös lächelnden Lord Whent zu und drückte ihm die Zügel seines Pferdes in die Hand. „Ich erwarte mein Pferd in bester Verfassung, wenn ich es wieder will." „Natürlich, Euer Gnaden." antwortete Lord Whent. „Mein Sohn Rhaegar," Aerys spuckte den Namen förmlich aus, „wird hoffentlich so freundlich sein und mich auf meine Gemächer bringen, welche selbstverständlich eines Königs würdig sind. Rhaegar!" bellte der König. Sein Sohn nahm ihm am Arm und schritt mit Aerys vom Hof.

Sobald der König außer Sichtweite war, erhob sich die restliche Gesellschaft, und ein geschäftiges Treiben entstand, um den Beginn des Turniers binnen einer Stunde zu ermöglichen. Schnell lief Lyanna zu ihrem Bruder Ned und gemeinsam gingen sie zu Lord Howland, um sich über dessen Gesundheitsstand zu informieren.

Lyanna setzte sich an das Krankenbed Howlands und drückte ihm ein kaltes Tuch Leinen an die Stirn. Sofort schlug er die Augen auf. „Mylady, ich, ich weiß es wieder!" rief er erfreut. „Shh, Mylord, ruhig. Ihr strengt Euch zu sehr an. Was wisst ihr?" beruhigte Lyanna ihn. „Wer die Angreifer waren! Gestern Abend, ich fühlte mich besser und ging gerade zu dem Fest in der Großen Halle, da sah ich sie! Einer, einer trug die Mistgabel des Hauses Heckenfeld stolz auf seiner Brust, dann der Frey – Junge und noch ein... ein Anderer. Ach verflixt mir fehlt der Letzte der Drei! Verdammt sei mein vergessliches Hirn!" fluchte Lord Howland laut. „Entschuldigt Mylady, ich muss noch vom Wein und Mohnblumensaft beduselt sein. Ich habe es gestern auf dem Fest wohl etwas übertrieben. Wart Ihr auch dort zugegen?"

 Lyanna erinnerte sich an das Fest, jedoch nicht des Weines wegen. Prinz Rhaegar spielte dort ein Lied auf seiner Silberharfe, in einer fremdländischen Sprache jedoch, sodass Lyanna den Text nicht verstand. Doch die Melodie des Liedes war so traurig und schmerzerfüllt gewesen, dass es sie zu Tränen gerührt hatte. Brandon hatte eine ihrer Tränen aufgefangen und Lyanna aufgezogen, doch sie revanchierte sich, indem sie ihm ihren Weinbecher über den Kopf gegossen hatte. Lyanna musste bei der Erinnerung an den Abend lächeln.

 „Ja ich war zugegen. Nur leider sah ich Euch auf dem Fest nicht, jedoch gab es einen stattlichen Schweinebraten, Ihr erinnert Euch sicher?" „Schwein...," murmelte Lord Reet, „Schwein! Stachelschwein! Mylady, zwei Stachelschweine!" rief Howland begeistert. Verwirrt sah sich Lyanna zu ihrem Bruder Ned um, doch dieser zuckte nur die Schultern. „Es waren zwei Stachelschweine auf dem Wams des letzten Knappen! Haus Blount!" erklärte Lord Reet stürmisch. Lyanna lächelte. „Sehr gut, Lord Reet. Ich werde mich kurz mit meinem Bruder allein unterhalten, und sie bleiben im Bett, bis sie wieder ganz der Alte sind." wies Lyanna Lord Howland an. Sie schritt aus dem Zelt und sagte zu Ned: „Ich habe einen Plan. Ich werde beim Turnier antreten, gegen die Ritter des Hauses Frey, Blount und Heckenfeld antreten und siegen, und somit diesen Knappen zeigen, dass man sich nicht mit dem Wolfshaus anlegt."

Ihre Augen blitzten abenteurlustig auf. „Doch ich brauche deine Hilfe. Ich brauche eine Rüstung und ein Schwert. Wir schreiten im Lager herum, bis wir alle notwendigen Teile zusammen haben. Hilfst du mir?" fragte sie ihren Bruder mit großen Augen. „Lya hast du dir das gut überlegt? Was wenn du verletzt wirst? Wenn du den Helm während eines Kampfes verlierst? Wenn du verlierst und vom Pferd stürzt?" fragte Ned eindringlich. „Ich werde nicht stürzen. Und ich werde nicht verlieren." entgegnete Lyanna ernsthaft. „Doch dazu brauche ich deine Hilfe."

Das Lied von Eis und Feuer-die Geschichte der Lyanna StarkWhere stories live. Discover now