[ Minho ]

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Für: @lilylou96

× × ×

Die Sonne geht gerade erst auf, trotzdem ist mein dünnes Hemd schon leicht angeschwitzt und klebt unangenehm am Körper. Lange Schatten fallen von den kaputten Hochhäusern aus auf die wie leer gefegte Straße vor uns und erinnert mich wage an ein gestreiftes Tigerfell. Mit einem alten Stofftuch um den Kopf laufen wir zusammen von Haus zu Haus, spähen bei jeder Abzweigung vorsichtig in die Seitenstraßen und weichen jeder noch noch kleinen Ecke aus, hinter der sich ein Crank versteckt halten könnte.
Keuchend laufe ich hinter den Jungs her, den Blick starr gegen den blonden Hinterkopf meines Vordermanns gerichtet. Allerdings suche ich mir bald eine andere Technik, meine schweifenden Gedanken zu beruhigen, denn natürlich muss gerade Newt vor mir gehen, und bei seinem humpelndem Gang wird mir ganz schwindelig.

Es wird mir jeder Sekunde heißer, in der die Sonne länger auf das heruntergekommene Kaff, dass mal eine Großstadt gewesen sein muss, scheint, einige Unsportlichere der Gruppe schnaufen bereits wie Walrösser. Bei diesem Kopfkino muss ich leicht grinsen, verkneife es mir aber sofort wieder. Die Lage ist nicht gerade auf einem Stand, als dass man vor sich hin hätte lächeln können, ohne blöd angestarrt zu werden.

Dann ertönt ein Schrei.

Ich sehe nur aus dem Augenwinkel, wie eine Gestalt aus dem Schatten springt und sich auf einen der Jungs stürzt, wie ein wildes Tier, das seine Beute angreift.
Sogleich sind etliche andere Gruppenmitglieder zu Stelle und zerren den Crank brutal von ihrem Freund hinunter, der sich unter dem festen Griff windet und immer wieder einen spitzen Laut von sich gibt wie eine sterbende Katze. Endlich schaltet sich jemand ein und verpasst dem Ex-Mensch einen Kopfschuss, Blut spritzt am anderen Ende der Einschussstelle hinaus und der Mann klappt in sich zusammen wie eine Holzpuppe, der man die Fäden durchgeschnitten hat.

Der verletzte Bub - vielleicht 12 oder 13 Jahre alt, der arme Kerl - wird von zwei anderen hochgestemmt und weitergeschleift. Nun ist das Tempo um einiges erhöht, man merkt die Angst und die Anspannung durch die Menge pulsieren wie ein gemeinsamer Herzschlag. Newt vor mir faucht bei jesem Schritt schmerzerfüllt auf und verzieht das Gesicht, doch ich wüsste nicht, wie ich ihm in diesem Moment helfen könnte.

Da ertönt wieder ein Schrei, diesmal direkt neben mir. Ein dunkler Schatten legt sich über mich und im nächsten Moment reißt mich eine massige Gestalt zu Boden. Überlange Fingernägel bohren sich in meine Schultern und stinkiger Atem prallt gegen mein Gesicht. Keuchend versuche ich den Crank über mir wegzudrücken, doch der einst wahrscheinlich schwerst übergewichtige Mann drückt mich krampfhaft zu Boden, seine wulstigen Finger legen sich um meinen Hals und drücken mir die Kehle zu. Erstickt schreie ich auf, japse nach Luft, aber so sehr die Lichter auch ziehen und zerren und auf ihn einschlagen und stechen, er will mich einfach nicht loslassen. Ein Schuss ertönt, der Crank fällt seitlich nach vorne um und reißt mich mit sich. Mit enormer Kraft stößt er mich in die Luft und ich fliege gut 5 Meter über den Boden hinweg, ehe ich im Staub herumrolle und schwer atmend liegen bleibe. Arme packen mich, zerren mich erbarmungslos hoch und schreien mir ins Ohr, sie müssten schnell weiter. Aber ich höre sie nur durch wie schwaches Echo, ehe ich die Augen verdrehe und kraftlos umkippe.

Ich liege auf einer harten Strohmatte und starre in den offenen Himmel. Der Schock sitzt mir immer noch tief in den Knochen, aber ich versuche es vor den Anderen so gut es geht zu verstecken. Sie würden sich nur unnötig Sorgen machen.

Geistesabwesend lasse ich meinen Blick durch die Gruppe schweifen. Einige sitzen zusammen und reden gedämpft, andere haben sich zurückgezogen und versuchen zu schlafen. Einer fällt mir besonders ins Auge: Minho.
Der Asiate hat sich auffällig weit von der Gruppe entfernt und macht einen überaus müden, hoffnungslosen Eindruck. Seit wir hier in der Stadt angekommen sind haben wir kaum mehr miteinander geredet, so sehr war er mit seiner Anführer-Rolle beschäftigt, was ich eigentlich Schade finde. Wir hatten ein gutes Verhältnis, eine Zeit lang dachte ich sogar ich sei in ihn verliebt. Aber dann kamen immer diese Zweifel, ob er das selbe empfand und ich begann diese Gefühle zu unterdrücken. Bis heute kämpfe ich damit, aber sie lassen sich nur sehr schwer kleinkriegen.

Oneshots +Where stories live. Discover now