[ Minho ]

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Für: @Ohmyfelixfelicis

× × ×

Das schlimmste am Labyrinth für mich ist die Stille.

Klar ist es gruselig zwischen gigantischen Steinmauern zu laufen, unwissend, was hinter der nächsten Abzweigung lauern könnte. Doch die Stille... die überbietet nichts. Wenn das Hallen der eigenen Schritte, das Keuchen deines Atems, das Kratzen der Efeuranken, wenn sie zu Boden fallen, nachdem du sie abgeschnitten hast, das Einzige ist, was du den ganzen Tag über hörst, dann könntest du mich vielleicht verstehen. Allein aus Menschlichkeit hoffe ich doch, dass du es nie erleben wirst.

Loses Gestein knirscht unter meinen schweren, müden Schritten, als ich abbremse. Es ist bereits Mittag und ich sollte mich auf den Rückweg machen, um rechtzeitig vor Torschluss an der Lichtung anzukommen. Gerade heute ist Pünktlichkeit wichtig, bis jetzt war ich nämlich nur mit einem Co-Läufer draußen, der mir alles beigebracht hat. Meistens hat Ben diesen Part übernommen, Minho war sich dieser Aufgabe zu schade.

Hach ja, Minho...
Was macht mir dieser Strunk auch für Probleme! Mit seiner verdammten sarkastischen Art bringt er mich manchmal echt zur Weißglut, aber er hat auch ruhige, freundliche Seiten; zum Beispiel hat er mich schon öfters vor den perversen Annäherungsversuchen der Lichter gerettet. Da ich das einzige Mädchen auf der Lichtung bin, haben die Jungs natürlich alle ein Auge auf mich geworfen und versuchen mich rumzukriegen. Dass ich das nicht will, interessiert kaum jemanden von denen. Aber jeder, der mir bisher zu nahe gekommen ist und aufdringlich wurde, wurde von Minho entweder geschickt, abgewimmelt oder mit Drohungen verscheucht, und dafür bin ich ihm echt dankbar.

Im gleichmäßigen Trab jogge ich die gleiche Route zurück, wie ich hergekommen war. Darüber gibt es nicht viel zu erzählen; alles sieht gleich aus hier.
Stein, Efeu, Ecken, Kanten. Hinter der nächsten Ecke genau das Gleiche.

Und dann, mitten in dieser drückenden Stille, ertönt plötzlich ein schriller Schrei.

Kein menschlicher, nein, dazu ist er viel zu hoch und zu metallern. Ein Griewer? Aber warum sollte ein Griewer schreien? Hektisch sehe ich mich um, kann die Herkunft des Geräuschs aber nur schwer identifizieren. Es kommt scheinbar aus allen Ecken, wird von den Wänden hin und her geworfen und echot in meinem Kopf wieder.

Ich beschleunige mein Tempo, presche den Weg entlang. Ich hab schon die Hälfte der Strecke hinter mir. Ich muss das noch schaffen!

Wieder ein Schrei. Aber diesmal, diesmal ist er tief und hallend; ein Lichter. Ben? Aber der ist doch gar nicht in diesem Abteil heute! Dann kann es nur Minho sein. Verdammt! Was soll ich denn jetzt tun? Ein Krachen ertönt, Metall gegen Stein.

Nochmal. Und nochmal.

Es kommt näher.

Ohne es bemerkt zu haben, war ich langsamer geworden. Suchend sehe ich mich um, kann aber keine Regung erkennen. Wieder schreit Minho irgendwo im Labyrinth auf. Ich muss ihm helfen, irgendwie! Ich kann doch jetzt unmöglich einfach abhauen!
Bei der nächsten Kurve biege ich rechts statt links ab, in jene Richtung, in der ich den Griewer vermute. Schon wieder knallt es, diesmal viel näher als vorher.
Schnell renne ich den Weg entlang, immer dem Lärm nach, was sich als gar nicht so einfach erweist.

Dann sehe ich ihn.
Den Griewer.
Er rennt, springt von Wand zu Wand, wie eine wilde Raubkatze, kehrt mir aber den Rücken zu, entfernt sich somit von mir. Ich kann Minho nicht sehen, aber als er wieder aufschreit, ist mir das Beweiß genug für seine Gegenwart.

Ich reiße beide Arme in die Luft und schreie, so laut ich kann:
"Hey da!"

Der Griewer hält inne und dreht seinen hässlichen Kopf zu mir. Als er mich erblickt, faucht er wütend auf und sein Greifarm schwingt durch die Luft wie ein riesiges Lasso, scharrt mit seinen Metallbeinen am harten Boden. Er dreht sich zu mir um und nun kann ich auch einen Blick auf die am Boden liegende Gestalt erhaschen.

Oneshots +Where stories live. Discover now