Shout

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"Du und Micky?" Okay, also offenbar brauchte es keine große Erklärung, die Antwort auf meine Frage war offensichtlich, aber ich schätze, ich hatte einfach gehofft, dass Simone plötzlich grinsen und „Reingelegt!", sagen würde.

Aber das tat sie nicht, und meine letzte Hoffnung, dass es sich um ein großes Missverständnis handelte, zerschlug sich, als Simone ernst nickte und dann entschuldigend mit den Schultern zuckte, als ich sievöllig entsetzt ansah.

Ich sprang von der Couch und schritt zur anderen Seite des Zimmers, unfähig, an ihrem scheinbar gemütlichen häuslichen Bild teilzunehmen. Als ich den Raum durchquerte, fiel mir auf, dass ich mich wieder einmal in einer Situation befand, in der meine Umgebung so gar nicht zu meiner Stimmung passte.

Tatsächlich hatten Simone und ihre Eltern das vordere Zimmer nicht dunkel und bedrohlich oder wirr und verwirrend dekoriert, was perfekt gewesen wäre, sondern hell, luftig und mit einem Hauch von beruhigendem Hellblau versehen.

Neben der Couch gab es ein paar Sessel und ein wunderschönes antikes Sideboard. Es gab auch ein Erkerfenster mit einer Fensterbank davor, auf die ich nun zusteuerte.

Während ich mit leerem Blick aus dem großen Fenster starrte, dachte ich an all die Male zurück, in denen ich mich so schuldig gefühlt hatte, Simone nichts von mir und Jack erzählt zu haben, an all die Male, in denen sich mir der Magen umgedreht hatte, weil ich sie belogen hatte.

War es ihr genauso ergangen? Waren wir beide so sehr mit uns selbst, unseren Dilemmas und unseren Männern beschäftigt gewesen, dass wir alles über uns beide gestellt hatten, einschließlich unserer Freundschaft?

In der Tat ein ernüchternder Gedanke.

"Ich kann nicht..." Ich brach ab, weil ich nicht einmal in der Lage war, meinen Verstand zu sammeln, um herauszufinden, wo ich anfangen sollte oder was ich überhaupt sagen wollte.

"Komm her, und setz dich wieder zu mir.", flehte Simone und tätschelte auf den Platz neben ihr, aber ich schüttelte den Kopf und blieb, wo ich war. Ich wollte weder ihr noch dem immer noch grinsenden Micky zu nahe kommen, das war mir alles zu unheimlich.

"Also", versuchte ich es noch einmal, "obwohl wir beide Micky für ein totales Arschloch halten, hast du dich mit ihm getroffen? Sozusagen als Paar? Ja?" Ich richtete meine Bemerkungen ausschließlich an Simone, Micky zu ignorieren schien mir im Moment die beste Idee zu sein.

"Ja, aber es ist komplizierter als das.", sagte Simone leise. "Nicht alles ist schwarz und weiß, Talia."

Ich schnaubte ungläubig, Simone wollte mich über Komplikationen belehren? "Ich kenne Grauzonen.", erwiderte ich steif. "Ich bin in den letzten Monaten so etwas wie ein Experte darin geworden, also wage es nicht, mich mit vagen Hinweisen auf Komplikationen abzuspeisen. Ich bin deine beste Freundin, zumindest war ich das einmal, und ich würde wirklich gerne wissen, was mit dir los ist." Im Nachhinein fügte ich vorwurfsvoll hinzu: "Ich dachte, du bist mit Sam zusammen."

"Sam?!" Mickys Grinsen löste sich plötzlich auf und er verzog seine Miene zu einem finsteren Blick. "Dieses Arschloch hat doch keine Ahnung, was man mit ..."

"Micky." Simone legte sanft eine Hand auf seine und er hörte genauso plötzlich auf zu sprechen, als hätte sie ihm die Hand auf den Mund gelegt. Ich war mir sicher, wenn Mickys Freunde im Raum gewesen wären, hätte es plötzlich viele Rufe wie "Pantoffelheld" gegeben.

"Warum gehst du nicht ins Schlafzimmer und rufst Jack und Matt an und sagst ihnen, dass Talia hier ist und dass es ihr gut geht.", fuhr sie fort, in einem Tonfall, den man benutzen würde, um ein verwundetes, aber gefährliches Tier aus der Kiste zu locken.

So Much to Learn | deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt