Morning

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Nach all den Filmen da draußen zu urteilen, sollte der nächste Morgen ein Schleier aus goldenem Licht und nackten Körpern sein, aber anscheinend hatte Jack das Drehbuch nicht gelesen, denn als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich alleine im Bett.

Aber bemitleidet mich nicht all zu sehr, denn ich hatte in der Nacht zuvor zumindest einen Film-Moment. In der Nacht war ich nämlich aufgewacht, und ohne auch nur ein Wort zu sagen, hatten Jack und ich uns einander zugewandt. Wir hatten uns lange angestarrt, und dann hatte Jack mich sanft geküsst und mich an sich gedrückt. Wie filmreif ist das bitte?!

Ich glaube, ich habe dieses zweite Mal mit Jack noch mehr genossen als das erste Mal, weil alles so sanft und ruhig war. Ich schwebte in einer seltsamen Welt, in der ich mich sowohl schlafend als auch hellwach fühlte. 

Es war der schlafende Teil, der mich dazu brachte, mich langsam und träge gegen ihn zu bewegen, ohne das Bedürfnis nach Konversation (etwas sehr Seltenes für mich) und einfach nur das leise Gemurmel der Lust von uns beiden genießend. Das heißt, ich nehme an, dass es der wache Teil war, der mich dazu brachte, mich zuerst zu ihm umzudrehen, meine Beine um ihn zu legen und, ach ja, daran zu denken, ein Kondom aus der Schublade zu holen.

Es ist schon komisch, was für einen Unterschied eine Nacht machen kann, nicht wahr? Ich meine, gestern war mein Sex mit Jack noch hypothetisch und jetzt ... nun, jetzt hatte ich es zweimal getan.

Es war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte, aber ist es das nicht immer? Aber als ich darüber nachgedacht hatte, wie mein erstes Mals ein würde, war mir Jack wie ein Schatten vorgekommen, fast so, als wäre er nicht wirklich da gewesen. In Wirklichkeit aber war er so präsent, so vollkommen da, wie er es sonst nie war.

Nichtsdestotrotz werdet ihr euch sicher daran erinnern, dass Jack zwar in der Nacht anwesend war, es am nächsten Morgen aber nicht mehr war.

Einen Moment lang lag ich still da, fest in seine Decke eingewickelt, und ließ zu, dass eine ganze Reihe von Gefühlen, die ich nicht zuordnen konnte, durch mich hindurchströmten. 

Ich fühlte mich fast gelassen, als ob ich die Emotionen einfach an mir vorbeiziehen lassen konnte, ohne zu versuchen, sie aufzufangen und zu kontrollieren, und so in Frieden mit ihnen leben konnte. Ich bin mir sicher, dass das keinen Sinn ergibt, also genügt es zu sagen, dass ich mich ziemlich gut fühlte und mit der Entscheidung vom Vorabend Vollendens zufrieden war, ja, ich war selbstgefällig.

Als ich mich schließlich streckte und den Kopf drehte, sah ich ein gefaltetes Stück Papier, das an Jacks Lampe gelehnt war. Ich spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte und griff danach, um es vom Schrank zunehmen. Ich öffnete ihn und las:

Ich hatte um 9 Uhr eine Vorlesung und wollte dich nicht wecken. Ruf mich an, wenn du etwas brauchst. Jack.

Ich las den Zettel dreimal durch und schließlich breitete sich ein langsames Grinsen auf meinem Gesicht aus. Das war typisch Jack.

Die Erkenntnis traf mich, dass er nicht der Einzige war, der Vorlesungen hatte, und somit zwang ich mich aufzustehen. Ich erstarrte, als Muskeln, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie existierten, sich bemerkbar machten und darauf hinwiesen, dass sie eine anstrengende Nacht hinter sich hatten und es bevorzugen würden, sich einfach noch für eine Weile auszuruhen. Als stoisches Häschen, das ich nun mal war, ignorierte ich diese Muskeln und kämpfte mich durch meine morgendliche Toilettenroutine und schaffte es sogar, pünktlich zu meiner Vorlesung zu kommen.

Ich hatte einen großartigen Tag, denn selbst die Schmerzen erwiesen sich als Segen, da sie mich ständig an die Aktivitäten des Vorabends erinnerten. Vielleicht war es nicht das Beste, während der Vorlesungen und Unterrichtsstunden daran zu denken, aber es sorgte dafür, dass sie nicht annähernd so langweilig waren, wie sie es sonst waren.

So Much to Learn | deutsche ÜbersetzungOnde histórias criam vida. Descubra agora