Kapitel7

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[Flashback.]

'Und, habt Ihr eure Rache jetzt bekommen, Bouchan?', fragte Sebastian leise, wobei der Blick seiner glühenden Augen noch ein wenig ironischer wirkte als sonst. 'Ich habe getan, was ich konnte', erwiderte Ciel monoton. Warum fühlte er sich dann kein bisschen erleichtert? Nur ... leer. Ausgehöhlt. Bedeutungslos geworden. Er hatte erreicht, wofür er gekämpft hatte. Wofür er gelebt hatte. Und jetzt? Jetzt war sein Leben sinnlos geworden. Vielleicht wäre es sogar besser, dieses Leben jetzt zu beenden. Die Gelegenheit dazu stand keine fünf Schritte von ihm entfernt und blickte ihn aus dämonischen Augen an. Ein seltsamer Gedanke kam ihm in den Sinn. So seltsam, dass er lachen musste. Es war ein freudloses Lachen, aber es war auch ein freudloser Gedanke. 'Sebastian, jetzt bin ich sicherlich uninteressant für dich geworden, oder? Willst du jetzt meine Seele holen?'

'Nein, Bouchan.' Ein geheimnisvolles Lächeln erschien auf den Lippen des Dämonen und erhellte das blutverschmierte Gesicht. Das Rot hob sich seltsam lebendig von der leichenblassen Haut ab -was für eine Ironie, wenn man bedachte, dass diejenigen, deren Venen es bis gerade eben noch durchflutet hatte, jetzt kalt und leblos am Boden lagen, getötet von der Hand des unerbittlichen Dämonen, dessen Kleidung jetzt von ihrem Leben durchtränkt war. 'Du willst sie nicht?' Warum war Ciel in diesem Moment enttäuscht? Weil ihm das Ende, nach dem er sich einen Herzschlag lang gesehnt hatte, nicht gewährt wurde? Oder etwa enttäuscht, weil seine Seele vielleicht nicht gut genug war? Wie bitter. Das Opferlamm, das gerade noch dem schwarzen Priester entronnen war, machte sich Gedanken darüber, ob es wohl gut genug für einen Wolf war. Für den Wolf, der zwar gerade den bösen Priester zerfleischt hatte, aber nur, um sich danach selbst an dem Lämmchen gütlich zu tun. Ironie des Schicksals. Machte es denn überhaupt einen Unterschied, wer ihn tötete? Ciel blickte Sebastian an, der so furchteinflößend und doch so faszinierend war, gezeichnet vom Blut seiner Opfer, die roten Augen im Mondlicht noch geheimnisvoller, das Gesicht zu einem gefährlichen Lächeln verzogen, das einzig und allein seinem Herrn und Meister galt. Ja, es machte einen Unterschied. 'Doch, Bouchan, ich will sie', erwiderte Sebastian schließlich. 'Aber nicht jetzt. Ich will ich sie noch nicht ... Nicht auf diese Weise.' Ciel lächelte traurig. 'Verstehe, du hast also noch nicht genug gespielt?' Der Dämon antwortete nicht direkt. Er wandte sein Gesicht so um, dass der Mond es wie ein Heiligenschein umgab und ein Schatten auf sein Antlitz fiel. 'Ihr seid in mancher Hinsicht besonders, Bouchan. Eure Seele ist interessant. Bitte lasst mich sie noch ein wenig weiter beobachten.'

'Ja, Sebastian', antwortete Ciel schließlich schleppend. Er war zu schwach, um weiter den unnahbaren Racheengel zu spielen und wurde für einen Augenblick wieder das hilflose Kind, das er eigentlich hätte sein sollen. 'Bitte bleib bei mir. Nur noch eine Weile.' Es tat ihm weh, dass der dämonische Butler anscheinend nur aus diesem Grund bei ihm bleiben konnte, aber wenigstens ließ er Ciel nicht allein. Alles andere war ihm plötzlich gleichgültig. Alles würde gut werden, wenn sein tödlicher, und doch zu ihm so sanfter Butler ihn ins Bett brachte, genauso, wie er es jeden Abend tat. Und am nächsten Morgen würde alles wieder genauso sein wie immer ... Mit langsamen, anmutigen Schritten ging Sebastian auf seinen Master zu, der auf den Steinfliesen vor dem Phantomhive-Anwesen kniete und auf das Gesicht seiner bewusstlosen Verlobten herabblickte, die er beschützend in den Armen hielt. Elizabeth hatte den Anblick des Kampfes nicht ertragen und war zusammengebrochen. Es war einfach zu viel für sie gewesen. All die Gewalt, der Geruch des Todes, der fast greifbar die kalte Nachtluft vergiftete und das Blut, das alles bedeckte und sogar die Toten in lebendiges Rot tauchte. Selbst an Ciel haftete es, fremdes wie auch sein eigenes. Er spürte, wie die rote Flüssigkeit von seiner Stirn hinabrann und sich ihren Weg einer Träne gleich über seine Wange bahnte, bis ein Tropfen davon auf Lizzys blasses Gesicht fiel. Wie hatte er das Mädchen, das für ihn wie eine Schwester war, bloß in solch eine Situation bringen können? Nun gut, Lizzy war manchmal nervig, aber sie war auch gutherzig und unschuldig und Ciel konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie verletzt wurde. Ein Schatten legte sich über ihn und das Mädchen und als Ciel aufblickte, sah er direkt in Sebastians Gesicht. 'Ich werde an eurer Seite bleiben, Bouchan. Und eure Seele ...', er fuhr fast zärtlich mit der Hand, auf der das Zeichen des Vertrages mit Ciel eingebrannt war, über die Wange des Jungen, wischte das Blut von der zarten, weißen Haut. 'Ich werde sie erst holen, wenn Ihr sterbt. Wann immer das sein wird. Und ich werde verhindern, dass es bald ist. Das verspreche ich.' Wie um seinen Schwur zu besiegeln, hielt Sebastian die nun rot befleckten Finger an die Lippen und leckte das Blut ab, das noch einen Augenblick vorher an Ciels Haut gehaftet hatte. 'Vertraut Ihr mir?', fragte er plötzlich. Aus weit aufgerissenen Augen blickte der Junge den Dämonen an, dessen Augen plötzlich in der Farbe von geschmolzenem Glas aufglühten und in der Dunkelheit brannten wie nachtblühende Rosen. Mein Engel, dachte Ciel. Mein schwarzer Engel.

Eine Teuflische Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt