Kapitel6

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„Haben wir Weihnachten?", fragte Ciel skeptisch, als er von einem der Kekse, die Sebastian ihm gebracht hatte, abbiss und den Geschmack prüfte. „Sagt euch der Geschmack von Anis nicht zu?" Der Butler, der gerade mit Putzen beschäftigt war, drehte sich kurz zu seinem Master um. Seine Miene war unlesbar wie immer, aber irgendetwas blitzte eine Sekunde lang in seinen Augen auf, das Ciel nicht einordnen konnte und das so schnell wieder verschwunden war, dass es genauso gut Einbildung gewesen sein konnte. „Doch, schon, aber ich dachte nur gerade ..." Der Earl brach mitten im Satz ab. Nein, er konnte Sebastian doch unmöglich darauf ansprechen, dass sich der Butler in letzter Zeit völlig anders verhielt als sonst. Sonst ging das 'Mädchen für alles' im Hause Phantomhive zwar auch schon mit nahezu unmenschlicher Begeisterung jeder einzelnen Tätigkeit nach, die ihm aufgetragen wurde, aber die Gelassenheit des Butlers hatte im Allgemeinen nur wenig mit guter Laune zu tun gehabt. Inzwischen war er merkwürdig heiter, beinahe schon fröhlich. Er lächelte Ciel permanent überschwenglich an, sodass dieser langsam das Gefühl bekam, sein Butler litt entweder an einer chronischen Gesichtlähmung oder er hatte angefangen, dasselbe Zeug zu rauchen wie Lau. Einmal hatte der Earl sogar mitbekommen, wie Sebastian beim Aufräumen leise vor sich hingesummt hatte. Es war eine glückliche und gleichzeitig wehmütige Melodie gewesen, die perfekt zu der samtweichen Stimme des Butlers gepasst hatte. Ciel hätte schwören können, noch niemals etwas so Schönes gehört zu haben. Aber warum benahm sich der Dämon plötzlich so seltsam? Es gab eine genauso offensichtliche wie unmögliche Antwort darauf: Sebastian war verliebt. Der Gedanke suchte Ciel heim wie ein besonders nerviger Poltergeist, der in etwa über das gleiche Geschick verfügte wie Maylene und so regelmäßig für grenzenloses Chaos im Verstand des Jungen sorgte. In anderen Worten: Ciel kochte vor Eifersucht. Wie sehr er sich wünschte, an Marys Stelle zu sein ... Und aus unerfindlichen Gründen hasste er das Mädchen plötzlich, obwohl er sie gar nicht wirklich kannte. Er wusste genau, dass er kein Recht dazu hatte, Sebastian sein Glück zu verwehren, nur weil es seinem Master nicht in den Kram passte. Und irgendwie mochte Ciel es auch, wenn er Sebastian so gut gelaunt sah. Vielleicht lag es daran, dass er selbst sich ebenfalls danach sehnte, seine kühle, hasserfüllte Haltung aufzugeben und selbst auch wieder fröhlich zu sein. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass Sebastians Lächeln so umwerfend schön war, dass Ciel es am liebsten den ganzen Tag lang angesehen hätte. Der Junge fühlte dabei eine Wärme in sich, die er längst verloren geglaubt hatte ... Aber was dachte er denn da? Er wusste genau, dass seine Gefühle für Sebastian nichts weiter als sexuelle Anziehung waren, eine vorübergehende Schwärmerei, die vermutlich auf die Pubertät und den Mangel an anderen passenden Kandidaten in seiner Nähe zurückzuführen war. (Oder wären Maylene, Finnian oder Bard etwa eine ernsthafte Alternative gewesen?) Es war einfach ausgeschlossen, dass da etwas anders war. Nur langsam brachte ihn seine Obession an den Rande des Wahnsinns. Sebastians Berührungen und Ciels Körper waren keine gute Kombination, wenn es darum ging, einen kühlen Kopf zu bewahren ... Der junge Earl wurde das Gefühl nicht los, dass Sebastian seine Hände beim Waschen und Anziehen länger als üblich auf ihm ruhen ließ. Wunschdenken. Da war Ciel sich sicher. Aber schon der Gedanke brachte ihn völlig aus der Fassung. Und auf dumme Gedanken, die ein achtzehnjähriger – und noch dazu bereits verlobter - Adeliger mit Sicherheit nicht haben sollte. Er blickte verstohlen zu Sebastian hinüber – und bereute es im nächsten Moment sofort wieder. Warum zur Hölle musste es diesem Butler ausgerechnet jetzt einfallen, den silbernen Kerzenständer auf dem Regal gegenüber zu polieren? Das machte Ciels Gedanken kein Stück jugendfreier. Ganz im Gegenteil, der Junge konnte einfach nicht anders, als mit weit aufgerissenen Augen und brennenden Wangen Sebastians Hände anzustarren. Konnte er seinem Diener nicht ein einziges Mal befehlen, dasselbe bei ihm zu tun? „Stimmt etwas nicht, Bouchan?", fragte Sebastian mit seinem neuerdings üblichem Lächeln. Hatte er neuerdings auch Augen im Hinterkopf oder was? „W-was? N-nein, alles in Ordnung", beschwichtigte Ciel und bemühte sich, seinen Blick von der Hand des Butlers, die provokant langsam mit einem Lappen an dem teuren Silber auf- und abglitt, loszureißen und genauso desinteressiert wie immer dreinzuschauen. Was anscheinend gründlich misslang, denn Sebastian ließ nicht locker. „Seid Ihr sicher? Ihr seht etwas fiebrig aus", meinte er, ging auf seinen Master und legte ihm eine Hand auf die Stirn. Erschrocken zuckte der Junge so heftig zurück, dass er fast von Stuhl gefallen wäre, hätte sein Butler ihn nicht rechtzeitig festgehalten. Die zu hohe Adrenalin-Dosis, die im nächsten Moment durch Ciels Venen strömte, hing aber weniger mit dem Beinahe-Sturz zusammen als mit der Tatsache, dass er jetzt quasi in Sebastians Armen lag. Eine zarte Röte breitete sich auf seinem blassen Gesicht aus, als er in das plötzlich überhaupt nicht mehr so beherrschte Antlitz seines Butlers blickte und ihm klar wurde, was er da eigentlich genau tat. Kraftlos schob Ciel den Anderen von sich und blickte beschämt zur Seite. „Danke für die Hilfe", murmelte er fast unverständlich. „Aber es ist alles in Ordnung mit mir." Bis auf die Tatsache, dass ich mich jetzt am liebsten mit meinem eigenen Butler auf dem teuren Teppich wälzen würde, fügte er im Geiste hinzu. Sebastian kehrte wieder zu seinem undurchschaubaren Lächeln zurück. „Wie Ihr meint, Bouchan. Wenn ich irgendetwas für Euch tun kann, sagt es mir einfach." Und ob du was für mich tun könntest. Ciel stand der Schweiss mittlerweile in Tropfen auf der Stirn. Muss – hier – raus ..., keuchte seine innere Stimme hilflos. Leicht zitternd stand er auf und bewegte sich in Richtung Tür. Ein kleiner Spaziergang im Garten (und vor allem Abstand von diesem Dämonen) würden ihn sicher auf andere Gedanken bringen. Zu früh gefreut. Kaum berührte Ciels Hand die Türklinke, hielt Sebastian ihn auch schon an der Schulter fest. „Wo wollt Ihr hin, Bouchan?"

Eine Teuflische Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt