Kapiel 4

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Ciel Phantomhive mochte es nicht, berührt zu werden. Nicht mehr, seit er vor acht Jahren sein Vertrauen in die gesamte Menschheit verloren hatte. Nur zwei Personen war es gestattet, ihn anzufassen: Seiner Verlobten Elizabeth - und Sebastian. Der Unterschied war, dass Ciel Lizzies Berührungen nur zuließ, weil er ihr vertraute - als Cousine und gute Freundin, nicht mehr, nicht weniger - während er sich bei Sebastian förmlich danach verzehrte. Schon seit er dem anderen Mann zum ersten Mal begegnet war, hatte dessen Berührung etwas Beruhigendes für Ciel. Ungeachtet der Tatsache, dass Sebastian in Wahrheit ein Dämon war und wie oft der junge Earl ihn schon hatte töten sehen - auf seinen Befehl hin, wohlgemerkt -, bei ihm fühlte er sich beschützt. Und irgendwann hatte Ciel angefangen, noch etwas ganz Anderes zu fühlen, wenn er Sebastian nah war. Am Anfang hatte er die körperlichen Symptome nicht einordnen können. Warum raste sein Herzschlag so, wann immer er Sebastians Hände auf seinem Körper fühlte? Warum fühlte er diese Hitze in den Wangen und dieses warme Prickeln, das sich durch seinen gesamten Körper zog? Warum hinterließen Sebastians Berührungen eine Gänsehaut auf Ciels Körper? Warum musste der Junge beim Baden und Anziehen regelmäßig verstecken, wie er hart wurde, weil er nach noch mehr gierte? Kurz danach hatten seine Träume angefangen. Träume, in denen er sich seinem Verlangen nach Sebastian hingab, sich vergiften ließ, brannte. Er hatte längst aufgehört, sich gegen seine Fantasien zu wehren. Er konnte nicht leugnen, dass er in gewisser Weise sogar Gefallen daran gefunden hatte, sie absichtlich noch weiter auszuschmücken, wenn sein Kopf gerade nichts Besseres zu tun hatte. Aber das würde er niemals zugeben. Er hielt lieber Abstand von Sebastian und bemühte sich, seine Gefühle nicht zu zeigen. Was nicht bedeutete, dass er den Teil in ihm zum Schweigen bringen konnte, der unersättlich nach Sebastian hungerte. Es kostete Ciel eine ganze Menge Kraft, diese Seite von sich zu verbergen, aber bisher war ihm das zumindest mehr oder weniger gelungen. Trotz der Versuchung, die der undurchschaubare Butler darstellte, wenn er Ciel an- und auszog oder badete. Und alles davon jeden einzelnen Tag. So wie auch heute. Ciel spürte, wie Sebastians geschickte Hände routiniert über seine Kleidung glitten, seine Jacke abstreiften und dann langsam sein Hemd aufknöpften. Aber heute war es anders. Noch niemals hatte der Earl so widersprüchliche Gefühle in sich gespürt. Er konnte die Szene, die er heute in der Küche beobachtet hatte, einfach nicht vergessen. In einem Anflug von Masochismus versuchte er, sich Sebastian zusammen mit dieser Mary vorzustellen, aber sein inneres Auge versagte ihm gnädigerweise den Dienst. Er wollte nicht, dass Sebastian jemals jemand anderem als ihm gehören würde. Ein Teil von ihm war enttäuscht und verletzt, und dieser Teil hätte Sebastian am liebsten von sich gestoßen und geschrien: 'Du siehst dieses Miststück von einer Teeverkäuferin nie wieder! DAS IST EIN BEFEHL!' Sein Verstand sagte ihm, dass das kindisch war. Aber der Rest seiner Gefühle hatte sich gerade eben in einen chaotischen Kindergarten verwandelt, der seine jämmerlichen Versuche, vernünftig zu sein, mit Leichtigkeit übertönte. Dummerweise hatte ein großer Teil dieser Stimmen sich in den Kopf gesetzt, in größtmöglicher Lautstärke „Fass mich an!" zu brüllen. Ja, das war es, was er jetzt brauchte. Sebastians Hände auf seiner nackten Haut, seine feste Umarmung, in der sie beide schließlich eins wurden, seine samtige Stimme, die Ciel wieder und wieder ins Ohr flüsterte, was dieser hören wollte: 'Ich gehöre nur dir allein. Ciel wollte die Berührungen des Anderen erwidern, ihn zu sich ziehen, in sich hinein, bis Sebastian schließlich unwiderruflich in der Seele seines Masters eingeschlossen war. Bis er das Echo in Ciels Seele in seiner eigenen spüren konnte. Mein Sebastian. Mein Dämon. Mein Butler. Mein! Aber nichts davon geschah. Es ist vermutlich auch besser so, dachte Ciel gerade noch, als Sebastian ihm das Hemd ganz auszog und den Blick seiner rotbraunen Augen über den schmächtigen Oberkörper seines Herren wandern ließ. Ciel schluckte den Kloß in seiner Kehle herunter. Seit wann machte der Butler denn so etwas? „Ihr werdet langsam etwas kräftiger, Bouchan", meinte Sebastian mit einem anzüglichen Lächeln. „Langsam erkennt man, dass ihr kein Kind mehr seid." WIE BITTE??? Ciels Unterkiefer erlag plötzlich dem Prinzip der Schwerkraft. Mit ungläubig aufgerissenem Mund starrte er seinen Butler an. Er war es gewohnt, von Sebastian aufgezogen zu werden, aber normalerweise drehten sich dessen Bemerkungen darum, dass Ciel eben noch ein hilfloses Kind war. Das gerade war das erste Mal gewesen, dass der Butler anerkannt hatte, dass sein Herr doch kein Kind mehr war. Ciel spürte, wie seine Wangen sich leicht rötlich verfärbten. Kein Kind mehr ... Sebastian hatte es selbst gesagt. Bedeutete das jetzt, dass ... Sebastian, der gerade an der Hose seines Herren herumnestelte, riss den Earl aus seinen Gedanken. Das war vermutlich auch besser so, sonst hätte das Baden unter Umständen ausgesprochen peinlich werden können. Seufzend stieg Ciel in die mit heißem Wasser gefüllte Wanne. Am liebsten hätte er sich ganz in das Badewasser hineingleiten lassen, bis sein Kopf unter der Oberfläche verschwunden war, abgeschlossen von der Welt um ihn herum. Genau wie er sich wünschte, Sebastian in sich einschließen zu können, körperlich wie seelisch ... Aber er widerstand dem Drang, unterzutauchen, und ließ sich stattdessen mit stoischer Miene von Sebastian waschen. Auch wenn es schon schwer war, zu ignorieren, wie der Schwamm, denn der Butler in der Hand hielt, über seinen Körper wanderte, kaum eine Stelle unberührt ließ, und sich fast wie ein Kuss anfühlte, nass, weich, fordernd ... Moment mal, fordernd? Nein, das musste er sich einbilden ... Es musste ihm nur so vorkommen, als seien die Berührungen auf seiner Haut eine Spur fester und langsamer - um nicht zu sagen genußvoller - als sonst. Nein, das war bestimmt nur Wunschdenken. Trotzdem jagte es Ciel den heißesten Schauer seines Lebens die Wirbelsäule hinunter, als er spürte, wie Sebastians schwarze Fingernägel leicht und neckisch über seine Brust kratzten. Wenn das so weiter ging, würde er sich am Ende wohl doch noch dazu hinreißen lassen, seinem Butler Dinge zu befehlen, die ihnen beiden eigentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben sollten ... Am Ende des Tages war Sebastian merkwürdig zufrieden mit sich. Er hatte sich dazu überwunden, über seine eigenen Gefühle zu sprechen und das war für einen Dämonen in etwa so, als hielte der Papst eine Rede über sein Sexleben. Es hatte ihn am Anfang irritiert, dass Ciel mitten in sein Gespräch mit Mary hineingeplatzt war, aber die Vampirin hatte sich daran kein bisschen gestört. Sebastian hatte das Gefühl, dass sie irgendetwas plante, von dem er noch nichts wusste, aber er vertraute ihr. Warum auch immer. Auch ihre Idee, Ciel mit einer Art 'Verführungsaktion' schwach zu machen, schien im Ansatz zu funktionieren. Zumindest ging sie nicht schon am ersten Tag komplett schief. Sebastian hatte seinen Mut zusammen genommen und versucht, seinen Master ein wenig zu provozieren, ohne es zu übertreiben. Letzterer war zwar nicht darauf angesprungen, aber er hatte seinen Butler auch nicht als 'Perversling' beschimpft (was auch irgendwie berechtigt gewesen wäre) und ihn geteert und gefedert aus dem Anwesen geworfen. Sebastian beobachtete Ciel dabei, wie dieser sich gähnend ins Bett legte und auf der Seite zusammenrollte wie ein Kätzchen. Süß. Es war eines dieser Worte, die man als Dämon nicht benutzen sollte, aber trotzdem tauchte der Gedanke unwillkürlich in Sebastians Kopf auf. Er ist wirklich süß, wenn er so daliegt. Mit einem zärtlichen Lächeln beugte sich der eigentlich so kühle Dämon über seinen Master und zog ihm die Decke über die Schultern. „Gute Nacht, Bouchan", sagte er leise. „Gute Nacht ...", antwortete der Junge verschlafen. Einfach süß. Als Sebastian die Tür hinter sich schloss, musste er einen Moment lang amüsiert grinsen. Wenn Ciel wüsste, dass sein eigener Butler ihn 'süß' fand, wäre ihm das vermutlich so peinlich, dass er sich aus Verzweiflung an Maylenes Schürze erhängen würde. Aber gehörte Ciels Stolz nicht zu den Dingen, die Sebastian besonders an ihm mochte? Der Dämon lächelte. Eigentlich mochte er vieles an Bouchan, dass er eigentlich nicht mögen sollte. Er musste plötzlich an Marys Worte denken. 'Du liebst ihn.' Hatte sie da vielleicht Recht? Sebastian hatte da keine Erfahrungswerte. Was auch gut war, denn Liebe war für Dämonen in etwa so erstrebenswert wie eine schwere Lungenentzündung. Es sollte einfach nicht sein. Aber andererseits ... Möglich war es doch, oder? Er hatte Geschichten gehört, von Dämonen, die sich tatsächlich verliebt hatten, meistens in Menschen. Mit Schaudern dachte er an das unausweichliche Ende einer solchen Beziehung. Wollte er das wirklich? Er glaubte nicht wirklich, dass es eine Rolle spielte, was er wollte. Alles, was er wusste, war, dass Ciel für ihn so wertvoll war wie nichts und niemand sonst auf der Welt. Dass er glücklich war - ein Gefühl, das er voher gar nicht gekannt hatte - solange er bei seinem Bouchan war und solange es diesem gut ging. Dass er den Gedanken, dass dem Jungen etwas zustoßen könnte, nicht ertragen konnte. Dass er jetzt am liebsten auf dem Absatz kehrt machen würde, um direkt in das Schlafzimmer seines Masters zu stürmen und ... Nun gut. Vielleicht war das Wort 'Liebe' doch gar nicht so abwegig. Immer noch lächelnd fasste Sebastian schließlich einen Entschluss. Er würde Ciel nicht einfach nur verführen. Er würde etwas tun, das kein bisschen zu seinem Image als perfekter Butler passte und von dem er nie gedacht hatte, es jemals zu tun: Er würde seinem Bouchan nach allen Regeln der Kunst den Hof machen. Und gleich morgen würde er damit anfangen.

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Eine Teufel Dämon what ever kann also lieben? ...Werden wir ja sehn.

Eure Meinung interessiert mich brenend.

Euer Sam

Eine Teuflische Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt