„Wie heißt er?"

7.8K 157 17
                                    

So ging diese Nacht ebenfalls zu Ende, zwar besser als die vorige, aber nicht wie in früheren Zeiten. Ich schätzte, dass sich einfach zu viel geändert hatte. Man konnte keine längst vergangenen Erinnerungen mehr zum Leben erwecken.

Als ich kurz vor Sonnenaufgang wieder in dem Haus meiner Eltern schlief, die ich dieses Mal zum Glück nicht aufgeweckt hatte, träumte ich von meinem beschützenden, kleinen Apartment in Chicago. Langsam wurde mir alles zu viel in London. Die vertraute Gegend war kein Ort der Sehnsucht für mich, es war wie ein Kerker meiner Erinnerungen. Ich musste aufpassen, dass ich nicht selbst hinter Gittern landete.

Leider konnte ich nicht allzu lange träumen, denn schon wieder weckte mich mein Bruder. Doch diesmal war mein Zimmer hell erleuchtet. Er zog mir die Decke weg und ich stöhnte auf, als die Kälte meinen erhitzten Körper traf.

„Fick dich ins Knie!", brummte ich wütend. Er ignorierte mich und wühlte in meinen Sachen. Da ging er zu weit. Ich stand auf und stieß ihn weg. „Was ist nur in dich gefahren?" Er blickte mich finster an.

„Wo ist dein Bikini? Wir gehen heute in die Therme. Du hast zehn Minuten, um dich fertig zu machen. Tu es lieber oder soll ich Mama erzählen, wo du gestern warst?" Ich blinzelte. Seit wann war er so? Warum war er sauer auf mich? Doch bevor ich Zeit hatte zu fragen, war er auch schon weg und mir blieb nichts anderes übrig, als mir schnell meine Sachen anzuziehen und meine Haare zu einem unordentlichen Dutt zu drehen.

Danach ging ich zu ihm und erzählte meinen Eltern, die neben ihm standen, dass wir jetzt in die Therme gehen würden. Das hielten sie natürlich für eine gute Idee und daher liehen sie uns sogar ihren Wagen. Gewissermaßen freute ich mich auf meinen und Michaels Tag zu zweit, obwohl ich keine Ahnung hatte, was er im Schilde führte.

„Willst du mir jetzt verraten, was du vorhast?", fragte ich ihn neugierig, als wir im Auto saßen.

„Ich habe nichts vor, aber du wirst mir jetzt alles erzählen. Was auf der Party wirklich los war." Ich verzog mein Gesicht. Das hatte ich schon vermutet.

„Manche Dinge willst du wahrscheinlich gar nicht wissen", versicherte ich ihm. Doch er gab nicht nach.

„Du bist meine Familie. Ich will alles über dich wissen. Hat es etwas mit Nick zu tun?"

Ich biss mir auf die Lippe. „Lass uns erst einmal ins Wasser hüpfen! Dann erzähle ich dir die ganze Geschichte."

„Nick ist zwar mein Freund, aber wenn er etwas Dummes gemacht hat, dann spielt das keine Rolle." Ich nickte.

„Er hat nichts...", begann ich.

„Ich mein ja nur", unterbrach mich Michael und wir mussten beide peinlich berührt lachen.

Als wir schließlich im Wasser waren und den Duft der angenehmen Chlordämpfe um uns herum genossen, zogen wir uns in den Außenbereich zurück. Ich liebte den Kontrast der kühlen Luft auf meinem Gesicht zu dem heißen Wasser um meinen restlichen Körper. Wir stellten uns in eine ruhige Ecke und Michael forderte mich nun auf zu erzählen.

„Auf dieser Party hat mich Nick geküsst." Michael atmete scharf ein.

„Es war eigentlich keine große Sache. Oder es hätte zumindest keine sein sollen. Aber ich wollte das nicht und bin weggerannt. Ende der Geschichte." Michael rieb sich seine Schläfen.

„Nick kann froh sein, dass er nicht hier ist. Ich würde ihm so gerne eine reinhauen", knurrte er.

Ich versuchte ihn zu beschwichtigen: „Tu das nicht, er war ja betrunken. Es war nichts. Ich habe nur überreagiert."

„Ich kenne dich, Debby, und ich weiß, dass du einen guten Grund hattest das zu tun. Also erzähl mir jetzt bitte die ganze Geschichte!" Er meinte es ernst und ich wusste, dass ich jetzt in der Falle saß.

„In Chicago habe ich jemanden kennen gelernt. Und ich mochte ihn. Deswegen wollte ich nicht, dass Nick mich küsst", murmelte ich.

Michael rief entsetzt: „Du hast einen Freund und erzählst mir nichts davon?"

„Nein, du verstehst nicht. Er ist nicht mein Freund. Was immer auch zwischen uns war, es ist jetzt vorbei." Ich sah zu Boden.

„Tut mir leid. Aber du hättest es mir trotzdem sagen können." Er klang verletzt.

„Ich weiß, aber ich konnte nicht. Ich wollte es vergessen", gestand ich.

„Wie heißt er?" War das nicht egal?

„Shawn." Sein Namen hörte sich seltsam fremd an.

„Können wir schwimmen und nicht darüber reden?", bat ich. Er nickte.

Erst gegen Abend kamen wir wieder nach Hause. Zwischen uns hatten sich jetzt die ganzen Spannungen gelegt. Ich war ehrlich gewesen, zumindest so gut es ging, und wir verstanden uns nun besser denn je. An diesem Tag hatte ich sogar mehrmals gelacht. Dafür fühlte ich mich beinahe schuldig. Ich hatte es nicht verdient Spaß zu haben.

Doch darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken. Ich wollte bloß schlafen.

Wer liebt es auch schwimmen zu gehen (vor allem in der Therme)?

Dirty FriendsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt