Kapitel 13 - Eine Legende

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Das Klopfen an der Tür überhörte ich, während ich in einer meiner Lieblingsromane las. Ich war gefangen in einer vollkommen anderen Welt und zur Abwechslung in einer ohne Werwölfe. Das nannte ich mal Erholung, doch das Klopfen wurde lauter und holte mich wieder in die Realität zurück. Beziehungsweise es riss mich wirklich heraus. Ich schreckte auf und es dauerte kurz bevor ich antworten konnte. "Ja bitte?" Ein Mann trat ein. Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig. "Ich bin Janis. Johnson hat mich geschickt. Ich solle dir etwas über unsre Geschichte beibringen?" Das letzte sprach er mehr als Frage aus. Janis war nicht gerade das was ich mir unter dem Namen vorgestellt hatte. Er trug eine Brille und besaß schon eine Halbglatze. Naja das äußerliche hat ja keinerlei Bedeutung solange das innere stimmt oder? "Ja, ich würde sehr gerne mehr über unsre Ursprungsgeschichte erfahren." Er nickte mir lächelnd zu und zog sich einen Stuhl nahe meines Bettes heran. Er war ausgerüstet mit einer kleinen Mappe. "Du hast Glück ich war nämlich sehr lange beim Wolfs-Rat und stöberte in deren Bibliotheken, um genau diese Antwort zu erfahren. Ich teile sie liebend gern mit dir. Weißt du, es gibt nicht mehr allzu viele Schüler die sich wirklich für das Thema interessieren." Okay... besser ich frage ihn nicht was genau der Wolfs-Rat war sonst würde ich wohl nie zu meiner Ursprungsgeschichte kommen. "Dann passt das ja perfekt. Ich brenne schon seit meinem ersten Tag darauf zu Erfahren, was es mit dem ersten Werwolf auf sich hat." Janis Augen begannen vor Freude zu leuchten und er öffnete seine schwarze Mappe. "Ich habe sogar ein paar Bilder für dich mitgebracht!" Ich lächelte, doch mein Lächeln erstarb als ich die Bilder sah. Es waren Zeichnungen die ich schon als Kind bei meinem Vater gesehen hatte. Er reichte mir alle drei. "Ist etwas nicht in Ordnung? Stimmt etwas nicht? Geht es dir schlechter? Johnson hat erwähnt, dass ich dich nicht überfordern sollte." "Er hat was? Oh nein, nein! Überfordere mich ruhig Janis. Es ist nur, dass ich die Zeichnungen schon einmal gesehen haben muss. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. So eine Art Déjà-Vu Erlebnis, verstehst du?" Ich wollte mit ihm nicht meine Erinnerungen an meinen Vater besprechen. Außerdem kam es mir komisch vor mit ihm per du zu sein, da er sich ja als Lehrer ausgab, aber nun gut. Alte Angewohnheiten von der Schule wird man wohl nicht los. "Ja das tue ich in der Tat. Also gut ich würde dann anfangen zu Erzählen wenn es recht ist?" "Ja fang bitte an." Ich legte die Zeichnungen aus der Hand. Ich würde sie mir später weiteranschauen. Nun hatte Janis meine volle Aufmerksamkeit.

"Die Legende berichtet von einer Familie. Ein Junge nicht älter als 8 verirrte sich im Wald, vor einer sehr langen Zeit. Dort fand er einen kleinen Wolf. Sie ähnelten sich. Beide besaßen die gleichen äußeren Merkmale - zum Beispiel die Farbe ihres Haares - aber nicht nur was das äußere anbelangte, teilten sie etliche Gemeinsamkeiten - beide fühlten sich alleine und im Stich gelassen von ihrer Familie. Sie begannen einander zu helfen. Der Wolf zeigte ihm den weg zurück zu seinem Dorf, er beschützte ihn vor jeglicher Art von Feinden, bis er alt genug war. Im Gegenzug brachte der Junge ihm regelmäßig Essen. So schworen sie sich immer aufeinander aufzupassen. Für Immer und Ewig. Und durch diesen Schwur verband sie ein unsichtbares Band miteinander; das tiefer war als alles was du dir jemals vorstellen könntest. Sie waren in der Lage durch dieses Band zu kommunizieren und zu fühlen was der andere gerade fühlte. Sie konnten ebenfalls durch die Augen des jeweiligen anderen sehen. Es war wie Magie. So wird es zumindest berichtet.

Eines Nachts, Jahre später wurden sie aber beide verraten. Von einer Frau die fast noch ein Mädchen war. Der Junge der nun zu einem Mann herangewachsen war; verliebte sich in diese junge Frau. Blind vor Liebe vernachlässigte er seinen treuen Gefährten, den Wolf. Zusätzlich riskierte er es das Geheimnis zwischen dem Wolf und ihm selbst mit der jungen Frau zu teilen. Zutiefst schockiert über diese Art von Hexerei alarmierte die junge Frau das Volk. Der Mann so wie sein Wolf wurden an einen Pfahl angebunden und öffentlich der Hexerei angeklagt. In dieser Nacht schien der Mond rot, genau wie in der Nacht als sie sich kennen lernten. Sie verloren den Prozess und wurden zum Tode verurteilt. Doch die Dorfbewohner unterschätzten die unbändige Kraft des Wolfes und er schaffte es im letzten Moment seinen Freund, den Mann zu retten. Noch bevor einer der Dorfbewohner ihn oder seinen Freund hätte hinrichten können. Die Loyalität des Wolfes war so groß, dass er trotz der Vernachlässigung, ja sogar trotz des Verrats bereit war sein Leben gegen das seines Freundes einzutauschen. Das Feuer, welches diesen hätte verzehren sollen, verzehrte nun seinen loyalen Gefährten. Der Mann konnte nichts tun außer das Heulen seines treuen Wolfes mit anzuhören, wie dieser unter entsetzlichen Qualen brannte und schließlich starb. Getrieben vom Schmerz über den Verlust und von seiner Wut ließ er seine Schreie in den Nachthimmel hallen. Sein Herz vergiftete sich mit Rachegefühlen und einer unbändigen Gier nach Blut. Er wollte Blut dafür sehen. Er wollte jeden einzelnen Dorfbewohner dafür jagen und bluten lassen und wenn sie dem Tode nahe waren lebendig verbrennen. Er schwor es in dieser Nacht lautstark und keiner der Dorfbewohner wagte es sich zu regen vor Angst. Die reine Seele des Wolfes konnte seine Trauer spüren durch das Magische Band, welches sie selbst nach dem Tod noch immer verband. Er konnte das Leiden seines Freundes nicht ertragen und auch er spürte den Verlust an sich nagen. Keiner war bereit den anderen allein zu lassen. Mit dem Schrei über seinen Verlust mischte sich das Heulen des Wolfes und sie begannen eins zu werden. Die Seele des Wolfes drang in den Körper des Mannes ein und damit auch das Feuer. Mit jedem Mal wenn der Wolf zum Vorschein kam, konnte er fühlen, was der Wolf fühlen musste, bevor er starb: das Feuer. Es sollte die Bestrafung für seinen Verrat und die blinde Vernachlässigung sein. Der Wolf aber spürte es nicht. Nie mehr. So wurde er belohnt für seine selbstlose Tat und durfte für immer bei seinem auserwählten Gefährten bleiben. So waren nun zwei Seelen an einen Körper gebunden, der seine Gestalt verwandelte, je nachdem, welche dieser Seelen die Oberhand gewann: die Erscheinung des Mannes oder des Wolfes. Im Tod, den der Wolf bereits durchlitten hatte, wurde er unsterblich und auch dies verlieh er durch die Vermischung seiner Seele dem Mann. Aber keiner seiner Kinder würde dieses Geschenk je erhalten. Denn keiner seiner Kinder durchlebte je den Tod und kam zurück. Es war gänzlich und allein nur ihm geschenkt worden.

Wolfsblut (I) | WerwolfWhere stories live. Discover now