◆ Fifteen

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Fifteen: ,,Guten Tag, Mrs. Parker"

"Wir konnten Kontakt zu deinem Vater aufnehmen, Jasmine", die blonde Frau öffnet eine Akte und hält mir ein Bild hin. "Ich kenne ihn", sage ich leise.

Ich habe das Foto gefunden, von dem Mama kurz ...davor gerdet hat.
"Nimm es trotzdem!", herrscht sie mich an. Ich schaue sie ausdruckslos an.

"Wenn ich es behalten will, dann nehme ich es mir!", antworte ich scharf und die Frau rümpft die Nase.

"Benimm dich mal!", erwidert sie agressiv. In diesem Moment betritt Mr. Hagen den Raum.

Dr. Khalim Hagen ist sowas wie mein Psychologe. Nach dem Mom... nicht mehr da ist, kommt er regelmäßig vorbei, da er (und andere Menschen) nach meinem Zusammenbruch im Krankenhaus der Meinung sind, dass ich psychisch unterstützt werden muss.
Und dann gibt es noch Petra Ottery. Sie ist vom verdammtem Jugendamt und muss dafür sorgen, dass ich zu irgendwelchen Verwandten gehe. Inzwischen sind zweieinhalb Wochen vergangen, und ich habe seitdem nicht mehr geweint. Lediglich saß ich da und starrte Löcher in die Luft. Man hat mich nach Hause gebracht, wo ich mich dann einschloss. Ich aß fast nichts und stand stundenlang unter der heißen Dusche. Ich wollte einfach nur aus meiner Starre aufwachen.
Es waren so viele Stunden und Tage, an denen ich nichts gemacht habe. Ich lag im Bett und habe die Decke angestarrt. Ich habe nicht mal nachgedacht.
Ich konnte nicht weinen. Es ging nicht.

Es waren immer nur diese Bilder, die in meinem Kopf spucken. Die, wo Mama auf dem Krankenbett lag und einfach nur...

Nach ungefähr zehn oder elf Tagen, fand das Jugendamt, dass ich dringend einen Psychologen brauchte und somit hatte Dr. Hagen ein neues Opfer.

Zuerst habe ich die Tür nicht aufgemacht, und als nach fünfzehn (also nach drei oder vier) Tagen, sogar die Bullen anrückten und die Tür aufbrachen, war ich am Ende. Ich bin der Meinung, dass mein Leben im Arsch ist und ich so oder so voll verkackt habe. Meine Freunde habe ich während der Krankheit meiner Mutter verloren, und die Schule war mir schon lange nicht mehr so wichtig wie es vielleicht sein sollte.

Als die Bullen die Tür aufbrachen, war ich gerade in meiner täglichen Starre. Ich hatte ihr Klopfen und Schreien nicht gehört. Ich saß beim offenen Fenster auf der Fensterbank, den Ausblick auf die Wiese hinter unserem Haus. Ich fokussierte eine kleine Bank, ziemlich am Ende des Gartens, auf der Mom immer mit mir gesessen hatte. Wir haben entweder gelesen, oder wir haben geredet. Auch die ersten Jungsprobleme.
Mit dieser Bank verband ich viele Erlebnisse. Jede Menge schöne, doch dann war da auch der Nachmittag, an dem Mama mir sagte, dass es ihr schlecht ging. Sie sagte, dass sie Krebs hatte. Und dann weinte ich. Und dann weinte noch mehr, als sie mir sagte, dass es lebensgefährlich war. Und ich konnte nicht aufhören. Mom meinte, dass es ihr noch gut ginge, doch an einem Abend wurde sie von einem Krankenwagen abgeholt. Ich sah nur wie sie in einer Liege hineingeschoben wurde, weil ich gerade vom Sporttrainig kam.
Im Krankenhaus war sie nur drei Tage, doch in den nächsten vier Monaten wurde sie oft geholt. Und dann irgendwann war der Tag gekommen, an dem Dr. Taylors mir versicherte, dass es zu Ende war. Mom war eine Kämpferin, doch jeder Kämpfer gibt auf. Und ist danach vielleicht umso stärker. Da wo sie jetzt ist.

Es war eine Starre. Mein Körper wurde von Leere und Finsternis übernommen. Und ich konnte und wollte nichts dagegen machen. Die Bullen riefen sofort einen Krankenwagen und die Sanitäter untersuchten mich. Viel habe ich davon nicht mitbekommen. Ich war in einem Loch. Auch, wenn ich mir geschworen hatte stark zu sein, habe ich es nicht geschafft und somit vollends die Hoffnung verloren.

Ich wurde in einen tiefen Schlaf befördert und als ich dann aufwachte, stellten Dr. Hagen und Mrs. Ottery sich vor.

Meine neue Eigenschaft ist Aggressivität und Respektlosigkeit. Vielleicht ist es sowas wie eine Schutzmauer, wie es in vielen Büchern beschrieben wird. Jedenfalls wurde ich als Extremfall abgestempelt und dann wars gut.

"Guten Tag, Mrs. Parker", Dr. Hagen reicht mir seine speckige Hand und ich winke nur kurz.

Seufzend setzt er sich auf einen Stuhl und starrt mich an.

"Habe ich was im Gesicht?", frage ich genervt und ziehe meinen Beine auf den Stuhl. Dafür kassiere ich einen bösen Blick von Mrs. Ottery, worauf ich ihr nur provokant die Zunge rausstrecke.

"Wenn du keine verdammte Familie hättest, hätte ich dich längst in ein Waisenhaus gesteckt, du unerzogene Göre!", entfährt es Petra Ottery, worauf Dr. Hagen aufsteht und sie entsetzt anschaut.

"Petra, dieses Mädchen steht unter Schock. Sie hat ihre Mutter verloren. Gehen Sie respektvoll mir ihr um!", flüstert er bestimmt.

"Sie müssen mich nicht als Opfer darstellen, Hagen. Ich kann auf mich alleine aufpassen. Blöd bin ich nicht; als wenn ich mich von Ottery erniedrigen lasse!", falle ich ihn ins Wort.

"Das lass ich mir nicht bieten! Morgen früh kommt ein Taxi und bringt dich zum Flughafen. Und  dann zu deinen Vater!", wütet Ottery und pfeffert ein Ticket auf den Küchentisch. Dann wirft sie sich ihren Mantel über und geht.

Ich lehne den Termin mit Hagen ab, und als er raus ist öffne ich das Fenster und starre in den Garten.

Und wieder werde ich von der Leere und Finsternis überzogen. Ich weiß nicht, wie mein Vater ist, ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll die Wohnung bis Morgen ausgeräumt zu haben. Und ich weiß nicht, wie ich sas jetzt durchhalten soll.

Ich schließe meine Augen und mir wird schwindelig.
Als ich sie wieder öffne, sehe ich trotzdem nur das eintönige Schwarz vor mir.

Defenseless Where stories live. Discover now