◆ Prolog

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Prolog: ,,Nein Mama!"

"Mrs. Parker?", die helle Stimme einer Schwester reißt mich aus der Starre. Ich sehe auf und somit in das junge Gesicht. Es sagt mir nichts aus, die Schwester hat ein gutes Pokerface.

"Was? Sagen Sie mir, wie es ihr geht!", rufe ich aufgebracht und schaue ihr entsetzt, verletzt und hoffnungsvoll in die eisblauen Augen. Ihre perfekt gezupften Augenbrauen ziehen sich kurz zusammen. Es ist eine Geste, dich ich kenne.
Verdammt.

Es ist ein verdammtes Zeichen. Aber leider kein Positives.

"Shit", fluche ich. Dann machen sich schon die Tränen breit. Ich wusste es. Verdammt! Ich wollte stark bleiben. Doch dann gibt es auch diese Situationen, in denen man emotional sein muss, um wahre Stärke und Liebe zu zeigen.

"Ich muss zu ihr!", schreie ich und stelle mich vor sie. Sie ist ein kleines Stück großer als ich. Ihr strenger Zopf und ihre spitze Nase teilen einen eiskalten, bestimmten Ausdruck, doch das stört mich momentan nicht. Sie strahlt Macht, Wissen und eine solche Autorität aus, von der Damen in ihrem Alter nur träumen.

"Sie ist in Raum 78", sagt sie ruhig. Ich kann eine Spur von Mitgefühl in ihren kühlen Augen erkennen. Dann geht sie plötzlich einen Schritt auf mich zu. Und sie umarmt mich. "Tut mir leid, Jas!", murmelt sie.

"Verdammt, Lis. Ich muss zu ihr!", sage ich hastig und entkomme Elizabeths Umarmung. Elisabeth ist zwar drei einhalb Jahre älter als ich, dennoch sind wir bis vor kurzem gut befreundet gewesen. Sie arbeitet mittlerweile als Schwester im Krankenhaus.

Ich entkomme der Umarmung und renne zu der Tür mit der Nummer 78. Sie ist weiß gestrichen. Eine arschfahle Farbe, wie eigentlich das ganze verdammte Krankenhaus. Ich drücke die Klinke hinunter und schiebe die Tür langsam zurück. Ein Arzt kommt mir entgegen. Er wollte wohl gerade hinausgehen.

"Mrs. Parker?", fragt er leise worauf ich kurz nicke. Er schaut mich kurz verzweifelt und bemitleidend an. Scheiße, ich hasse es. Warum kann ich nicht einfach zu Mama. Ich will jetzt zu ihr und mir nicht diese mitfühlenden Gesichter der ganzen Lügner ansehen!

"Auf ein Wort!", bittet mich der Arzt nach draußen.

"Was wollen Sie?", frage ich ungeduldig, beinahe unhöflich, doch das ist okay, "ich muss zu ihr!"

"Ganz ruhig!", beschwichtigt mich der Arzt und senkt die Hände von oben nach unten, um mir sowas wie Calm-down zu siganlieresen. Ich sehe ihn nur an, als wäre er eine verdammte Plage.
Doch er kommt auf den Punkt.

"Ich bin Doktor Taylors. Ich behandle deine Mutter. Sie hat Krebs und wie es aussieht ist es lebensgefährlich." Seine Stimme wird leiser. "Sie... wird vermutlich sterben. Es steht schlecht um sie."

Ich schlucke. Wenn ich ehrlich bin, habe ich nichts anderes erwartet. Mum ist krank, das weiß ich und sie auch, es besteht schon immer die Gefahr, dass sie in ferner Zukunft daran zerbrechen würde. Dass es jetzt soweit ist, ist weder ihr noch mir in den Sinn gekommen. Allein Elisabeth und Dr. Taylors Reaktion deutet auf sowas hin.

Trotzdem sie ist meine Mum und ich liebe sie, verdammt nochmal. Im Gegenteil zu meinen Bruder. Marc ist weg. Ich weiß nicht wo. Weiß nicht bei wem. Ist mir auch egal. Ich habe ihn einmal einen Brief an die Adresse geschickt, wo er angeblich wohnt, doch es kam keine Antwort. Auch nicht darauf, dass Mum im Sterben lag.

"Wie lange?", frage ich ruhig und es kostet all meine Energie nicht auszuflippen und ihm an die Gurgel zu springen oder komplett die Kontrolle über mich zu verlieren.

Dr. Taylors schaut weg. "Fünfzehn Minuten", sagt er. Welcher Arzt darf eigentlich so hibbelig sein? Sonst sind sie doch immer so emotionslos und kühl. Zeigen keine Gefühle und sprechen bloß ihr Beileid aus. Oder etwa nicht?

Defenseless Where stories live. Discover now