Primrue Mellark 3 | Kapitel 34

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Immernoch saß ich auf dem Boden, eingekuschelt in Finns Arme, obwohl bereits einige Zeit ins Land gestrichen war.
Nur halb hatte ich mitbekommen, dass die Anderen unserer Gruppe aufgetaucht waren. Ich hörte ihre Stimmen, ihr Entsetzen, aber ich konnte einfach nicht aufblicken. Alles was ich konnte, war mich in Finns Shirt zu klammern und den Schmerz mit den Tränen herauszuspülen.
Irgendwann hatte mich Finn einfach hochgehoben. Meine Arme hatten sich wie von selber um seinen Hals gelegt, ehe ich einfach wieder die Augen schloss und es zuließ.
Die Sonne war mittlerweile verschwunden und die Kälte der Nacht setzte langsam ein.
Trotzdem gingen wir immer noch nicht weiter.
Wegen mir.
Weil mein Gehirn immer noch nicht wirklich verkraftet hatte, dass meine Mutter gestoren war, geschweige denn, dass ich darüber nachdenken konnte, wie es meinem Vater ging.
Das Geschehene machte alles so unglaublich vergänglich und zeigte mir, wie schnell ich jemanden verlieren konnte. Manchmal hatte man auch keine Zeit mehr Dinge wieder gut zu machen.
„Finn, es tut mir Leid.", platze es deswegen aus einmal heraus. Ich wollte nicht, dass einer von uns Beiden starb, ohne das er es wusste, „Ich weiß, dass du mich damals nur retten wolltest und ich war grausam zu dir. Da war so viel Schmerz und ich hab ihn einfach an dir abgewälzt und seitdem einfach nicht den Mut gehabt es mir einzugestehen. Es tut mir Leid."
„Nicht Primrue. Ich hätte es verstehen müssen. Du warst traumatisiert und ich hab dir deine Worte übel genommen. Dann im Kapitol... Bryony und Navet... ich hätte mich einfach auch entschuldigen sollen aber ich denke dafür waren wir wohl Beide zu dickköpfig.", flüsterte Finn zurück.
Ich spürte, wie er mir sanft einen Kuss auf den Scheitel hauchte, was mir erneut die Tränen in die Augen drückte, da es mich daran erinnerte, wie es einmal war. Jeden Sommer war Finn bei uns in Distrikt Zwölf gewesen und niemals würde ich vergessen, wie mein Vater mit mir und meinem Bruder einmal Distrikt Vier besucht hatte.
„Es wird nie mehr so sein wie früher oder?", stellte ich deswegen leise fest.
„Nein", stimme Finn mir zu, ehe er seine Finger unter mein Kinn legte und mich so sanft zwang ihn anzuschauen, „Aber eins wird sich nich ändern. Du bist meine kleine Schwester, auch wenn wir vielleicht nicht Blutverwandt sind. Daran wird nie jemand etwas ändern."
Dankbar drückte ich ihn erneut fest an mich. Zu wissen, dass ich ihn doch nie wirklich verloren hatte, auch wenn es zwischendurch so aussah, tat mir unglaublich gut.
Als Schritte näher kamen, schaute ich auf und sah Shade, der mich schief anlächelte.
„Hey.", begann er.
„Hey.", gab ich zurück und zwang mir ein leichtes Lächeln auf, auch wenn es nicht wirklich wirkte.
„Kommst du klar?", fragte er deswegen und setzte sich ungelenk zu uns.
„Ich komm klar. Ich... denkst du mein Vater weiß es schon?"
Shade schaute mich einen Moment an, ehe er nickte.
„Dervan meinte, dass sie uns die ganze Zeit beobachten werden, auch wenn wir keinen Kontakt haben. Wir können nur hoffen, dass er nicht genau in dem Moment in der Zentrale war."
Ich nickte ebenfalls und versuchte die Panik zu unterdrücken, die dabei aufkam. Mein Vater brauchte Katniss, mehr als wir alle.
Sie war sein ganzes Leben und so sehr er mich auch liebte wusste ich nicht, ob er ohne ihr weiter machen konnte. Nicht zu wissen, wie es ihm ging, machte mir Angst. Was, wenn wir zurück kamen aber er auch nicht mehr da war?
Es war Bryony, die etwas in mir in Erinnerung rief, als sie sich zu uns setzte, was ich komplett vergessen hatte.
„Ihr müsst zurück.", platze ich hervor, wodurch mich alle drei verwirrt anschauten und ich erneut ansetzte, „Ihr könnt nicht alle Drei euer Leben riskieren! Seit ihr wahnsinnig? Was ist mit Navet, wenn keiner von euch zurück kommt. Wie soll jemand ihm erklären, dass seine Mama oder seine... Väter nicht wieder kommen?"
„Hey... hey, ganz ruhig.", flüsterte Finn sofort und zog mich wieder an sich, wodurch ich erst merkte, dass ich zitterte, „Atme Primrue. Wir werden nicht sterben."
„Das hat meine Mum auch gesagt!", schrie ich zurück, wodurch Shade und Bryony regelrecht zusammen zuckten.
„Primrue, beruhige dich!", mischte sich zum ersten mal seit langem wieder Bryony ein, „Shade und ich waren Soldaten in Distrikt Sieben. Vielleicht hat Shade sich um die Ausbildung gekümmert aber wir kamen immer wieder in gefährliche Situationen. Das ist unser Leben. Wie deine Mutter wollen wir eine bessere Welt für unser Kind aber wir werden uns nicht risikobereit in den Gegner stürzen. Aber das ist es, was wir alle hier riskieren. Ob mit Kindern oder nicht, wir alle wollen es für die nächste Generation wieder besser machen. Wie damals deine Eltern und auch Finns Vater."
Mein Blick fiel auf den Mann aus Distrikt Vier, in dessen Armen ich immer noch lag, und ich konnte seine Entschlossenheit darin sehen. Wie sein Vater für ihn, wollte er seinem Sohn eine friedliche Zukunft schenken.
Der Gedanke nahm mir nicht meine Angst, aber ich sah ein, dass ich keine Chance hatte, sie zu überzeugen.
„Okay.", gab ich deswegen nach.
„Wir passen auf uns auf.", versprach Shade und ich nickte.
„Wir alle.", mischte sich auf einmal Padax ein, der vorher noch weiter weg gesessen hatte.
Jedoch hatte mein Schrei alle ein wenig näher rutschen lassen.
„Dann sollten wir dem wohl jetzt endlich ein Ende bereiten.", schlug ich vor.
Ich wusste nicht, was danach kam, aber es reichte mir. Nio hatte mir fast alles genommen. Meinen kleinen Bruder, den Jungen, den ich in der Arena hatte Lieben gelernt, meinen Freund und nun auch noch meine Mutter. Dies musste endlich aufhören und ich wollte diejenige sein, die ihn umbrachte und dabei zusah, wie das Leben aus seinen Augen weichen würde.

Primrue Mellark 3 | Ungewolltes VermächtnisWhere stories live. Discover now