Primrue Mellark 3 | Kapitel 26

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„Primrue? Noch anwesend?"
Ich schreckte zusammen, als ich Shades Stimme hörte und wieder zu ihm sah.
Er senkte gerade seine Hände, die zum Schlag bereit waren, als er wohl gemerkt hatte, dass ich wieder einmal abwesend gewesen war, weswegen ich entschuldigend nickte.
„Tut mir Leid.", gestand ich, „Aber ich kann mich einfach nicht konzentrieren."
„Ich weiß.", gab er zurück und musterte mich.
Cato war auf einen Einsatz; der erste meines Entzugs. Ich selber war noch nicht so weit und auch Cato wäre nicht gegangen, wenn es nicht um Geisel in Distrikt Zwei gegangen wäre. Es war jahrelang seine Heimat gewesen und auch wenn die Menschen dort nicht gut zu ihm gewesen waren, konnte er sie jetzt nicht im Stich lassen.
Natürlich verstand ich es, aber die Anspannung, seit sie abgereist waren, machte mich wahnsinnig. Es waren nur wenige Stunden, bis sie dort sein würden. Der Plan danach war es, die Geiseln zu befreien und einen Hovercraft zu schnappen. Somit wären sie nur kurz darauf wieder bei uns. Alle waren dabei von meinem ehemaligen Team, bis auf Shade. Er hatte sich freiwillig gemeldet, um bei mir zu bleiben, weswegen ich ihm dankbar war. Ich wollte meine Eltern nicht belasten und gleichzeitig konnte mich keiner so ablenken wie er.
Mittlerweile schaffte aber nicht einmal er es mehr oder sein Training.
„Wie wäre es, du springst schnell unter die Dusche und danach treffen wir uns wieder hier. Dann gehen wir gemeinsam zu Aaron und schauen, wie es steht.", schlug Shade vor und ich nickte sofort.
Die Ungewissheit machte mich wahnsinnig. Schließlich war nicht nur Cato in Gefahr. Bryony, Finn, Flax und auch Nex waren dort. Ihnen allen konnte etwas passieren und den Gedanken konnte ich gerade nicht verkraften.
Deswegen flog ich regelrecht zur Dusche und wusch mich nur schnell, anstatt das Wasser zu genießen, ehe ich meine Haare schnell zu einen Zopf zusammenband und wieder nach draußen lief.
Shade wusste von meiner Unruhe, weswegen auch er fast gleichzeitig mit mir wieder ankam.
Er legte freundschaftlich den Arm um mich, ehe wir gemeinsam zur Zentrale gingen.
Das letzte mal, als ich hier gewesen war, war ein ganzes Team einfach ausgelöscht wurden. Der Gedanke so etwas wieder zu sehen, machte mich nervös. Gleichzeitig wollte ich unbedingt wissen, wie es stand.
Angst und Neugier rangen mit einander, weswegen meine Schritt immer langsamer wurden.
Shade ließ es zu, zwang mich nicht weiter zu gehen, sondern bat mir einfach eine Stütze, falls ich sie brauchen würde.
Irgendwie schaffte ich es, in den Raum, mit den ganzen verschiedenen Computern. Auch auf den großen Bildschirm war etwas zu sehen, jedoch war das Bild viel zu unscharf, um wirklich etwas zu erkennen.
Meine Beine trugen mich wie von selber zu Aaron, der fluchend auf irgendwelchen Tasten herum hämmerte.
„Was ist los?", wollte ich sofort wissen und spürte, wie mein Herz schneller schlug.
„Alles ist gut Primrue.", beruhigte mich Dervan, der neben Aaron steht, „Wir versuchen nur gerade, dass Bild scharf zu bekommen aber wir haben Kontakt zu ihnen."
„Wir versuchen? Soweit ich weiß, bin ich der Einzige, der versucht diesen sturen Bock von Computer zu irgendwas zu bewegen!", beschwerte sie Aaron und schlug einmal auf den Bildschirm.
Natürlich rauschte es nur noch kurz auf, ehe das Bild scharf wurde, was nicht nur Aaron dumm drein schauen ließ.
„Ich bin ein Genie.", stellte er fest und ich entschied ihn einfach mal in dem Glauben zu lassen.
„Wie steht es?", wollte ich stattdessen von Dervan wissen.
Kurz musterte er mich; schien abzuwegen, ob er es mir wirklich sagen sollte, nickte dann aber.
„Soweit läuft alles nach Plan. Sie sind unbemerkt angekommen und in das Fabrikgebiet vorgedrungen, in dem die Geiseln sind. Sie sollten die Geiseln bald haben. Das Team um Nex kümmert sich darum, während das Team um Panax sich um den Hovercraft kümmern."
„Cato und Finn sind drin. Sie schauen nach den Geiseln. Das Gebiet ist sicher.", meldete sich auf einmal Nexs Stimme.
„Aber?", stellte Dervan, die Frage, die auch mir auf den Lippen brannte.
„Es ist ruhig. Zu ruhig."
Mein Blick glitt zum Bildschirm, in dem nun Bryony, Flax und auch Nex zu sehen waren, wie sie alles im Blick behielten. Cato und Finn waren nicht zu sehen, aber Nex hatte gesagt, sie wären im Gebäude und suchten die Geiseln.
Als im nächsten Moment eine Explosion das Gebäude erschütterte, wollte mein Gehirn deswegen auch nicht wirklich realisieren was passiert war.
Ich hörte wie Stimmen durcheinander riefen, wobei ich besonders Bryony heraus hören konnte, wie sie nach Finn schrie.
Alles in mir war wie eingefroren, während ich nur langsam realisierte, das eine Bombe in dem Gebäude hochgegangen sein musste. Nur Rauch war zu sehen; dann Bryony, die sich mit Tränen in den Augen herum drehte und immer wieder Finns Namen rief.
Wie viel war zerstört? Ich konnte nichts sehen; jedoch schien auch niemand zu fragen.
Warum fragte Dervan nicht nach einen Statusbericht?
Wie eingefroren, komplette leere in meinem Hirn, stand ich in der Mitte unserer Zentrale, während um mich herum alle zu schweigen schienen.
Eine Gestalt kam aus dem Rauch getaumelt und ich hörte erleichtertes aufatmen, als es Finn war.
Auch Bryony sah ihn und rannte auf ihn zu, ehe sie sich verzweifelt um seinen Hals warf. Er schien desorientiert aber nur leicht verletzt. Nur wenige Sekunden verstrichen, als auch er Bryony an sich drückte.
„Falle... Es war eine Falle.", flüsterte er, so dass auch wir Bescheid wussten.
Keine Geiseln.
Cato hatte sich umsonst in Gefahr gebracht.
Durch den Rauch, der sich nur leicht legte, waren Flammen zu sehen, während auch Flax sich zu den Beiden durchkämpfte.
Wo war Nex? Cato?
Finn war raus gekommen; schien kaum verletzt. Wo war also Cato?
„Nex?", wollte nun auch Dervan endlich wissen. Seine Stimme, beherrscht wie immer, zitterte leicht, „Nex antworte! Wo bist du?" Keine Antwort „Junge wenn du nicht sofort antwortest..."
Es war keine Antwort die wir bekamen, dafür jedoch Bewegung, auf dem Bildschirm.
Bryony und Flax wirbelten herum, während sie Finn hinter sich schob, der immer noch ein wenig wackelig auf seinen Beinen schien.
Ein Knacken war in der Leitung zu hören.
„Ich hab ihn..."
Nex. Keiner von uns schien zu verstehen, was er damit meinte, aber er war da. Er klang erschöpft aber er lebte. Endlich wurde aus der Bewegung ein Umriss und ich konnte sehen, wie sich die Schultern von Flax und Bryony entspannten.
„Es ist Nex.", berichtete die Frau aus Distrikt Zwei schnell, „Er hat Cato."
Im nächsten Moment konnte man Nex sehen und auch Cato. Jedoch beruhigte mich das Bild keinesweges. Er war blutüberströmt und hing mehr über der Schulter von Nex, als das er selber lief. Taumelnd kamen sie bis zu den Anderen, wo Nex eindeutig geschafft, Cato zu Boden gleiten ließ.
Ich konnte nicht sehen ob er atmete! Da war nur Blut. So viel Blut.
„Er lebt.", hörte ich Finn, als würde er wissen, wie alles in meinen inneren Schrie, auch wenn ich nach außen immer noch erstarrt dastand. „Ich kann nicht sehen, wie schwer die Verletzungen sind, aber er atmet gleichmäßig."
„Panax!", verlangte Dervan hinter mir und ich zuckte bei der Angespanntheit seiner Stimme zusammen.
„Hier. Wir haben es mitbekommen. Schon auf dem Weg mit dem Hovercraft.", war mein Kampfpartner zu hören und alle schienen ein wenig aufzuatmen.
Zumindest dies hatte geklappt.
Die Anspannung war jedoch immer noch zum Greifen nah. Erst als man sah, wie ein Hovercraft landete und das Andere Team erschien, um mit Cato und Finn zu helfen, atmeten einige im Raum auf.
Ich konnte sehen, wie der Hovercraft wieder abhob; wusste, dass sie bald zurück waren.
Aber was war mit Cato?
„Er wird wieder Primrue.", meinte Shade plötzlich hinter mir, „Er ist ein Kämpfer und er lässt dich nicht allein."
Als wenn seine Worte irgend einen Knopf in mir umschalteten, begann mein Körper unkontrollierbar zu zittern und mein Blick verschwamm unter Tränen.
Schluchzend ging ich in die Knie, ehe ich mich einfach auf den Boden Mitten in der Zentrale setzte.
Niemand kam mir nah und doch waren sie alle bei mir, während ich meine Beine umklammerte und mich weinend vor und zurück wiegte.

Primrue Mellark 3 | Ungewolltes VermächtnisWhere stories live. Discover now