Ein Sturm zieht auf

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Was würdest du tun, wenn du diesen Jungen mit nachhause gebracht hast, du ihm nur helfen willst und er nicht einmal mehr ein Wort mit dir spricht?

Ich sitze auf der Couch, Frank am Esstisch nur wenige Zentimeter von mir entfernt. "Hast du Hunger?" frage ich den dünnen Jungen, der endlich die Kapuze aus seinem Gesicht gezogen hat und so seine verstrubbelten Schwarzen Haare entblößt, die ihm gerade bis über die Ohren reichen. Der Junge gibt keinen . Ich mustere ihn und warte auf eine Antwort, doch der Junge bleibt stumm, starrt auf seine Beine die in eine nassen, schwarzen Skinny Jeans gekleidet sind. Er zittert und wirkt irgendwie verloren, so wie er da sitzt, allein am Esstisch.

"Willst du dir vielleicht etwas trockenes anziehen?" frage ich, ich erwarte gar keine Antwort. Ich stehe auf, gehe in mein Zimmer und durchsuche meinen Schrank, all meine Klamotten sind ihm eindeutig zu groß. Ich gehe in das Zimmer meines Bruders, die Sachen könnten Frank passen!

Ich nehme ein graues T-Shirt und eine schwarze Jogginghose, das kann er heute Nacht anlassen, während seine Klamotten trocknen und morgen früh gehe ich dann mit ihm zur Polizeiwache und die finden schon heraus wo er wohnt und sie werden seine Eltern informieren und er geht nachhause!

"Zieh das an!" sage ich in herrscherischem Ton und zu meiner Überraschung muss ich es nicht zwei mal sagen. Frank schnappt sich die Klamotten von meiner Hand und geht in das Badezimmer, in dem ich etwa eine Halbe Stunde früher Verbände um seine Handgelenke gelegt habe. "Häng die nassen Sachen einfach über die Badewanne!" schreie ich und warte vor der Badezimmer Tür bis er mit trockenen Klamotten heraus kommt. Wenn er zulange da drin bleibt, dann komme ich rein, ich will nicht das er noch einmal versucht sich etwas anzutun! Auch wenn ich diesen Jungen nicht kenne, so kann ich niemanden sich selbst überlassen, der sich selbst Tod sehen möchte, das liegt einfach in meiner Natur und vor allem weiß ich, das man in so einer Situation dankbar ist, wenn man nicht alleine ist! Vor zwei Jahren dachte ich auch, ich wäre besser Tod und dann habe ich meine Freundin kennen gelernt, ich weiß nicht ob ich sie wirklich Liebe, aber sie war da für mich, wenn ich ganz unten war und ich schätze dafür hat sie es verdient, das ich einfach bei ihr bleibe und sie zum lachen bringe!

Frank kommt heraus und sieht mich mit dankbarem Blick an, sprechen tut er immer noch nicht. Ich betrachte ihn von unten bis oben, meine Augen stoppen an seinen Armen, die bis jetzt von seiner Jacke bedeckt worden waren. Ich hatte seine Handgelenke gesehen, aber ich hatte nur die offene Wunden gesehen und nicht die vielen Schnitte und narben die auf seinem gesamten linken Arm verteilt sind und auch nicht die blauen Flecke und Brandnarben auf seinem rechten Arm. Ich muss schlucken und Frank läuft an mir vorbei zurück zu dem Stuhl, auf dem er eben schon gesessen hatte.

Ein Schlüssel wird ins Türschloss gesteckt und die Haustür öffnet sich, mein Bruder betritt das Haus. Als er ins Wohnzimmer kommt sieht er mich mit verwirrtem Blick an, ich stehe an den Türrahmen gelehnt und betrachte Frank, der seine Knie umschlugen hat und auf den Boden start. "Was geht hier vor sich?" fragt er und schaut zu Frank. "Ich hab ihn auf der Straße gefunden!" Und schon wieder klingt es, als wäre Frank ein streunender Hund, den ich mit genommen habe. "Gee, du kannst doch nicht einfach Leute aufsammeln und her bringen, wenn Mum und Dad ihn sehen, dann..." "Dann werden sie es verstehen!" unterbreche ich den blonden Jungen. "Du weißt nicht wer er ist, oder?" fragt Mike und zieht mich am Ärmel in den Flur. "Er wollte sich umbringen! Ich musste ihm helfen!" "Vielleicht hättest du ihm dann früher helfen sollen!" "Wovon Sprichst du?" frage ich leise und sehe meinen Bruder verwundert an. "Er geht auf unsere Schule." fängt er an. Ich wusste doch, das er mir bekannt vorkommt, aber deshalb verstehe ich trotzdem nicht, was Mikey da meint!

"Du weißt ernsthaft nicht wer das ist?" Ich schüttle den Kopf, wobei meine roten Haare in mein Gesicht fallen. "Du hast doch von diesem Video gehört, das in der Schule herum geht, oder?" mein Bruder sieht mich an, als wäre ich verrückt. "Nicht wirklich!" Seine Augen werden groß. "Was? Wo lebst du, hinterm Mond?" fragt er laut und holt tief Luft. "Okay, wie auch immer, ich erzähle dir kurz die Situation, du Mondmensch! Du kennst Kellin, oder? Natürlich kennst du ihn, er war in der fünften Klasse dein bester Freund, wie auch immer. Er hatte eine Wette mit seinen Kumpels, sie haben vier Jungen ausgesucht, die entweder Schwul, oder Bi sind, also nach ihrer Vermutung und haben dann gesagt, wer als erstes einen von diesen Jungs dazu bringt Oralsex mit ihm zu vollziehen, der bekommt 400 Dollar. Kellin hat es geschafft, nach einem Monat in dem er mit Frank gespielt hat wie eine Katze mit einer Maus, hat er ihn dazu gebracht es zu tun. Im Umkleideraum der Schule, er wusste das es passiert und so, hat er eine Kamera versteckt und das Video online gestellt und an all seine Freunde geschickt. Das war vor zwei Monaten, seit dem wird Frank aufs übelste fertig gemacht, beschimpft und ich weiß nicht ob es stimmt, aber sein Vater hat das Video auch zu sehen bekommen und .... und anscheinend hat er ihn dann verprügelt!"

Man kann mir deutlich ansehen, das ich geschockt bin und das diese Szenen mir vollkommen fremd waren. Ich frage mich, ob ich wohl auch bei dieser Wette mitgemacht hätte, wäre ich noch mit Kellin befreundet, wahrscheinlich nicht! Ich könnte das nicht! Und ich frage mich, wie konnte Kellin nur so etwas tun? Er war früher mein bester Freund, er war nett und bis er ins Football Team gekommen ist, war er sogar schüchtern und hätte sich nicht einmal getraut so einer Wette zu zuhören!

"Vielleicht sollte er, das ganze Wochenende hier bleiben und am Montag nehmen wir ihn mit zur Schule und danach kann er nachhause!" "Dann kannst du ihn auch sofort nachhause schicken, ich glaube nicht das es einen unterschied machen würde!" brummt der blonde Junge, der ein Jahr jünger ist als ich. "Ich kann ihn nicht für immer hier lassen!" "Du kennst ihn kaum, du kannst nicht auf ihn aufpassen!" mein Bruder läuft in Richtung seines Zimmers und ich zurück ins Wohnzimmer, wo Frank genau so dasitzt wie zuvor. Er sieht aus, als wäre er eine Statue, oder einer dieser Leute in der Stadt, die tun als wären sie Statuen, aber in Wirklichkeit nur vorgeben etwas zu sein, das sie nicht sind.

"Frank, darf ich dich etwas fragen?" frage ich und setzte mich zu ihm an den Tisch. "Was hast du mit deinen Armen gemacht?" "Glaubst du man wird schnell überfahren, wenn man sich mitten auf eine Straße legt?" murmelt er. "Wahrscheinlich, aber das wirst du nicht tun, oder?" Ich schlucke und mein Kiefer verkrampft sich. -Sei froh das er wieder spricht!- sagt eine Stimme in meinem Kopf. -Du darfst ihn nicht mehr aus den Augen lassen!- eine andere.

Das klingeln unseres Telefons unterbricht die Stimmen in meinem Kopf, ich stehe langsam auf, meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding. "Hallo?" "Hey, Gerard?" fragt die piepsige Stimme meiner Mutter. "Ja, ich bins!" "Ich komme heute Abend hier nicht mehr weg! Es ist ein heftiger Sturm angesagt und der regen ist so stark, das man draußen kaum die Hand vor Augen sehen kann. Ist Mike zuhause?" fragt sie laut. "Ja, er ist hier!" antworte ich kurz. "OKay, dein Vater wird auch vor morgen Abend nicht nachhause kommen. Ich möchte, das ihr das Haus nicht verlasst, bis einer von uns zuhause ist!" "okay!" "Also gut! Schatz, ich hab dich lieb und sag deinem Bruder einen Gruß und passt auf euch auf! Bye!" "Bye!" Ich lege den Hörer wieder in die Ladestation und sehe aus dem Fenster, der Regen ist noch schlimmer geworden. Hätte ich Frank nicht mit mir genommen, wäre er spätestens in einer Woche gestorben, weil er sich eine tödliche Erkältung zugezogen hätte! 

Never let go my HandWhere stories live. Discover now